Eine grosszügige Parklandschaft spannt sich zwischen dem Schloss Oberhofen und der Hafenanlage Rider entlang dem See auf. Der Schlosspark zählt zu den Schönsten in den Alpenregionen und ist Kulturgut von höchster Qualität und Bedeutung. Das angrenzende Wichterherrgut mit herrschaftlichem Sitz, einst Teil des Rebbau-Gebietes am Thunersee, ist heute der Freizeitaktivität und dem Tourismus dienend. Und auf der östlichen Seite, auf dem Flussdelta des Riederbachs, liegt, am Ende der errichteten Uferpromenade direkt am Hafen Rider, das Areal Wendelsee.
Auf dem Areal standen einst Rebstöcke bevor sie, nach einem sich über das gesamten Rebbau Gebietes entlang dem Thunersee erstreckender Krankheitsbefall, anfangs 19. Jh. entfernt werden mussten. An der Spitze des Deltas wurde ein kleines Seebad gebaut und auf dem Areal wurde erst ein Wohnhaus und später, in den 1950er Jahren im Rahmen des aufkommenden Tourismus, an der Staatstrasse das kleine Hotel Wendelsee errichtet.
In den 1980er Jahren wurde erstmals über eine Neubebauung des Wendelsees nachgedacht. Diese, wie auch weitere Planungen scheiteten jedoch an der Akzeptanz der Bevölkerung. Bis die Gemeinde Oberhofen im Jahre 2006 fünfzehn Architekturbüros zu einem Wettbewerb einlud, aus dem unser Projekt «Janus» als Sieger hervorging. Das Konzept eines langgestreckten, in der Höhe abgestuften Gebäudes entlang der Hauptstrasse mit einem grosszügigen Freiraum zwischen Neubau und dem Strandbad als eigenständiger Teil der westlichen Parklandschaft und gleichzeitig östlicher Abschluss, überzeugte die Jury ebenso, wie die Gebäudekonzeption mit den zwei Gesichtern (Janus). Geschlossen zur lärmigen Strasse und offen zum See hin.
Im Rahmen der Weiterbearbeitung wurden die Qualitäten des Ortes städtebaulich wie auch architektonisch vertieft analysiert und Erkenntnisse ins Projekt aufgenommen.
So rückte das Neubauvolumen leicht von der Strasse ab, wie ein Schiff am Quai liegend über drei Zugangsbrücken erreichbar. Im Zwischenraum wird eine weitere Erschliessungsebene geführt. Beides findet sich bei den Dorf einwärts, an der Hauptstrasse liegenden Nebenbauten der Gärtnerei des Schlossparks thematisch wieder. An der Stützmauer zur Staatsstrasse sind Holzranken, wie sie an den Südfassaden des benachbarten Wichterherrgutes vorkommen, vorgehängt um die Pflanzen hochklettern zu lassen.
Das Thema der strassenbegleitenden Mauern entlang der Hauptstrasse wurde ebenfalls im Projekt aufgenommen und so die vom Kanton geforderten Wasserschutzmassnahmen selbstverständlich im Sinne des Ortes umgesetzt ohne, dass sie als diese erkennbar sind.
Als weiteres Thema des Ortes wurde das Vorland zwischen dem Neubau und des Seebades als Weingarten, in Anlehnung an Landschaften ehemaliger Weinanbaugebiete, konzipiert. Als Hommage an die ursprüngliche Nutzung und an den wieder errichteten benachbarten Weinberg. Die Bepflanzungen im Garten wie auch auf den Dächern sind aus der in Weinbergen vorkommenden Pflanzen ausgesucht. Die beiden Pappelgruppen stehen in der Tradition als Zeichen («Leuchttürme») für Orte an denen Schiffe anlegen können.
Die Wohnungen auf Gartenniveau liegen leicht erhöht über dem Weingarten und können den direkt vor der Wohnung liegenden Kiesgarten privat nutzen.
Der Ort als Architektur
Das lang gestreckte Gebäude mit seiner ausgeprägten horizontalen Schichtung zum See hin und den die strassenseitigen Erschliessung auf weitenden Eingangshöfen steht selbstverständlich da und erinnert an ein gestrandetes Schiff. Zur Strasse hin die weissen Termolux-Verglasungen, die weissen Staketengeländer und Zugangsbrücken mit Holz beplankten Böden. Zum See hin die umlaufenden, ebenfalls mit Holz belegten und örtlich zu tiefen Loggien aufgeweiteten Balkone. Transparente Glasgeländer vor den raumhohen Verglasungen mit minimalst gehaltenen vernickelten Fensterprofilen, die mit ihrer Oberfläche die Umgebung spiegeln und sich aufzulösen scheinen. Strassenseitig wurden die geschlossenen Fassaden im Sinne der geschlämmten historischen Gebäudemauern des benachbarten Wichterherrgutes aus Rundsteinen interpretiert. Ein neu entwickelter Backstein im Längsformat wurde vermauert und anschliessend dem Vorbild entsprechend geschlämmt. Die einzelnen in ihrer Form unpräziesen
Steine wurden sowohl mit sichtbarer Vorderwie auch Rückseite vermauert, um das Licht- und Schattenspiel zusätzlich zu begünstigen. Mit den abgesackten breiten Steinfugen wird die unterschiedliche Wahrnehmung als ruhige Fläche bis hin zur wilden sich im Streiflicht zeigenden Backsteinmauer gesteigert.
