Beton in der Architektur (3): Möbel & Objekte
Text von Susanne Fritz
Schweiz
18.11.10
In unserem vorläufig letzten Teil unserer Serie „Beton in der Architektur“ liegt der Fokus auf Verwendung von Beton in der Innenarchitektur, insbesondere für Objekte und Möbel. .Der Reiz des Materials Beton liegt dabei vor allem in seiner rohen Oberfläche und deren individueller Ausprägung. In der modernen Architektur wird diese unbehandelte Rauheit und steinerne Härte gerne mit warmen, weichen oder edlen Materialien in Kontrast gesetzt.
Der chemische Prozess der Hydratation, der den Beton zum Aushärten bringt, lässt eine nur begrenzt kontrollierbare Oberflächenbeschaffenheit zu. Einen weiteren Einfluss haben auch chemische Zusatzstoffe, die Porosität, Aushärtungszeit und die Fliesseigenschaften des Betons beeinflussen können.
Je nachdem kann die Oberfläche eine Patina entwickeln oder durch Imprägnierung vor Gebrauchsspuren geschützt werden.
Detail: Beton Küchenarbeitsplatte von Steininger Design
Detail: Beton Küchenarbeitsplatte von Steininger Design
×Eine gesamte Küche gefertigt aus nur 8 mm dünnem Beton, der stabil und trotzdem leicht genug ist, bietet die Firma Steininger Küchen aus Österreich an. Die präzise Schalung zur Formgebung und die aufwändige Behandlung der Oberflächen durch Schleifen und Polieren sind reine Handarbeit. Einen schönen Kontrast zur Betonoberfläche bilden der Sitzbereich aus Massivholz und zwei integrierte Frischkräuterbeete.
OGGI, ein deutscher Hersteller von Betonprodukten wie Küchenarbeitsplatten, Waschbecken, Pflanzgefässen und massangefertigten Betonobjekten, verwendet einen Hochleistungsbeton mit edler, porenarme Oberfläche, der durch seine Beschaffenheit dünnwandige Betonwaren in großer Formenvielfalt ermöglicht.
Waschtisch und Detail einer Küchenarbeitsplatte aus Beton von OGGI
Waschtisch und Detail einer Küchenarbeitsplatte aus Beton von OGGI
×Die Arbeitsplatten und Waschtische werden zwar imprägniert, jedoch bleibt Beton ein poröses Material und eine Versiegelung währt nicht ewig.
In der Küche wie auch im Bad lässt sich der Umgang mit reaktiven und säurehaltigen Substanzen meist nicht vermeiden: Fruchtsäuren, Essig, Reinigungsmittel oder Kontaktlinsenmittel und Haarcolorationen, dies alles ist möglichst nicht mit Beton in Kontakt zu bringen. Öl schadet dem Beton nicht, verleiht ihm jedoch ein speckiges Aussehen. Zement ist zudem nicht kratzfest.
Das Fazit: Wer sich für Gebrauchsmöbel aus Beton entscheidet, muss sich mit den Spuren der Geschichte anfreunden und die Patina zu schätzen wissen.
Die österreichische Outdoor-Möbelfirma viteo entwickelte zusammen mit dem Hersteller Concreto und dem Designer Gerd Rosenauer das urbane Sitzmöbel „Cementum Bloc", das durch seinen skulpturalen Charakter auch ein landschaftsgestalterisches Objekt ist.
Bloc ist ein modulares Banksystem aus zwei kombinierbaren Elementen und ist Teil der Beton-Aussenmöbel-Kollektion „Cementum“.
Stina Lindholm, Designerin und Inhaberin des schwedischen Labels Skulpturfabriken, arbeitet sowohl mit massiven Betonelementen wie auch dünnwandigem Faserbeton. Dementsprechend vielfältig ist die Bandbreite ihrer Produkte. Skulpturfabriken kombiniert Beton mit natürlichen Materialien wie Filz und Holz und gibt den Objekten aus diesem haptisch eher kalten Material dadurch einen komfortablen Charakter.
Nicht Beton im eigentlichen Sinne, sondern ein Faserzement-Werkstoff aus Wasser, Luft, Zement, Zellstoff und Armierungsfasern ist das Material Eternit.
