Architektur zwischen Himmel und Erde: Flughafen-Kontrolltürme
Text von Susanne Fritz
Schweiz
10.11.11
Auch wenn es alltäglich geworden ist, sich im Flugzeug fortzubewegen, sind die Menschen nach wie vor davon fasziniert, die Schwerkraft zu überwinden. Entsprechend gross ist die Anziehungskraft von Flugzeugen, Flughäfen und deren Infrastruktur.
Auch wenn es alltäglich geworden ist, sich im Flugzeug fortzubewegen, sind die Menschen nach wie vor davon fasziniert, die Schwerkraft zu überwinden. Entsprechend gross ist die Anziehungskraft von Flugzeugen, Flughäfen und deren Infrastruktur: Zuletzt wurde dies offensichtlich, als letztes Jahr der A380 enthüllt wurde und hunderte Menschen an den Flughafen in Zürich strömten, um die Maschine starten zu sehen – denn es ist auch heute noch eine Sensation, das bis anhin grösste zivile Verkehrsflugzeug abheben zu sehen.
Luftkontrollzentrum und Kontrollturm Wien Schwechat von Zechner & Zechner Architekten, Wien; Foto © Zechner & Zechner
Luftkontrollzentrum und Kontrollturm Wien Schwechat von Zechner & Zechner Architekten, Wien; Foto © Zechner & Zechner
×Nicht nur Aufgrund dieser Faszination für die Luftfahrt ist es eine der schönsten und prestigeträchtigsten Aufgaben des Architekten, einen Flughafen zu planen. Ein moderner Flughafen ist eine der komplexesten Bauaufgaben, da er vielfältigen logistischen Prozessen und (Luftfahrt-)technischen Anforderungen gerecht werden muss. Die International Civil Aviation Organization (ICAO) hat zudem rechtsverbindliche internationale Normen geschaffen hinsichtlich der Planung von Flughäfen mit internationalem Flugverkehr. Ausserdem ist ein internationaler Flughafen ein Tor, das die Welt verbindet – heutzutage eine immense sicherheitstechnische Aufgabe. Im sozialen Sinne ist er zudem nationales Aushängeschild und gleichzeitig öffentlich genutzter Raum der verschiedensten Nationalitäten und Kulturen.
Kontrollturm Wien Schwechat, die Membran ist bei Nacht illuminiert; Zechner & Zechner Architekten, Wien; Foto © Zechner & Zechner
Kontrollturm Wien Schwechat, die Membran ist bei Nacht illuminiert; Zechner & Zechner Architekten, Wien; Foto © Zechner & Zechner
×Ein heutiger Flughafenkomplex ist eine Art Stadt mit Hotels, Bürogebäuden, Bahnhof, Parkhäusern, Lagerhallen und Einkaufsmöglichkeiten. Ein Beispiel dafür ist der Al Maktoum International Airport, der das Herzstück eines um den Flughafen herum gebildeten Wohn-, Büro und Logistikkomplexes darstellt. Das Herzstück der Infrastruktur bilden jedoch die Terminals, Hangare, Taxiwege, Runways und der Tower. Letzterer stellt das kommunikative Verbindungsglied zwischen Luft und Erde. Unter höchster Konzentration müssen die Lotsen den Luftverkehr staffeln, überwachen, separieren - eine anspruchsvolle Aufgabe, die höchste Präzision erfordert.
Die Luftverkehrskontrolle der grossen Flugzeuge erfolgt zwar nach IFR (Instrumenten-Flug-) Regeln und findet oft über die Bildschirme einer zentralen Leitstelle weit weg vom angesteuerten Flughafen statt, doch sobald sich eine Maschine im Endanflug zur Landung befindet, kommen die Lotsen im Tower zum Zug. Sie übernehmen das Flugzeug am Bildschirm, bis es in Sichtweite kommt, und führen es sicher zur Landung - bzw. begleiten sie das Flugzeug beim Start, bis es sich ausserhalb der Kontrollzone des Flughafens befindet.
Farnborough Airport Air traffic control tower, 3dReid, London; Fotograf: Hufton & Crow
Farnborough Airport Air traffic control tower, 3dReid, London; Fotograf: Hufton & Crow
×Farnborough Airport Air traffic control tower, 3dReid, London; Fotograf: Hufton & Crow
Farnborough Airport Air traffic control tower, 3dReid, London; Fotograf: Hufton & Crow
×Auch der Verkehr über die sogenannten Taxiwege am Boden, die zu den Startbahnen führen, wird über den Tower geregelt. Je weitläufiger ein Flughafen ist, desto höher muss also der Tower sein, um ihn grossflächig zu überblicken. Flughäfen mit hoher Verkehrsdichte benötigen mehrere Lotsen, die alle in dem Kreissegment sitzen müssen, welches dem Luftfeld zugewandt ist. Dementsprechend wächst auch der Umfang überproportional zur Anzahl der Lotsen-Arbeitsplätze. Von diesen formalen Gegebenheiten abgesehen, muss die Erschliessung so angeordnet sein, dass sie die Rundumsicht im Tower nicht stört – der Liftschacht muss also unterhalb der obersten Ebene enden.