Der Ort als Wohnung
Über die Zugangsbrücken oder vom tieferliegenden Weg aus führt der Weg in die eingeschnittenen verglasten Höfe und weiter auf die offenen Laubengänge zu den Wohnungseingängen. Angekommen tritt man in die kleine Eingangshalle mit geräumiger Garderobe ein, welche die offene, zum Eingangshof und Essplatz gerichtete, Küche abtrennt. Von hier aus weiter direkt ins grosse Wohnesszimmer oder hinter dem Cheminée hindurch, entlang der Gästenasszelle direkt in den separierten Privatbereich mit den ausschliesslich zum See gerichteten Zimmer. Jedes der Zimmer hat vorgelagert einen eigenen kleinen Balkonbereich. Das natürlich belichtete grosse Bad kann sowohl als Familienbad vom Gang aus benutzt oder auch dem grössten Zimmer als Suite zugeordnet werden. Das Innere des Gebäudes nimmt die Steinigkeit des Deltas auf. Alle Decken, die Wohnungstrennwände, die zentralen Cheminées, die filigranen Stützen hinter der Glasfassade, sowie die Innere Schale der Zweischalenmauerwerks zur Strasse hin sind in hochwertig geschaltem Sichtbeton ohne sichtbare Bindlöcher belassen. Die Böden sind mit dunklem Parkett oder dunklem gebrochenem Schiefer belegt. Die Rohheit der sichtbaren Konstruktion steht im Kontrast zur Weichheit des Sees und der Erscheinung der entfernten Alpen. Am Übergang von Innen nach Aussen, entlang der raumhohen Verglasungen mit ausschliesslich schiebbaren Öffnungen, bietet ein Leinenvorhang als Filter und Blendschutz die gewünschte Intimität, während die ausstellbaren Sonnenstoren die Sicht zum See, auch bei ausgestelltem Sonnenschutz, nicht beeinträchtigen. Die Einbauten sind allesamt als kubische Möbel gedacht und fester Bestandteil des Raumkonzeptes vom Schreiner gebaut – Küchen, mit Schiebetüren geschlossene Einbauschränke, raumhohen Türen, wie auch die Möbel der Nasszellen. Sie sind alle an Ort nach individuell erarbeitetem Farbkonzepten gestrichen. Waschtische, Duschen und Badewannen sind homogen aus hochwertigem Corian geformt.
Der Ort als Gemeinschaft
Die vierzehn Eigentumswohnungen, 3.5 und 4.5 Zimmer zählend, haben eine Nutzfläche zwischen 115 bis 170 m2. Sie sind Teil des Ensembles und gleichwohl ist jede für sich einzigartig. Die Privatsphäre ist hochgeschrieben, ebenso wie die unverbindlichen und selbstverständlichen Begebungsorte. Ein grosszügiger 70m2 grosser Gemeinschaftsraum mit Cheminée, Loggia und Gartenanteil kann für Feste und Gäste oder als Hotelzimmer genutzt werden.
Der Ort als Nachhaltigkeit
Das Minergie-Zertifizierte Gebäude nutzt nicht nur die Qualitäten des Ortes, bezogen auf den Raum und die Materialien, sondern auch bezüglich der örtlichen vorhandenen energetischen Möglichkeiten. Die geschlossenen Fassaden zur Staatsstrasse hin sind gleichzeitig Schallschutzwände und schränken den Wärmeverlust gegen Norden auf ein Minimum ein. Die Balkonschicht mit den Ausstellstoren schützt die Südräume zum See hin im Sommer vor der warmen Sonneneinstrahlung der hochstehenden Sonne und lässt im Winter die flach scheinende Sonne zum Wärmegewinn in die Räume strahlen.
Die Wärmeerzeugung und Warmwasseraufbereitung erfolgt mittels der Nutzung des Grundwassers. Die Gebäudelänge wird genutzt um die Frischluft der Komfortlüftung vor zu konditionieren. Die Frischluft wird am östlichsten Punkt auf der Nordseite angesaugt, unter dem Gebäude hindurch in den zentralen Technikraum im westlichen Gebäudeteil geführt und dabei im Sommer vorgekühlt und im Winter vorgewärmt.
Der Ort als Kunst
Als sei der Ort nicht kunstvoll genug. Die beiden Künstler Adrian Scheidegger und Alexander Jaquemet haben ein äusserst präzises Kunst am Bau Projekt aus Skulpturen und Photographien realisiert. Während gebogene, vernickelte Metallrahmen den Blick auf die rohe Stützwand an der Staatstrasse einfangen und jedem selber überlassen ist, was er darin sieht und wie der Ort, die Natur, diese Sicht verändert, können analoge schwarzweiss Photographien der Berglandschaften aus dem Berner Oberland in der Einstellhalle, den Treppenhäusern und im Gemeinschaftsraum entdeckt werden.
Aebi & Vincent Architekten