Fotograf: Marcus Ebener, Berlin
Fotograf: Marcus Ebener, Berlin
Fotograf: Marcus Ebener, Berlin
Die Geschichte der Wittelsbacher neu inszeniert – das Museum der Bayerischen Könige in Hohenschwangau
Im Herbst 2011 eröffnete in Hohenschwangau das von Staab Architekten umgebaute Museum der Bayerischen Könige. Jährlich erwartet man 200.000 Besucher, die sich hier zur Geschichte des Hauses Wittelsbach von den Anfängen bis in die Gegenwart informieren können. Die 1.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche in prominenter Lage erstrecken sich über ein facettenreiches Raumgefüge aus Alt und Neu. Das Büro Licht Kunst Licht plante für das Museum ein Beleuchtungskonzept, das die vielseitigen funktionalen Anforderungen ideenreich beantwortet, die Ausstellung beeindruckend inszeniert und wesentlich die Identität des Hauses mitprägt.
Beheimatet ist das Museum der Bayerischen Könige in einem über 100 Jahre alten Gebäudeensemble am Ufer des Alpsees, zu Füßen der Schlösser Neuschwanstein und Hohenschwangau. Für die neue Nutzung als Museum wurde die vorhandene Substanz restauriert und raffiniert um eine Aufstockung des Verbindungsbaus erweitert. Das historische Hotelgebäude blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Im Jahre 1832 ließ Kronprinz Maximilian (1848 König Maximilian II) die Burgruine Hohenschwangau zur königlichen Sommerresidenz ausbauen. Mit der königlichen Hofhaltung am Ort entstehen die ersten Hotels; besonders anlässlich der königlichen Jagden bedarf es weiterer Unterkünfte, in denen die vor allem adeligen Gäste mit ihrem Gefolge angemessen untergebracht werden können.
1852 wird der »Gasthof zur Alpenrose« am Alpsee erstmals urkundlich erwähnt. Er wird im Gebäude des »Neuen Bräuhauses« eingerichtet, das hier um 1780 gebaut worden war. Mit der Öffnung von Schloss Neuschwanstein nach dem Tod Ludwigs II. wird 1889 anstelle des Gasthofs auf den Kellergewölben der alten Brauerei ein erstes Hotelgebäude errichtet, das bis 1905 um den zweiten, prächtigen, mit Terrassen und Balkons versehenen Teil direkt am Ufer des Alpsees erweitert wird. Nicht zuletzt aufgrund seiner herrlichen Lage entwickelt es sich zu einem der ersten Häuser am Ort.
Seit 1924 gehört das Gebäude zu den Liegenschaften des Wittelsbacher Ausgleichsfonds. In enger Abstimmung mit dem Denkmalschutz wurde das Gebäude durch Staab Architekten, Berlin, zum Museum der bayerischen Könige mit Museumscafé und Restaurant ausgebaut.
Ein behutsamer Umgang mit der denkmalgeschützten Substanz und die mutige Aufstockung des Verbindungsbaus um ein dreischiffiges Tonnengewölbe haben Museumsräume geschaffen, die den Besucher mit ganz unterschiedlicher Prägung überraschen. Er kann im Foyer unter historischer Kassettendecke wandeln und im Palmengarten den originalen Jugendstil atmen. Unter dem strahlenden Firmament der neu gebauten Tonnenschalen lässt sich dem Stammbaum der Wittelsbacher und den gebauten Idealen des bayerischen Königtums nachspüren, während Galerien mit raumhohen Verglasungen beeindruckende Panoramablicke auf See und Berge sowie direkten Bezug zu den Schlössern Neuschwanstein und Hohenschwangau eröffnen. Der im historischen Jägerhof untergebrachte Ausstellungsabschnitt wiederum nutzt die vorhandenen Räume als Ausstellungskabinette, lediglich nicht tragende Wände wurden in Abstimmung mit der Denkmalpflege entfernt und der Baubestand restauriert.
