Fotograf: Rupert Steiner
Fotograf: Rupert Steiner
Fotograf: Rupert Steiner
Neue Siedlerbewegung
Zwischen Gartenstadt und Schrebergarten
Die neue Siedlerbewegung ist ideell zwischen Gartenstadt und Schrebergarten, zwischen Reihenhausanlage und Kleingartenanlage angesiedelt. Die gestaltete Organisation der einen Wohnform steht gegenüber der Individualität und Dichte der anderen. In diesem Spannungsfeld organisiert sich die neue Siedlerbewegung neu. Idee und Typ befinden sich also in einem Dazwischen. Dem entspricht konsequenterweise die baurechtliche Widmung als „Gartensiedlungsgebiet“, ebenfalls einem Dazwischen zwischen Kleingartenanlage und Bauklasse I.
Städtebauliche und architektonische Aufgabe ist es nun, für den sich neu entwickelnden Siedlungstyp eine neue Typologie zu entwickeln.
Typologie: Punktsymmetrie, Kuppel- und Skalierbarkeit
Die für dieses Projekt vorgeschlagene Typologie basiert auf einem Prototypus, der aufgrund seiner Eigenschaften eine weitreichende Vielfalt von Haustypen erzeugen kann, die hier noch nicht einmal ausgeschöpft ist und weit über das vorliegende Projekt hinausweist.
Das neue Siedlerhaus ist punktsymmetrisch aufgebaut. Demzufolge sind, abgesehen von der Fenestrierung, die Ansichtspaare Nord-Süd und Ost-West, nicht spiegelgleich, sondern identisch. Daraus ergibt sich wiederum eine Kuppelbarkeit in alle vier Richtungen. Die Punktsymmetrie erlaubt auch ein einfaches Skalieren, um auf simple und doch reizvolle Weise mehrere Hausgrößen und Wohnungstypen zu generieren. Dabei bleibt sogar die Kuppelbarkeit unterschiedlich großer Häuser möglich.
Das Ergebnis ist ein Spannungsfeld zwischen Vielfalt und Einheit, nämlich die Gestaltungsmöglichkeit einer neuen Siedlung unter scheinbarer Verwendung nur eines einzigen Haustypus, der sich aber doch unterschiedlich und immer neu zeigt. Die Häuser können als frei stehendes Einzelhaus, als gekuppeltes Haus, als Doppelhaus, als Haus mit zwei Wohneinheiten, als Reihenhaus und, im Falle anderer Widmung, als verdichteter Flachbau in Erscheinung treten. Wie nun die Häuser unterschiedlich verbunden werden können, so kann jedes einzelne Haus ebenfalls in verschiedenen Varianten angeboten werden. Durch die Multiplikation der Möglichkeiten in Kupplung sowie in Einzelausbildung entsteht ein vielfältiges und flexibles Angebot.
„Städtebau“ zwischen privater und gemeinschaftlicher Nutzung
Der Siedlungsgedanke wird in den Spannungsfeldern zwischen der städtischen Straßenkante im Osten und dem Landschaftsraum im Westen, sowie zwischen der Privatheit des Kleingartens und der Offenheit des gemeinschaftlichen Gartens entwickelt. Das Grundprinzip bei letzterem ist dabei, dass die Baulosgrenzen nicht mit den Nutzungsgrenzen ident sind.
Dies ist möglich, da alle Baulose demselben Eigentümer gehören bzw. bei Eigentum nur Wohnungseigentum angeboten wird. Jedem Haus und jeder Wohnung werden definierte Vorgarten-, Terrassen- und Gartenflächen zugeordnet. Diese sind absolut privat zu nutzen, wobei für die Gestaltung der Flächen und Abgrenzungen ein Möglichkeitenkatalog vorgegeben wird. Zwischen diesen Privatflächen jedoch zieht sich ein Netz von öffentlicher und halböffentlicher Durchwegung mit Aufweitungen zu Plätzen, Spielplätzen, Baumgruppen und Wiesen. Diese Wege bilden das tertiäre Erschließungssystem. Das sekundäre besteht aus nicht befahrbaren Wegen, die nebst Fahnen, welche hier als im Sinne der Oberflächengestaltung als tertiär behandelt sind, im Gartensiedlungsgebiet möglich sind. Sie können aber in Ausnahmefällen zu Lieferzwecken aufgrund privater Vereinbarung befahren werden. Dazu ist jeweils eine Wendemöglichkeit vorgesehen. So ist gewährleistet, dass eine Liefermöglichkeit trotz prinzipieller Autofreiheit möglich ist. Das primäre Erschließungssystem ist das durch die Flächenwidmung vorgesehene Straßensystem. Einzig bei an diesen Strassen liegenden Häusern ist ein Stellplatz am Grundstück vorgesehen.
