Alle Fäden in der Hand: Anne Marie Commandeur vom Stijlinstituut Amsterdam
Text von Alun Lennon
29.11.19
Anne Marie Commandeurin vom Stijlinstituut Amsterdam spricht über zukünftige Textil-Trends und über die Rolle der Heimtextil für die Zukunft der Branche.
Eine Messe von der Größe und Bedeutung der Heimtextil zu veranstalten, ist kein Kinderspiel, sondern das Ergebnis einer langjährigen Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichsten Kompetenzpartnern. Ein wichtiger Erfolgsfaktor der Heimtextil ist der internationale Trend Council und mit ihm das Stijlinstituut Amsterdam. Architonic sprach mit der Leiterin des Instituts, Anne Marie Commandeur, über Textilien, Trends und Nachhaltigkeit sowie die Rolle der Heimtextil bei der Gestaltung der Zukunft der Textilbranche.
Welche Rolle spielt die Heimtextil als Wegweiser für zukünftige Textiltrends?
Die Heimtextil umreißt die Richtung der aufkommenden Trends, was das Design und die Farben von Wohn- und Objekttextilien angeht. Wir tun dies, indem wir eine Erzählung anbieten, in der wir kommende Designtrends und deren Hintergründe erfassen – und dies auch vom Standpunkt der reinen Inspiration aus. Aufgrund des breiten Zielmarktes – eines globalen Marktes, der eine Reihe von Produktsegmenten sowie eine breite Vielfalt von Wertigkeits- und Geschmacksebenen abdeckt – konzentrieren wir uns auf die gemeinsamen Nenner. Für die einen werden diese Trends ein Augenöffner sein, für die anderen nur eine Bestätigung.
Was sind die wichtigsten Trends, die sich derzeit auf dem Gebiet der Textilien in der Innenarchitektur und im Design abzeichnen?
Die aktuellen technologischen Entwicklungen konzentrieren sich stark auf erhöhte Nachhaltigkeit, was sowohl die Produkte als auch die Prozesse angeht, aber auch auf die Suche nach rationalen Lösungen zur Erhöhung der Lebensdauer, der Benutzerfreundlichkeit und der Wartung. Das heißt nicht, dass es Abstriche bei der Ästhetik gäbe.
Die ästhetischen Standpunkte sind sehr unterschiedlich, und 2020 wird ein Jahr sein, in dem wir uns auf längerfristige Trends konzentrieren, die den Bedürfnissen und Interessen einer Vielzahl von Heimtextil-Nutzern entsprechen. Wir sind auch daran interessiert, uns mit dem fortdauernden Interesse der Menschen an emotionalen Erfahrungen, an der immersiven Gestaltung von Räumen und Innenräumen auseinanderzusetzen.
Ist es heute noch gerechtfertigt, sich Nachhaltigkeit als Trend vorzustellen? Oder vielleicht als Marketinginstrument?
Das Geschäft mit Innentextilien wird langsam nachhaltiger. Nachhaltigere Prozesse bringen uns Produkte „ohne Schuldgefühle“ näher. Greenwashing – die unlautere Nutzung von Nachhaltigkeit als Marketinginstrument – ist sicherlich ein großes Problem. Da Unternehmen erkennen, dass Nachhaltigkeit inzwischen eine Grundanforderung und nicht nur eine Alternative ist, versuchen sie, sozusagen ohne Ticket auf den Zug aufzuspringen. Aber auch Transparenz wird zu einer zentralen Forderung. Andererseits ist es für ein Unternehmen eine berechtigte Marketingstrategie, neue Praktiken im Zusammenhang mit nachhaltigen Prozessen, Produkten und Ressourcen zu kommunizieren, die wiederum zu fortschrittlicheren Einzelhandelspraktiken führen können. Diese Strategie kann die gesamte Branche inspirieren.
Maxhosa by Laduma Ngxokolo. Photography by Andile Buka
Maxhosa by Laduma Ngxokolo. Photography by Andile Buka
×Welche Herausforderungen stellen sich für die Hersteller, die wettbewerbsfähig bleiben und gleichzeitig ethisch produzieren wollen? Und was könnten die Lösungen sein?
Ethische Produktion mag kurzfristig teuer und kompliziert sein, aber sie ist der einzige Weg nach vorn. Regierungen setzen eine Umweltagenda durch, bei der die Nachfrage der Verbraucher nach Transparenz ständig wächst. Langfristig wird dies zu wirtschaftlich tragfähigen Lösungen führen. Der Preis allein wird nicht ausreichen, um die Aufmerksamkeit der Verbraucher zu erregen. Investitionen in emotionale Inhalte, individuellen Stil, einzigartiges Design, einmalige Materialqualität, Leistung und Langlebigkeit usw. sind allesamt Parameter, die von den Verbrauchern hoch geschätzt werden, und diese Faktoren können ganz harmonisch Seite an Seite mit ethischen Prinzipien existieren. Nachhaltigkeit und ethisches Wirtschaften sind auch in Bezug auf Unternehmensimage und Marktwert wertvolle Pluspunkte.
Können Sie ein paar Worte über das Material Manifest auf der Heimtextil sagen?
In diesem Jahr übernehmen wir zum vierten Mal die Verantwortung für die Gestaltung und Entwicklung des „Trend Space“ auf der Heimtextil und wir sind uns zutiefst bewusst, dass das Thema Nachhaltigkeit und das Bespielen einer 2.500 Quadratmeter großen Fläche an vier Ausstellungstagen wie ein Widerspruch klingt. Dennoch versuchen wir, Abfall so weit wie möglich zu reduzieren – indem wir vorhandene Komponenten und Bestände nutzen, Material mieten oder leihen und wo immer möglich lokale und ökologische Alternativen nutzen, um nur einige Maßnahmen zu nennen.
Eine weitere wichtige Neuerung im Bereich Nachhaltigkeit und Materialien wird die Future Materials Library sein, die in den „Trends Space“ eingebettet ist und von Franklin Till, unserem Kollegen im Trend Council, kuratiert wird. Ziel ist es, den Besuchern Materialien und Ressourcen nahe zu bringen; sie lernen 26 nachhaltige Materialien auf drei Bühnen kennen und können so ihr Wissen und ihre Wertschätzung für Materialien und Ressourcen erweitern.
© Architonic