Brillantes Willkommen im Foyer
Der Zugang zum Museum erfolgt über die mittig gelegene Eingangshalle, den ehemaligen Speisesaal des Hotels Alpenrose. Durch die breite Fensterfront wird das weitläufige Entree mit Tageslicht versorgt. Der helle Terrazzoboden, die restaurierte Kassettendecke sowie Wände in Weiß sorgen für einen lichten Gesamteindruck. In den Abendstunden empfängt den Besucher eine brillante Lichtstimmung. Dafür wurden die vorhandenen historischen Kronleuchter lichttechnisch überarbeitet und mit Halogenleuchtmitteln bestückt.
Rückseitig an das Foyer angrenzend liegt ein Nebenfoyer mit Garderoben und Sanitärbereich. Deckenintegrierte Downlights, ebenfalls mit Halogenleuchtmittel, setzen die Atmosphäre des Hauptfoyers in diesem Abschnitt fort. Gleichzeitig dient das Nebenfoyer als Erschließung für das Palmenhaus.
Drei Lichtkomponenten für verschiedene Nutzungen
Das gemäß den Bedürfnissen exotischer Pflanzen errichtete Palmenhaus wird über Attikafenster und einen Glasdeckenabschnitt im Zenit natürlich belichtet. Entsprechend seiner heutigen Funktionen als Veranstaltungsraum oder Kulisse für temporäre Ausstellungen war hier eine flexible Beleuchtung gefragt.
Stehleuchten, die sich je nach Anlass frei im Raum platzieren lassen, blenden sanft die Raumbegrenzungsflächen ein. Außerdem werden die mit Ornamenten verzierten Glasdeckenfelder hinterleuchtet. Im Zusammenspiel der beiden Komponenten entsteht eine stimmungsvolle Grundbeleuchtung. Wird akzentuierendes Licht, zum Beispiel bei Ausstellungen, benötigt, nimmt eine die Glasdecke umlaufende 3-Phasen-Stromschiene passende Strahler auf.
Der Weg nach oben
Als Zugang zur Dauerausstellung in der ersten Etage unter dem neu gebauten dreischiffigen Tonnendach fungiert eine in das Hauptfoyer eingestellte Treppe. Komplett mit dunkelbraunem Corian verkleidet, setzt sie einen dramatischen Kontrast zu dem lichtdurchfluteten Hauptsaal des Museums mit den beiden Seitenschiffen am Ende des Aufstiegs. Um diesen Effekt möglichst wenig zu stören, gibt eine in den Handlauf der Treppe integrierte LED-Beleuchtung gerichtetes Licht ausschließlich auf die Lauffläche.
Elegante Statik, fulminante Wirkung
Bei der Konzeption der Museumserweiterung durch den Aufbau eines neuen Geschosses auf dem historischen Speisesaal war es dem Büro Staab Architekten wichtig, ein von Giebelwand zu Giebelwand spannendes Tragwerk zu schaffen, um die historische Foyerhalle frei von konstruktiven Durchdringungen zu halten. Erreicht wurde dies über die Ausbildung von drei Tonnenschalen in Stahlkonstruktion, die an nur vier Punkten aufgelagert sind. Diese Lösung erlaubt drei große stützenfreie Räume, die wie ein Mittelschiff mit zwei Seitenschiffen parallel zur Fassade verlaufen.
Im mittleren ausschließlich durch Kunstlicht erhellten Ausstellungsraum haben die Kuratoren den ‚Saal der Königsschlösser’ eingerichtet. Die Präsentation widmet sich hier anhand großformatiger Fotodisplays und prunkvoller Exponate den Schlössern Hohenschwangau und Neuschwanstein sowie ihren Erbauern, König Maximilian II. und König Ludwig II. Einen der Schau angemessenen Rahmen schafft die in die Architektur integrierte Beleuchtungslösung, denn das gesamte Gewölbe des Saales ist als Lichtdecke ausgeführt.