Edinburgh Airport Air traffic control tower, 3dReid, London; Fotograf: Hufton & Crow
Edinburgh Airport Air traffic control tower, 3dReid, London; Fotograf: Hufton & Crow
×Edinburgh Airport Air traffic control tower, 3dReid, London; Fotograf: Hufton & Crow
Edinburgh Airport Air traffic control tower, 3dReid, London; Fotograf: Hufton & Crow
×Die Form eines Control Towers beruht also immer auf einer vorgegebene Höhe, um den Überblick zu gewährleisten, und der Anzahl Lotsenplätze, die auf der der Rollbahn zugeordneten Seite Platz haben müssen. Daraus ergibt sich meist die Proportion des schlanken Rumpfes, der die Erschliessung beherbergt und dem Kopf des Turmes, in dem sich die Arbeitsplätze befinden.
Doch gibt es auch Beispiele, die von diesem formalen Schema abweichen.
Im sechsstöckigen Sockel des Kontrollturms des Flughafens Wien befindet sich ein Flugverkehrs-Kontrollzentrum, das den Verkehr ausserhalb der Kontrollzone am Bildschirm verfolgt.
Der mittlere Teil des Towers ist mit einer PTFE Membran verkleidet, womit der sich verjüngende Querschnitt in der Mitte umhüllt wird. Die Membran schraubt sich hoch zur Spitze, die um 45 Grad gedreht wurde, um optimale Sichtbeziehungen zu den Rollbahnen zu gewährleisten.
Ebenfalls von Zechner & Zechner ist der Flugsicherungsturm Zeltweg.
Der Tower tritt nicht in seiner klassischen Form bestehend aus Schaft und Kopf auf, vielmehr sitzt die Kanzel auf einem mehrgeschossigen Gebäude, dessen Etagenteilung durch unregelmässig gesetzte Fensterschlitze aufgelöst wird.
Edinburgh Airport Air traffic control tower, 3dReid, London;Fotograf:Hufton & Crow
Edinburgh Airport Air traffic control tower, 3dReid, London;Fotograf:Hufton & Crow
×Edinburgh Airport Air traffic control tower, 3dReid, London; Fotograf: Hufton & Crow
Edinburgh Airport Air traffic control tower, 3dReid, London; Fotograf: Hufton & Crow
×Ein skulpturales Aussehen haben die Kontrolltürme des Flughafens Newcastle und Edinburgh. 3dReid Architects verkleidete den Erschliessungsschacht mit Aluminiumschindeln, die den konischen Sockel mit Büroräumen mit der Kanzel zu einem Volumen verbinden.
In Newcastle reduzierten 3DReid die konische Form zu einer Kontur aus Stahlseilen, welche den Turm umspannen und ihm dadurch eine elegante Silhouette verleihen.
In Farnborough Airport wächst der Tower aus einer flügelförmigen Basis heraus und weitet sich nach oben hin konisch auf.
Die Panoramafenster wurden entgegen der üblichen sechs bis acht Facetten in 16 Scheiben facettiert, was eine noch bessere Rundumsicht gewährleistet.
Control Tower Al Maktoum International Airport, Dubai
Control Tower Al Maktoum International Airport, Dubai
×Eine absolute Rundumsicht wird der alles überragende neue Kontrollturm für den Indira Gandhi International Airport, New Delhi bieten, der mit über 100 Metern Höhe einer der höchsten CTR Türme in Asien darstellen wird. Die ersten Entwürfe zeigen eine elegante, schlanke Struktur.
Rendering des Projektes für den Delhi Control Tower, HOK architects
Rendering des Projektes für den Delhi Control Tower, HOK architects
×Nicht schlank, jedoch ikonographisch war der „Dulles Airport Control Tower“ von Eero Saarinen. Er besitzt eine früher stark verbreitete quadratische Kanzel. Durch eine einfache formale Veränderung gab Saarinen dem Turm ein besonderes Aussehen. Die im oberen Teil des Control Towers befindlichen Ebenen stapelte er gegeneinander verschoben auf den Schaft.
Saarinens Tower genügt zwar nicht mehr den technischen Anforderungen, da der immense Zuwachs an Flugbewegungen neue Landebahnen erforderte und daher auch eine zentralere Position des Kontrollturmes. Aus architektonischer Sicht ist er jedoch ein wertvoller Zeuge aus den Anfängen der kommerziellen Passagier-Luftfahrt.