Willy Guhl, der mit dem Guhl-Stuhl, der aus einer einzigen Eternit-Platte geformt wurde, einen Designklassiker schuf, bahnte der Firma Eternit nicht nur den Weg in das Standard-Inventar der beliebtesten Produkte der Architekten, sondern befreite die Firma auch von ihrem schlechten Image billiger Fassadenverkleidungen. Der Eternitstuhl entstand 1954, nachdem Guhl bei der Eternit AG in Niederurnen beobachtet hatte, wie die Eternitplatten aus der Maschine kamen. Der Stuhl besteht aus einer einzigen maschinell hergestellten Platte, die zu einer Schlaufe geschlossen wurde – eine rationelle Herstellungsweise machte das Sitzmöbel damals erschwinglich.
Der Guhl Stuhl mit Guhl Tisch von Willy Guhl für Eternit, 1954/2000
Der Guhl Stuhl mit Guhl Tisch von Willy Guhl für Eternit, 1954/2000
×Im Jahr 2000 wurde der Guhl Stuhl um den Guhl Tisch erweitert und heute bietet Eternit eine gesamte Möbelkollektion an, welche die Firma gemeinsam mit Designern und Industriedesign-Studenten der ECAL entwickelte.
Eternit in Zusammenarbeit mit der ECAL: Leuchte "Mold" von Michel Charlot
Eternit in Zusammenarbeit mit der ECAL: Leuchte "Mold" von Michel Charlot
×Eternit in Zusammenarbeit mit der ECAL: Leuchte "Mold" von Michel Charlot
Eternit in Zusammenarbeit mit der ECAL: Leuchte "Mold" von Michel Charlot
×Eternit in Zusammenarbeit mit der ECAL: "ECAL" Hocker und Beistelltisch, Nicolas le Moigne
Eternit in Zusammenarbeit mit der ECAL: "ECAL" Hocker und Beistelltisch, Nicolas le Moigne
×In Zusammenarbeit mit Dominique Haelg, Produktdesigner vom schweizer Designbüro Labelform, entstanden beispielsweise das preisgekrönte Sideboard Eternit ES1900, das durch seine monolithische Ästhetik besticht, und der Longchair Eternit EL 2050.
Sideboard Eternit ES1900 von Dominique Haelg/Labelform
Sideboard Eternit ES1900 von Dominique Haelg/Labelform
×Longchair Eternit EL 2050 von Dominique Haelg/Labelform
Longchair Eternit EL 2050 von Dominique Haelg/Labelform
×Das Design-Duo Fries & Zumbühl wurde durch das Kultspiel Tetris zu einem neuen modularen Regalsystem inspiriert. Die einzelnen Bausteine aus 8mm starkem Eternit können aneinander, ineinander oder übereinander gereiht werden, und werden mit Verbindungselementen aus Nussbaum fixiert. So entstehen individuelle Stauräume für Zeitschriften, Bücher, Schuhe und anderes. Jedes TETRIS-Modul wird in der Schweiz von Hand geformt und ist dadurch als Einzelstück erkennbar.
Regalsystem "Tetris" von Fries & Zumbühl, in Zusammenarbeit mit Eternit
Regalsystem "Tetris" von Fries & Zumbühl, in Zusammenarbeit mit Eternit
×Durch den Einsatz immer ausgefeilterer Bewehrungstechniken, wie zum Beispiel Carbonfasern, werden statisch gewagte, papierdünne Entwürfe möglich, wie die Möbel der Firma Paulsberg. Die Paulsberg Couch scheint über eine fast unmögliche Spannweite zu verfügen. Interessant ist auch die glänzend polierte Oberfläche der Paulsberg Kollektion.
Clubsessel von Paulsberg, Verbundwerkstoff aus Carbon und Beton
Clubsessel von Paulsberg, Verbundwerkstoff aus Carbon und Beton
×Couch von Paulsberg, Verbundwerkstoff aus Carbon und Beton
Couch von Paulsberg, Verbundwerkstoff aus Carbon und Beton
×Der Reiz des Materials Beton im Möbel und Produktdesign liegt in der Betonung seiner Schwere und Massivität, die in den blockigen und monolithischen Entwürfen zum Ausdruck kam, die hier vorgestellt wurden. Oder eben in einer widersprüchlichen Applikation, in der Ausreizung der physikalischen und statischen Eigenschaften, in der Betonung der Eleganz und Filigranität diese scheinbar brachialen Materials. Denn was uns fasziniert, ist der realisierte Beweis einer scheinbar unmöglichen Sache. Leuchten aus Beton sind hingegen ganz und gar möglich, wie Architonic im Artikel „Versteinertes Licht: Die fünf besten Leuchten aus Beton“ bereits gezeigt hat. Überzeugen sie sich selbst.