Architektur in kleinem Massstab
Text von Nora Schmidt
Berlin, Deutschland
25.01.08
Ein paar kleine Möbelteile, der halb fertige Prototyp eines Empfangstuhls – das Atelier des Kölner Möbeldesigners Eric Degenhardt wirkt sehr aufgeräumt.
Ein paar einzelne Möbelteile, der halb fertige Prototyp eines Empfangstuhls inmitten des Raumes – das Atelier des Kölner Möbeldesigners Eric Degenhardt wirkt aufgeräumt und übersichtlich, Konzentration erfüllt den Raum. Der 1968 geborene Kölner studierte Architektur an der Technischen Hochschule in Aachen und arbeitete mehrere Jahre als Architekt, bevor er sich dem Möbeldesign zuwandte. Mittlerweile arbeitet er für Premiumhersteller wie Wilkhahn und Richard Lampert.
Die sympathische Zurückhaltung Degenhardts spiegelt sich in seinen stilvollen Entwürfen wieder und verhalf mir zu einem angenehmen Gespräch mit einem zaghaften Blick hinter die Kulissen eines kleinen aber erfolgreichen Design-Studios.
Wie kamst Du zur Architektur?
Seit ich zwölf Jahre alt war, war für mich klar, dass ich Architekt werden will, ohne dass ich ein Vorbild in der Familie gehabt hätte. In meiner Nachbarschaft wurde ein Haus gebaut und ich habe als kleiner Junge den gesamten Bauprozess beobachtet. Das Wissen, wie man ein Haus konstruiert, wie es technisch aufgebaut ist, die Komplexität hat mich wahnsinnig fasziniert.
Nachdem ich dann studiert und als Architekt gearbeitet hatte, war für mich der nächste logische Schritt, das Haus, das ich entworfen habe, zu betreten und immer näher an den Bewohner heranzugehen. So kam ich dann zum Möbeldesign. Ich näherte ich mich langsam immer mehr den Dimensionen des Körpers an. Mittlerweile habe ich auch Entwürfe für noch kleinere Dinge wie z.B. Besteck gemacht. Was ich dabei beobachte, ist, dass sich fast nur der Massstab ändert. Vom Entwurfsgedanken her habe ich mich von der Architektur kaum entfernt.
Heute machst Du ausschliesslich Design. Wie sah für dich die Gründung Deines eigenen Studios aus?
Am Anfang habe ich viel selbst produziert. Ich war einfach viel zu ungeduldig, meine Entwürfe von Herstellern produzieren zu lassen. Nachdem ich allerdings einige Veröffentlichungen hatte und man einfach meine Möbel kaufen wollte, war klar, dass ich in Serie produzieren muss. Aber wenn du professionell produzierst, musst du auch professionell vertreiben. Und schliesslich hast du keine Zeit mehr, etwas Neues zu entwerfen. Irgendwann dachte ich dann: Halt, Stop! Ich muss einfach noch mal einen Schritt zurückgehen und langsam versuchen, Kontakte zu Herstellern aufzubauen.
v2_a bench, Coffeetable, Cup Sofa, 2007, Lounge Chair, 2006 und Unit Regal, 2003 für Richard Lampert
v2_a bench, Coffeetable, Cup Sofa, 2007, Lounge Chair, 2006 und Unit Regal, 2003 für Richard Lampert
×Wie lang dauerte es, bis Du etabliert warst, dass Hersteller auf Dich zukamen und Dir Aufträge erteilten?
Das hat schon eine Weile gedauert
Hinzu kommt, dass du als kleines junges Studio zu Beginn froh bist, gute Produkte zu produzieren und sie auf dem Markt zu sehen. Du denkst ja nicht gleich an das Geld, das du damit verdienen musst. Zunächst reicht dir die Anerkennung, von der du aber nicht leben kannst.
Das war eine wichtige Erfahrung, die ich machen musste. Ich hatte ja nie als Designer für jemanden anders gearbeitet und demnach war ich extrem unerfahren.
Ein wichtiger Teil meiner Tätigkeit ist auch das Ausstellungsdesign, das ich für grosse Firmen wie BASF oder Boffi mache. Allein vom Möbeldesign ist es, mit einem kleinen Studio wie ich es habe, sehr schwer zu überleben. Dazu ist der Markt viel zu speziell.
Zu speziell im Sinn von zu exklusiv?
