Zum Schlafen viel zu schön: Die neue Rathausarchitektur
Text von Alyn Griffiths
London, Großbritannien
19.03.17
Wenn es um Placemaking und den Stolz der Bürger auf ihre Stadt geht, haben Rathäuser einen speziellen Status und eine besondere Verantwortung. Architekten lassen sich also einiges einfallen für die neuen Volkspaläste.
Das Rathaus im niederländischen Deventer von Neuteings Riedijk Architects lädt Bürger in ein lichtdurchflutetes öffentliches Atrium, das den Ansatz der Zugänglichkeit beim Entwurf vieler neuer kommunaler Gebäude verdeutlicht. Foto: scagliolabrakkee
Das Rathaus im niederländischen Deventer von Neuteings Riedijk Architects lädt Bürger in ein lichtdurchflutetes öffentliches Atrium, das den Ansatz der Zugänglichkeit beim Entwurf vieler neuer kommunaler Gebäude verdeutlicht. Foto: scagliolabrakkee
×Londons City Hall wurde schon mit vielem verglichen: mit einem Autoscheinwerfer, einem unförmigen Ei, einem Motorradhelm und, vom ehemaligen Bürgermeister Ken Livingstone, mit einem "Glastestikel". Man kann es lieben oder nicht, das Gebäude von Foster + Partners zeigt deutlich die Herausforderungen, die in der Entwicklung ikonischer Rathausarchitektur stecken.
Traditionell wurden solche Gebäude gebaut, um den Bürgern Identität und ein Gefühl von Stolz zu geben, oft durch schiere Grösse oder durch prunkvolles Design. Der Übergang zu einer egalitäreren Gesellschaft und die kontrolliertere Vergabe öffentlicher Mittel hat zwar einen bescheideneren Ansatz gefördert, ein gewisser Spielraum für architektonische Experimente existiert aber weiterhin.
Die folgenden Beispiele zeigen, wie heutige Rathäuser versuchen Erschwinglichkeit, Zugänglichkeit und weitere praktische Erfordernisse mit dem Wunsch nach einer wirkungsvollen kulturellen Ikone in Einklang zu bringen.
Deventers neues Rathaus ergänzt in Form und Materialwahl seine historische Umgebung. Die Fingerabdrücke von 2264 Bürgern der Stadt wurden vor äussere und innere Fenster gesetzt. Fotos: scagliolabrakkee
Deventers neues Rathaus ergänzt in Form und Materialwahl seine historische Umgebung. Die Fingerabdrücke von 2264 Bürgern der Stadt wurden vor äussere und innere Fenster gesetzt. Fotos: scagliolabrakkee
×Rathäuser sitzen normalerweise an prominenter Stelle im Herzen der Stadt, wo sie als Symbole der Beschützer- und Versorgerrolle des Staates fungieren. Oft handelt es sich um Orte von historischer Bedeutung, so dass neue Architektur behutsam eingepasst werden muss. In der Altstadt im niederländischen Deventer ergänzt ein neues kommunales Verwaltungsgebäude von Neutelings Riedijk Architects das bestehende Rathaus. Eine Fassade mit einer starken Komposition vertikaler Elemente zitiert die Form benachbarter Gebäude, während ein Mansardendach die bestehende Dachlinie übernimmt. In Eichenholz gerahmte Aluminiumraster der Fingerabdrücke von 2264 Deventer Bürgern sind vor den Fenstern angebracht und verstärken die Verbindung zwischen dem neuen Rathaus und der Gemeinde.
LAN Architectures Rathaus von Saint-Jacques-de-la-Lande ist mehr Treffpunkt als Ort für administrative Dienstleistungen. Das grosse Areal wurde in einen öffentlichen Platz umgewandelt, der sich auch auf dem Gebäude fortsetzt. Fotos: Julien Lanoo
LAN Architectures Rathaus von Saint-Jacques-de-la-Lande ist mehr Treffpunkt als Ort für administrative Dienstleistungen. Das grosse Areal wurde in einen öffentlichen Platz umgewandelt, der sich auch auf dem Gebäude fortsetzt. Fotos: Julien Lanoo
×In neueren Städten oder Gemeinden ist der historische Kontext weniger relevant und der Fokus konzentriert sich stärker darauf, Raum für die Bedürfnisse der Stadtbewohner zu erschaffen. Mit ihrem Entwurf eines neuen Rathauses für die Gemeinde Saint-Jacques-de-la-Lande am Rande von Renne versuchten LAN Architecture "eher einen Platz als ein Gebäude" zu erschaffen.
Die Anlage steht auf einem öffentlichen Platz der integraler Bestandteil ihrer Struktur ist. Schräge
Holzstufen begrenzen den Platz und gewähren Zugang zu den öffentlichen Einrichtungen auf der ersten Etage des Rathauses. Bei Veranstaltungen im Freien können die Stufen auch als Sitzgelegenheiten dienen. Perforierte Stahlplatten hüllen die Fassade ein und schützen vor direkter Sonneneinstrahlung, geben dem Gebäude aber noch genug Transparenz, um einladend zu wirken.
Vertikale Gärten säumen die öffentlichen Aussenflächen des Rathauses Herstal, Belgien, von Frederic Haesevoets Architecte. Eine rote Brücke kreuzt die Durchfahrt, die die beiden Gebäudesegmente voneinander trennt. Fotos: Christophe Vootz
Vertikale Gärten säumen die öffentlichen Aussenflächen des Rathauses Herstal, Belgien, von Frederic Haesevoets Architecte. Eine rote Brücke kreuzt die Durchfahrt, die die beiden Gebäudesegmente voneinander trennt. Fotos: Christophe Vootz
×Das neue Hauptquartier der Stadtverwaltung von Herstal, Belgien, kombiniert seine Kernfunktionen mit ein paar besonderen Eigenschaften zur Erbauung der Bürger. Das Gebäude von Frederic Haesevoets Architecte verteilt sich auf zwei miteinander verbundene Komplexe, die auf beiden Seiten einer öffentlichen Durchfahrt angeordnet sind. Rautenförmig bepflanzte Wände flankieren den Raum auf beiden Seiten und erzeugen einen ungewöhnlichen öffentlichen Garten.
Das Erdgeschoss des Gebäudes ist weitgehend verglast um Besucher zum Eintreten zu ermutigen und um Kontinuität zwischen Innen und Aussen zu erzeugen. Im Innenraum werden verschiedene Funktionen durch Farben gekennzeichnet. Der Umlaufbereich ist mit leuchtendem Rot und die Arbeitsbereiche durch grüne Böden und Wände markiert. Durch den Einsatz erfreuender Elemente Innen und Aussen zeigt das Rathaus von Herstal besonders anschaulich, dass städtische Gemeindearchitektur sich mit der Gemeinde verbinden und gleichzeitig Stolz durch grossartige Architektur induzieren kann.
Die wellblechverkleidete Stadthalle von Bezons (Frankreich) des Pariser Büros ecdm besteht aus drei versetzt gestapelten Quadern. Im Inneren fällt Tageslicht auf den begrünten Hof und ein Netz aus Treppen. Fotos: Benoît Fougeirol
Die wellblechverkleidete Stadthalle von Bezons (Frankreich) des Pariser Büros ecdm besteht aus drei versetzt gestapelten Quadern. Im Inneren fällt Tageslicht auf den begrünten Hof und ein Netz aus Treppen. Fotos: Benoît Fougeirol
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