Zwei weitere faszinierende Beispiele zeigen, was Architekten tun, um ineffiziente Gebäude technisch und ästhetisch in die Jetztzeit zu holen.

Das Architekturbüro Triptyque machte aus dem 70erjahre-Büroturm RB12 in Rio de Janeiro einen zeitgemässen, energetisch positiven und attraktiven Bürokomplex

Haut drauf: alte Häuser, neue Hüllen - Teil 2 | Aktuelles

Das Architekturbüro Triptyque machte aus dem 70erjahre-Büroturm RB12 in Rio de Janeiro einen zeitgemässen, energetisch positiven und attraktiven Bürokomplex

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Lawrence Public Library, Lawrence (Kansas), Gould Evans
Die Bücherei in Lawrence, der sechstgrössten Stadt in Kansas, wurde 1972 von den dort ansässigen Architekten Robertson, Peters, Ericson & Williams im Stil des Brutalismus gebaut. Umgeben ist das Areal im Westen von Wohnbebauung, Richtung Osten schliesst sich die Innenstadt an und im Süden grenzt der Bau an eine Plaza. Das bestehende Gebäude hatte zahlreiche Probleme, darunter eine unzeitgemässe Thermik, eine schlechte Orientierung im Innern und zu wenig Tageslicht. Die Architekten von Gould Evans aus Missouri wurden angefragt das Gebäude zu modernisieren und gleichzeitig baulich zu erweitern. Bevor die Architekten ihre Arbeit an den Entwürfen begannen, sprachen sie mit den Bewohnern der Stadt und den Nutzern des Gebäudes. Sie sammelten deren Wünsche und Erwartungen an das Bibliotheksgebäude und nutzten diese Informationen als Grundlage ihrer Arbeit. Die Bürger betonten die Wichtigkeit des Gebäudes für ihre Stadt und schlugen vor, es als neuen, zentralen Ort in der Innenstadt zu etablieren.

Die Architekten von Gould Evans modernisierten das brutalistische Biobliotheksgebäude von Lawrence, Kansas. Auf Wunsch der Bürger gestalteten sie den Ort als neuen zentralen Treffpunkt

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Die Architekten von Gould Evans modernisierten das brutalistische Biobliotheksgebäude von Lawrence, Kansas. Auf Wunsch der Bürger gestalteten sie den Ort als neuen zentralen Treffpunkt

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Was früher eher einem Bücher-Lager glich entwickelten die Architekten zu einem multimedialen Treffpunkt für die gesamte Gemeinde. Sie gaben dem Gebäude Innen wie Aussen einen neuen Look, erhielten aber zugleich seinen brutalistischen 70er-Jahre-Charme. Dafür umhüllten sie das alte Gebäude rundum mit einer Struktur aus Glas und orangefarbenen Terrakotta-Tafeln, die sich wie ein Mantel um den Bestand legt. Die neue, markante Hülle ist als Hommage an die historische rote Backsteinarchitektur der Umgebung zu verstehen. Aus technischer Perspektive verbesserte der Eingriff ausserdem die thermische Leistung der Bibliothek.

Bereiche, in denen die Bücher Schutz vor Sonneneinstrahlung benötigten, wurden von aussen mit den undurchsichtigen farbigen Tafeln verkleidet. Durch Oberlichter und schlanke, horizontale Öffnungen an der Aussenseite fällt natürliches Licht in die Räume. An den Gebäudeecken besteht die Fassade hingegen vom Boden bis zur Decke aus Glaselementen. Einfallendes Sonnenlicht, Einblicke von Aussen in das Gebäude und Ausblicke in die Nachbarschaft sind hier ein schöner Nebeneffekt. Zudem ist der Eingang als einladende, gläserne Geste gestaltet.

Mit einer Hülle aus Glas und orangefarbenen Terrakottatafeln – Referenz an die typische regionale Backsteinarchitektur – verbesserten Gould Evans die thermische Leistung und die Lichtverhältnisse im Inneren des Gebäudes

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Mit einer Hülle aus Glas und orangefarbenen Terrakottatafeln – Referenz an die typische regionale Backsteinarchitektur – verbesserten Gould Evans die thermische Leistung und die Lichtverhältnisse im Inneren des Gebäudes

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Auch das Innere haben die Architekten im Zuge der Umbauten modernisiert. Im Zentrum des Gebäudes empfängt die Besucher ein neues grosszügiges Atrium, das vom Erdgeschoss bis zur Dachebene reicht und als offener, lichtdurchfluteter und einladender Bereich die Bibliotheksnutzer willkommen heisst. Funktional wurden ein Musikraum mit Drum-Set, ein Aufnahmestudio sowie ein spezieller Bereich für Kinder zum Computer spielen und lesen ergänzt. Der Bereich mit Büchern und elektronischen Medien für Jugendliche ist von der Strasse aus sichtbar und verleiht der Bücherei eine zeitgenössische Identität. Wo vorher Betonwände für ein eher tristes Ambiente sorgten haben die Architekten Holzverkleidungen ergänzt, um die Räume wärmer und gemütlicher zu gestalten. Der Aussenbereich der Bibliothek erhielt einen Park mit Amphitheater,Veranstaltungsplatz und eine Eisbahn. Der Umbau brachte der Bibliothek nicht nur ein neues Gesicht im alten Gewand sondern auch grosse Beliebtheit bei den Bürgern. Seit der Neueröffnung hat sich die Besucherzahl im Vergleich zum Vorjahr um satte 55% gesteigert.