Ja, meine Entwürfe funktionieren hauptsächlich in kleinen Serien und die Firmen für die ich arbeite, produzieren einfach nicht in grossen Stückzahlen. Wenn Du für Massenproduktionen entwirfst, ist das etwas anderes. Schliesslich leben Designer von Royalties.
Aber woran liegt das denn? Hat die Masse der Menschen keinen Sinn für Design?
Also, was man so in Halle 11 auf der imm cologne sieht – all diese designlastigen Möbel – das sind ja keine Massenprodukte. Ich weiss nicht wie viel Prozent der Käufer wirklich „Design“ oder das, was wir darunter verstehen, kaufen.
Sind also die Produkte, die wir in den glitzernden Showrooms sehen, eine Art Prestigeobjekte?
Viele Hersteller leben vom Verkauf von Möbeln, die in den gängigen Medien gar keine Erwähnung finden oder sie verdienen ihre Brötchen in ganz anderen Bereichen wie etwa Automobilausstattung.
Glaubst Du, dass es in Deutschland einen anderen Umgang mit Designern gibt?
Ich habe ja auch in Italien schon gearbeitet und dort wirst Du ganz klar erstmal als der Ausländer betrachtet. Man beauftragt in Italien lieber italienische Designer, das hat mit jahrelanger Tradition zu tun. In England ist es ähnlich. In Deutschland verhält es sich genau andersherum. Hier wird ein ausländischer Designer als Exot betrachtet und es gilt als chic.
Hast Du denn auch mal wieder vor, Architektur zu machen?
Architektur ist nicht ganz aus dem Kopf raus. Dafür bin ich zu sehr geprägt. Aber ich würde kein Architekturbüro mehr haben wollen. Auch wenn mir Konzepterstellung, Entwurf und Detailierung sehr viel Spass machen würden. Ich habe mich ja u.a. von der Architektur abgewandt, weil mir die Arbeitsprozesse einfach zu lang dauerten. Mittlerweile muss ich mir eingestehen, dass das im Möbeldesign nicht so viel anders ist. An einem komplexen Stuhl sitzt du auch locker mal zwei bis drei Jahre.
Nur arbeitet man in einem Massstab, der leichter einzuschätzen und im Modell umzusetzen ist.
Genau. Architektur kannst Du nie allein machen. Ich möchte einfach nicht so einen Ballast an Verantwortung mit mir herum schleppen. Das ist auch der Grund warum ich höchstens zwei Mitarbeiter beschäftige. Ich möchte kein zehn-Mann-Studio haben. Ich fühlte mich dann eingeschränkt, in dem was ich eigentlich machen will. Man hat dann einfach Verantwortung für seine Mitarbeiter und dann kannst du eben nicht mal einen Auftrag ablehnen, weil dir das Briefing nicht passt; man muss dann plötzlich gestalterisch Kompromisse machen, um niemanden unglücklich zu machen.
Bist Du bis zum tatsächlichen Herstellungsprozess dabei?
Das ist unterschiedlich und kommt immer auf die Firma an. Häufig haben die Hersteller ihre Produktionsmethoden und können sich nur schwer umstellen. Inzwischen versuche ich meine Prototypen mit verschiedenen Handwerkern aus der Umgebung selbst herzustellen, um so viel wie möglich im Vorfeld festzulegen. Mit so einem Prototypen unterm Arm kann man dann ganz anders argumentieren.
Den Prototypen des Cup Sofas, das in Mailand von Richard Lampert vorgestellt wurde, habe ich komplett selbst umgesetzt. Man kann so viel genauer arbeiten und vor allem geht es einfach viel schneller.
An welchem Punkt des Entwurfsprozesses hast Du die meisten Probleme? Wann haderst du am meisten?
Dieser Punkt ist von Anfang bis Ende. Ich bin kein schneller Designer. Zumindest empfinde ich das so. Oft ende ich zwar mit der ersten Idee, auch wenn ich sie sehr lange und intensiv hinterfrage. Dann probiere ich Ewigkeiten aus, damit ich zum Schluss bestätigt bin, dass meine erste Idee doch die beste war. Ich gebe auch grundsätzlich keine Varianten ab. Für mich gibt es für ein Briefing genau eine Lösung. Insofern ist Entwerfen tatsächlich manchmal wie ein Kampf. Und es kann mitunter ganz schön einnehmen.
Danke für das Interview.
Lounge Chair von Herbert Hirche, Polster von Eric Degenhardt für Richard Lampert
Lounge Chair von Herbert Hirche, Polster von Eric Degenhardt für Richard Lampert
×