Fotograf: Lukas Roth
Fotograf: Lukas Roth
Fotograf: Lukas Roth
Ein hohes Haus für das Hohe Haus - das neue Landtagsgebäude des Fürstentums Liechtenstein
Seit Februar 2008 haben die Parlamentarier von Lichtenstein ein neues Zuhause: Mit dem „Langen Haus“, dem „Hohen Haus“ und dem „Verbindendem Haus“ hat Architekt Hansjörg Göritz die Idee „eines Steindachhauses als zeitlose Urform zum Bergen und Obdach geben für eine gesetzgebende Versammlung“ in die Moderne transferiert und ein neues Wahrzeichen für Vaduz geschaffen.
Im Jahr 2000 entschied das Architekturstudio Hansjörg Göritz aus Hannover den Wettbewerb um den Parlamentsneubau für sich. Es plante ein dreigeschossiges „Langes Haus“ mit Büros, Besprechungssälen und Terrasse sowie ein zweigeschossiges „Hohes Haus“ mit markantem Spitzdach. Einen gläsernen Korpus bildet zwischen beiden Gebäuden das „Verbindende Haus“.
Eingebettet sind die Neubauten am Fuße eines Steilhangs in das bestehende Ensemble aus Regierungsgebäude von 1905, Pfarrkirche von 1872 und Landesmuseum. Gemauert wurden das Hohe Haus, das Lange Haus sowie der Vorplatz und die Hangbebauung mit rund einer Million Ziegelsteinen, die von einer Schweizer Ziegelei extra angefertigt wurden.
Archaische Moderne
Die Idee des Architekten hat für den Sitzungssaal des Parlaments zu einer archaischen Form und fast theatralisch anmutenden Atmosphäre geführt. Über einer Säulenhalle im Erdgeschoss liegt der Saal wie eine Art Tafelrunde unter einem 18 Meter hohen spitz zulaufenden Dach aus gelbem Ziegel. Auf den ersten Blick erinnert der Raum an eine Filmkulisse von Ken Adams. So kommt es vielleicht nicht von ungefähr, dass der hier montierte Ringleuchter von 9 Meter Durchmesser ein wenig vom Stil des großen Meisters inspiriert wurde. Ausgangspunkt bei der Ideensuche für die Beleuchtung des Plenarsaals war allerdings seine fast sakrale Anmutung. Als erster Ansatz standen vereinzelte kleine Pendelleuchten zur Diskussion, wie man sie oft in Kirchenschiffen findet. Spätestens jedoch, als klar wurde, dass im Parlamentssaal auch Kameras und Mikrofone für Online-Übertragungen platziert werden müssen, erwies sich der Ringleuchter als überlegene Alternative, denn er kann die notwendige Technik unauffällig integrieren.
Aus funktionaler Sicht waren im Saal ausreichende horizontale Beleuchtungsstärken auf dem Tisch sowie angemessene vertikale Beleuchtungsstärken hoher Gleichmäßigkeit für die schattenfreie Erkennbarkeit der Gesichter gefragt. Brillante Lichtakzente sollten außerdem den repräsentativen Charakter des Raums betonen. Der Leuchter wurde deshalb mit gerichteten und diffusen Komponenten ausgestattet. Damit seine homogene Form nicht verloren geht, verstecken sich beide Lichtquellen hinter einem Bronzegewebe, das, auf Rahmen gezogen, den Leuchtenring nach unten abschließt. Die einzelnen Gewebepaneele lassen sich zu Revisionszwecken abnehmen. Mit einem Handgriff können sie in eine sichere Wartungsposition geklappt werden.
Eine besondere Herausforderung war es, für den Leuchter eine passende Abhängung zu realisieren. Die unzähligen Kabel für die insgesamt 36 Kompaktleuchtstofflampen, 72 Halogenlampen, acht Mikrofone und vier Domkameras sollten solide und unauffällig zu ihren Anschlüssen geführt werden. Die Lösung ergab sich schließlich durch das Aufsplitten der Kabel in insgesamt zwölf Bündel. Jeweils ein Strang wird durch ein 20-mm-Rohrprofil der Lüsterabhängung geführt. Ohne sichtbare Halterungen verschwinden die Profile im Ziegel der Dachschräge. Zusätzlich zum Leuchter sorgen vier Downlights für eine dezente Allgemeinbeleuchtung. Sie sitzen im Dachfirst und lassen sich über einfache Seilwinden herunterfahren.
Transparenter Transit
Das „Verbindende Haus“ dient als Transitbereich zwischen Hohem Haus und Langem Haus. Ausgeführt ist dieser Gebäudeteil inmitten der relativ massiven Ziegelbauten als filigraner, gläserner Baukörper. Seine Leichtigkeit und Transparenz sollte durch sichtbare Leuchtenkörper nicht beeinträchtigt werden.