Dafür haben die Lichtplaner von Licht Kunst Licht nach Modellversuchen und Beleuchtungsproben eine Umsetzung gefunden, die einerseits die rautenförmige Kassettierung der Stahlkonstruktion mit ihrem gestalterischen Bezug auf die Bestandsdecke im Foyer bewahrt und gleichzeitig die raumseitige Deckenfläche von jeglichen technischen Installationen frei hält: In jedes der Kassettenfelder ist eine gebogene Plexiglasplatte mit LED-Hinterleuchtung eingepasst. Die LED setzt in jeder Raute zwischen den Stahlrippen einen brillanten Lichtpunkt und verbreitet in der Plexiglasabdeckung eine sanfte Korona.
In ausgewählten Deckenfeldern wurden zusätzlich Strahler hinter der Abdeckung platziert, um besondere Exponate mit druckvollem Akzentlicht zu betonen. Die Strahler sind dreh- und schwenkbar ausgeführt, ihre Lichtwirkung lässt sich somit auch Änderungen in der Ausstellung anpassen. Die Plexiglasscheiben bilden mit dem LED-Modul und den Strahlern eine Einheit, die sich zu Wartungszwecken leicht demontieren und wieder einsetzen lässt.
Offener Blick auf Schlösser, Berge und See
Die Lichtdecke findet ihre Fortsetzung auch unter den beiden schmaleren Tonnenschalen in den Seitenschiffen. Hier allerdings erstreckt sie sich nur von den rückwärtigen Deckenstößen bis zum Scheitel des Gewölbes, denn von dort bis zum Bodenniveau abwärts eröffnen Glasfassaden herrliche Ausblicke auf die umliegende Landschaft. Die Galerien mit unterschiedlicher Breite – größer auf der Rückseite des Gebäudes, kleiner zur Seeseite und Schloss Hohenschwangau – laden zum Verweilen ein und bieten unvergleichliche Panoramen.
Begehbarer Stammbaum
Die Verbundverglasung der rückwärtigen Front fungiert darüber hinaus als Display für einen begehbaren Stammbaum der Wittelsbacher. Um die auf das Glas gedruckten Bilder und Texte gut lesbar zu präsentieren, werden sie aus einem im Boden des Scheibenzwischenraums eingelassenen LED-Streiflichtkanal gleichmäßig hinterleuchtet. Ein Sonnenschutzmaterial, ebenfalls zwischen den Scheiben appliziert, bietet dem LED-Licht zusätzliche Reflexionsfläche.
Die Galerie mit großartigem Panoramablick auf den Alpsee und Schloss Hohenschwangau dient der Kontemplation. Von hier aus gelangt der Besucher in weitere Ausstellungsräume im sogenannten Jägerhaus des ehemaligen Hotels Alpenrose.
Information und Interaktion in den Kabinetten
Das Ausstellungskonzept in den Kabinetten des Altbaus schafft über Kontraste einen sinnlichen Zugang zu Information und Exponaten. Großformatige, hinterleuchtete Fotos, brillant ausgeleuchtete Vitrinen, interaktive Screens und Projektionen sind in Ausstellungsmöbel aus dunkelbraunem Corian eingebettet. Das Konzept für die Allgemeinbeleuchtung begegnet diesem Korrelat aus Farbenpracht vor dunklem Hintergrund mit dezenter Zurückhaltung. Der Tageslichteintrag wird durch Verdunklungsscreens an den Fenstern begrenzt, die Grundausleuchtung auf ein funktionales Mindestmaß beschränkt. Die Konzentration der Besucher wird klar auf den Raum und die Präsentation fokussiert.