Bauordnung und Typusentwicklung
Voraussetzung für leistbares Wohnen ist die Erzeugung höchstmöglicher Dichte unter den gesetzlichen Rahmenbedingungen. Die Maximierung der Dichte kann über die Ausnützung des maximalen Gebäudevolumens erreicht werden. Die Wiener Bauordnung bietet hier ein komplexes System von Unter- und Überschreitbarkeit der vorgeschriebenen Gebäudehöhe in Kombination mit dem Umriss der ebenfalls vorgeschriebenen Neigung eines möglichen Steildaches an. Um bei der vorgegebenen Gebäudehöhe von 5,5 Metern ein unangetastetes erstes und sogar ein zweites Obergeschoß zu ermöglichen, wurde auf das komplexe Regelwerk der Bauordnung eine spielerische, aber ebenso komplexe Antwort gesucht, die mit der typologischen Lösung Hand in Hand geht.
Aus einem fiktiven, baurechtlich möglichen Maximalvolumen wurden im ersten Schritt im ersten Obergeschoß – punktsymmetrisch an den vier Gebäudeecken – Terrassen herausgeschnitten bzw. wurden Fassadenflächen schräg gelegt. Dies ergibt eine signifikante Ersparnis an rechnerischer Fassadenfläche bzw. umgelegt an gemittelter Gebäudehöhe, und zwar jeweils nur an den Fassaden der fiktiven Giebelflächen. Die somit „gewonnene“ Fassadenfläche wird nun „reinvestiert“, um das Gebäudevolumen zu optimieren: Das erste Obergeschoß erhält eine hochbautechnisch einwandfreie Attikahöhe und das zweite, im Umriss gelegene Geschoß, das in den meisten Häusern großzügige Schlaflofts enthält, kann in einer gut nutzbaren Breite ausgeführt werden. Auskragende Bauteile werden entweder als Erker behandelt oder, bei weiterer Auskragung, in voller bebauter Fläche und Höhe mitgerechnet. Bei einem einzigen Typ ist es notwendig, bei Fassadenflächen vor Nebenräumen bzw. ohne Hauptfenster eine Geländemodellierung vorzunehmen. Diese erhöhten Gartenplateaus sind zugleich Teil des Abgrenzungskonzepts der Privatgärten.
Trotz unterschiedlicher Widmung sind die das Gebiet nach Osten abgrenzenden Wohnhäuser in ähnlicher Typologie durchgebildet, um eine größtmögliche Einheit und Widererkennbarkeit des Gesamtgebietes zu erreichen. Die hier daher ebenfalls aufgesetzten Körper im zweiten Geschoß werden jedoch aufgrund der Flachdachwidmung bei diesem Bauteil nicht über den Umriss, sondern allein über die Fassadenabwicklung rechnerisch legitimiert.
AH – Gemeinnützige Siedlungsgenossenschaft Altmannsdorf u. Hetzendorf Gen.m.b.H. Vienna
BUWOG – Bauen und Wohnen Gesellschaft mbH, Vienna
Pichler & Traupmann Architekten ZT GmbH
Christoph Leitner (Competition)
Sandy Panek (Competition)
Barbara Aull (Project leader)
Christoph Leitner (Project leader)
João Camarinha da Silva
Christoph Degendorfer
Anke Freimund
Manuel Fröschl
Sandy Panek
Jürgen Schneeberger
Wolfgang Windt
Design Partners: Landschaftsarchitektur - bauchplan Landschaftsarchitektur, Vienna Projektentwicklung - raum & kommunikation Korab KEG, Vienna
Structural Engineering: Woschitz Engineering ZT GmbH, Eisenstadt
Building Physics: RWT PLUS ZT GmbH Vienna
Building Services: Altherm Engineering GmbH, Baden / Vasko + Partner, Wien
Fotograf: Rupert Steiner
Fotograf: Rupert Steiner
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