Die Lichtplaner entschieden sich dafür, das für die Verkehrswege notwendige Licht aus einer bodennahen Fuge zu generieren. Gefüllt sind die mit dem Bau auf das genaueste abgestimmten Vouten mit maßgeschneiderten LED-Lichtlinien. Diese liegen so tief, dass sie aus gewöhnlichen Blickwinkeln nicht sichtbar sind. Mit relativ eng gebündeltem Licht und einer leichten Neigung der Profile innerhalb der Fugen wird die Lichtverteilung fast ausschließlich auf die Wegeflächen begrenzt. Eingebaute LED-Strings beleuchten auch die Unterseiten der Brücken, die im Obergeschoss als Verbindung zwischen dem Langen und Hohen Haus dienen.
Integriertes Licht
Das Lange Haus, das sich in weichem Schwung am Fuße des Berghangs erstreckt, bietet Raum für Büros, Sitzungssäle und ein Café. Die repräsentativen Nutz- und Aufenthaltsbereiche wurden mit abgehängten Holzdecken ausgestattet. Um die edle Materialität und Textur dieser Flächen nicht zu stören, sollten sich die Leuchten möglichst harmonisch einfügen. Statt aus Downlights mit sichtbaren Reflektoren oder aus auf dem Holz montierten Leuchten kommt das Licht deshalb aus Quellen, die oberhalb der Deckenpaneele platziert sind. Kaschiert werden sie mit satinierten Plexiglasplatten. Dank Laserzuschnitt sitzen die Abdeckungen absolut exakt und plan in den Deckenausschnitten.
Auch in den Treppenhäusern finden sich durchgängig flächenbündig in die Wand integrierte Lichtflächen. Als Lichtlinien begleiten sie die Treppenläufe konsequent vom OG bis zum UG. Nur so ließ sich eine durchgängige Beleuchtung auch in den Flurflächen des Kellers fortsetzen, welche ohne Türe ineinander übergehen.
Angestrahlter Sonnenschutz
Geprägt wird das zum Hang gerundete Lange Haus durch die sogenannten Brises Soleil, welche, vor die Fensterfront gestellt, für eine kontrollierte Sonneneinstrahlung sorgen und das Gebäude Richtung Platz fassen. Bei der nächtlichen Anstrahlung werden diese Sonnenschutzelemente zu Reflexionsflächen. Von Bodeneinbauleuchten angestrahlt, entsteht ein markanter, rhythmischer Kontrast aus Licht- und Schattenstreifen.
Ganz im Gegensatz zur Beleuchtung des Langen Hauses von außen leuchtet das Hohe Haus von innen heraus. Weil die Intensitäten des Lichtes sensibel aufeinander abgestimmt sind, wirken die Baukörper trotzdem als harmonisches Ensemble. Dabei wurde dem Eingangsbereich im Giebel des Hohen Hauses die meiste Helligkeit zugesprochen.
Schattenspiele am Hang
Aus der Hangsicherungswand ragen die Abdeckelungen der Erdanker heraus und lassen eine Art Relief entstehen. Fast zwangsläufig provozierten sie die Idee einer Inszenierung mit intensivem Streiflicht. Durch den Einsatz stark gerichteter Bodeneinbauleuchten werfen die Erdanker in der Wand lange Schlagschatten. Sie wirken so extrem plastisch und erwecken die Schneise zwischen Wand und Langem Haus zum Leben. Die Dachterrasse des Langen Hauses ist gerahmt von einer sanft illuminierten Wand in Richtung Platz einerseits und der mit Licht und Schatten inszenierten Hangsicherung andererseits.
Brillantes Parken
Nicht wie allgemein üblich wilde Haustechnikstränge prägen die Decke in der Tiefgarage des Landtags, sondern eine ruhige, glatte Betondecke. Durchbrochen wird sie lediglich von flächenbündig integrierten Donwlights und Downlight-Wandflutern. Diese für Tiefgaragen ungewöhnlich brillante Allgemeinbeleuchtung ergänzt eine warmweiße Anstrahlung der Ziegelwand-Nischen mithilfe von Linearlichtprofilen.
Effizienter Energieeinsatz
In allen Bereichen der Landtagsneubauten sind die Leuchten mit energiesparenden Leuchtmitteln bestückt. Für Café, Sitzungszimmer und Parlamentssaal wählten die Lichtplaner Niedervolt-Halogenlampen, die aber mit moderner IRC-Technik und somit ebenfalls bei hohen energetischen Wirkungsgraden arbeiten. Alle Lampen werden ausschließlich an elektronischen Vorschaltgeräten betrieben. Eine präsenzabhängige Lichtsteuerung reduziert den Stromverbrauch in den in Frage kommenden Zonen.
Hochbauamt Vaduz
Architekt: Architekturstudio Hansjörg Göritz; Hannover
Kontaktarchitekt: Frick Architekten AG, Vaduz
Lichtplanung: Licht Kunst Licht, Bonn / Berlin
Fotograf: Lukas Roth
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