In diesem Zusammenhang sollten die Lichtquellen für die Allgemeinbeleuchtung quasi nicht sichtbar sein. Ein diskretes Ergebnis dieser Intention sind Leuchten, die leicht zurückgesetzt in die Stürze der Durchgänge zwischen den Räumen integriert wurden. Jede dieser Leuchten besteht aus zwei Komponenten: Einer LED, die gerichtetes, punktuelles Licht auf den Boden gibt, und einer Leuchtstofflampe die diffuses, stärkeres Licht abstrahlt. Beide Lichtquellen sind getrennt schalt- und dimmbar ausgeführt und ihr Lichtstrom lässt sich so gezielt auf die Erfordernisse der Ausstellung abstimmen. Das Leuchtstofflampenlicht dient außerhalb der Öffnungszeiten als Putz- und Wächterlicht.
Einzige nicht raumseitig integrierte Lichtkomponente in den Kabinetten sind dreh- und schwenkbare Strahler in Deckenauslässen. Sie kommen überall dort zum Einsatz, wo im Interesse der Ausstellungsdramaturgie eine zusätzliche Akzentuierung gewünscht ist bzw. in jenen Räumen, wo die möbelintegrierte Beleuchtung nicht ausreicht.
Künftige Änderungen problemlos möglich
Die Beschränkung der sichtbaren Leuchtenkörper auf einige wenige Strahler schafft in den Kabinetten ein ruhiges Deckenbild. Die Ausstellungsgestaltung und ihr durchkomponiertes Farbkonzept bleiben von technischen Installationen ungestört. Um Flexibilität über die aktuelle Konfiguration hinaus zu sichern, sind in allen Raumdecken freie 1-Phasen-Punktauslässe vorhanden. Ihre Anzahl und Position wurde mit Bedacht gewählt, das Optimum zwischen Planungsfreiheit und ungestörtem Raumerleben war gefragt. In jeden der Punktauslässe lässt sich bei Bedarf ein dimmbarer Strahler einsetzen. Die Stromzuleitungen wurden aber so dimensioniert, dass nachträglich auch eine 3-Phasen-Stromschiene angeschlossen werden kann. Die Installationstechnik setzt somit keine Grenzen, wenn Präsentationen neu konzipiert oder Räume umgenutzt werden.
Sonderleuchte für das alte Treppenhaus
Ober- und Erdgeschoss in diesem historischen Gebäudeabschnitt sind über ein Bestandstreppenhaus miteinander verknüpft. Für die Treppen und Flure in diesem Bereich wünschten sich die Lichtplaner eine Leuchte, deren Lichtwirkung und Design mit der Formensprache der Altbausubstanz harmoniert. Gerecht wird diesem Anspruch eine direkt/indirekt strahlende Wandleuchte aus massiver Baubronze. Sie sorgt auf den Verkehrsflächen für ausreichende Beleuchtungsstärken, setzt Streiflichter auf die restaurierten Wandflächen und rhythmisiert angenehm längere Wegabschnitte.
Am Ende seines Rundgangs gelangt der Besucher in den Museumsshop. Eine Kombination aus Wandflutern und Richtstrahlern erhellt hier die wandhohen Regale mit einem breit gefächerten Angebot, von Büchern über Gebrauchsgüter, Accessoires zur Tischkultur oder Andenken mit königlichem Bezug bis hin zum Alpenrose-Tee.
Wittelsbacher Ausgleichsfonds, München
Vertreten durch die Schlosshotel Lisl GmbH & Co.KG, Hohenschwangau
Architekt Aus-und Umbau, Ausstellungsgestaltung: Staab Architekten GmbH, Berlin
Lichtplanung:
Licht Kunst Licht AG, Bonn / Berlin
Teamleitung: Malte Simon B.A.
Projektteam: Prof. Dipl.-Ing. Andreas Schulz, Dipl.-Ing. Edwin Smida, Dipl.-Des. Thomas Möritz
Fotograf: Marcus Ebener, Berlin
Fotograf: Marcus Ebener, Berlin
Fotograf: Marcus Ebener, Berlin