RB12, Rio de Janeiro, Triptyque
Die Avenida Rio Branco liegt im wirtschaftlichen Zentrum Rio de Janeiros im Stadtteil Porto Maravilha und ist als dicht bebaute Strasse Standort zahlreicher öffentlicher Institutionen und Unternehmen. Mehr als fünf Millionen Quadratmeter Fläche befinden sich in diesem Distrikt seit 2010 im Zusammenhang mit den Olympischen Sommerspielen 2016 in Revitalisierung. In den 1970ern entstand hier unter anderem der 85 Meter hohe Büroturm Rio Branco 12, kurz RB12. Um das in die Jahre gekommene Gebäude, dessen Energiebilanz als besonders kritisch galt, nicht abreissen zu müssen, entschied man sich für eine Generalüberholung. Man beauftragte das französisch-brasilianische Architektur-Studio Triptyque, eine „grüne“ Lösung für RB12 zu finden.

Triptyque ergänzten den Büroturm RB12 in Rio de Janeiro zur Strassenseite durch eine bioklimatische, begrünte Fassade. Die innovativen, gefalteten Glasplatten und Lamellen in Zickzackform reduzieren die Sonneneinstrahlung

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Triptyque ergänzten den Büroturm RB12 in Rio de Janeiro zur Strassenseite durch eine bioklimatische, begrünte Fassade. Die innovativen, gefalteten Glasplatten und Lamellen in Zickzackform reduzieren die Sonneneinstrahlung

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Auch hier setzten die Architekten auf das Prinzip der ummantelten Fassade. Das Planungsteam ergänzte die ehemals gerasterte Glaswand, die den schmalen, 26 Etagen hohen Bau zur Strassenseite abschloss, durch eine „bioklimatische“ Fassade. Die vorhandenen Strukturen umfassen nun innovative, gefaltete Glasplatten und Lamellen in Zickzackform, die die Sonneneinstrahlung reduzieren. Auch optisch entstehen durch den Eingriff spannende Effekte, denn die neue Verglasung spielt laut Architekten mit dem Licht „wie ein Diamant“. An der Nordseite wurde der Komplex mit Photovoltaik-Elementen ausgestattet, sodass das Haus seinen eigenen Strom erzeugen kann. Ungenutzter Strom wird ins Netz eingespeist, was dem Haus eine positive Energiebilanz einbringt. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass RB12 das erste kommerzielle Gebäude Brasiliens ist, das mit dieser nachhaltigen Technologie seinen eigenen Strom erzeugt. Darüber hinaus haben die Architekten ein Wasserrecycling-System eingebaut. Und die nun üppig bepflanzten Balkone verschönern den Mitarbeitern nicht nur kleine Pausen an der frischen Luft sondern haben zudem auch einen kühlenden Effekt. Die Bewässerung ist an eine Regenwassernutzungsanlage angeschlossen, die auch für die Toilettenspülungen genutzt wird. Im Innern wurde eine natürliche Be- und Entlüftungsanlage für die Büroräume eingebaut.

RB12 ist das erste kommerzielle Gebäude Brasiliens, das mit Photovoltaik seinen eigenen Strom erzeugt und Überschüsse ins Stromnetz speist. Ein Wasserrecycling-System wurde verbaut und üppig bepflanzte Balkone kühlen das Gebäude

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RB12 ist das erste kommerzielle Gebäude Brasiliens, das mit Photovoltaik seinen eigenen Strom erzeugt und Überschüsse ins Stromnetz speist. Ein Wasserrecycling-System wurde verbaut und üppig bepflanzte Balkone kühlen das Gebäude

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Alte Gebäudestrukturen einem Upgrade zu unterziehen gilt in Brasilien und für die Architekten als Pioniergedanke. Das Vorzeigeprojekt RB12 soll deutlich machen, wie existierende Gebäude durch alternative High-End-Technologien an heutige Bedingungen angepasst werden können, ohne dass sie abgerissen werden müssen. Was am kommerziellen Beispiel vorgemacht wurde erhofft man sich in der Zukunft auch auf andere Gebäudeformen zu übertragen. RB12 erfreut sich bereits kurz nach seiner Fertigstellung im Mai 2016 über ein besonders positives Image was auch auf den hohen Qualitätsstandard der eingebauten Technologien zurückzuführen ist. Die Ergänzung einer innovativ verglasten Fassade mit erneuerbaren Energiequellen machen aus dem früheren Siebzigerjahre-Bau einen zeitgemässen, energetisch positiven und attraktiven Bürokomplex.

Ob aus energetischen, ästhetischen oder baukulturellen Gründen – die Beispiele zeigen, dass das Ummanteln bestehender Gebäudeteile zeitgemässe, attraktive Lösungen für problematische Gebäude hervorbringen kann. Die Eingriffe ermöglichen, den Charakter des Hauses zu erhalten und es zugleich an heutige Anforderungen anzupassen. Und wenn Bestand und Erweiterung sich ideal ergänzen bilden sie gemeinsam mehr als die Summe ihrer Einzelteile.

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