Licht – der am schwersten fassbare Aspekt eines Bauwerks, dem nichtsdestotrotz fundamentale Bedeutung zukommt – darf in einer Reihe neuer internationaler Musterprojekte brillieren.

Das Roskilder Müllheizkraftwerk, das der niederländische Architekt Erick van Egeraat entworfen hat, wird von lebendigen Farben spektakulär beleuchtet und bildet eine Art säkulareren Kirchturm der dänischen Stadt; Foto: Tim van de Velde

Glanzlichter | Architektur

Das Roskilder Müllheizkraftwerk, das der niederländische Architekt Erick van Egeraat entworfen hat, wird von lebendigen Farben spektakulär beleuchtet und bildet eine Art säkulareren Kirchturm der dänischen Stadt; Foto: Tim van de Velde

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Von Le Corbusier stammt der berühmte Ausspruch, Architektur sei das Spiel „der unter dem Licht versammelten Baukörper“. Heute wird die architektonische Form immer häufiger durch künstliche Beleuchtung akzentuiert und parallel damit schreitet die Entwicklung neuer LED-Technologien rapide voran. Vier aktuelle Projekte präsentieren innovative Konzepte, die das Medium Licht so manipulieren, dass nicht nur die Bauformen, sondern auch deren zugrunde liegenden Ideen mit maximaler Deutlichkeit hervortreten.

Bei Zaha Hadids Dongdaemun Design Plaza kommen sanft scheinende Lichter hinter perforierten Metallfassaden zum Einsatz, die den futuristischen Look der endlos geschwungenen Wände noch verstärken; Fotos: Virgile Simon Bertrand

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Bei Zaha Hadids Dongdaemun Design Plaza kommen sanft scheinende Lichter hinter perforierten Metallfassaden zum Einsatz, die den futuristischen Look der endlos geschwungenen Wände noch verstärken; Fotos: Virgile Simon Bertrand

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Das Spiel mit Licht und Schatten, das Zaha Hadid in ihrem Entwurf für die Dongdaemun Design Plaza betreibt, verwandelt LED-Leuchten in Farbtupfer auf poliertem Aluminium. Durch Perforationen in der gewölbten Aussenhaut dieses Kulturkomplexes im Stadtzentrum von Seoul wird eine von hinten angestrahlte subkutane Schicht sichtbar. Der resultierende Schimmereffekt gibt beredtes Zeugnis von Hadids souveränem Umgang mit der plastischen Form. Die computergenerierten Oberflächen werden von einem Licht profiliert, ja ornamentiert, das einen Blick in die parametrische Zukunft gewährt.

Philippe Chiambarettas Aeroville ist ein gelungenes Beispiel für Flughafen-Design. Das Einkaufszentrum ist in ein dezent beleuchteter monogrammierter Glasschleier; Fotos: Jean-Philippe Mesguen

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Philippe Chiambarettas Aeroville ist ein gelungenes Beispiel für Flughafen-Design. Das Einkaufszentrum ist in ein dezent beleuchteter monogrammierter Glasschleier; Fotos: Jean-Philippe Mesguen

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Obwohl formal konventioneller, grüsst Philippe Chiambarettas Aeroville wie eine willkommene Oase in der Stilwüste der Airport Einkaufszentren. Die Fassaden des Luxus-Einkaufszentrums am Rand des Flughafens Paris-Charles-de-Gaulle sind grossflächig mit „Monogrammen“ signiert, wie man es von Modeoutlets kennt. Die Beleuchtung der Buchstaben zeichnet luftige, mehrlagige Schleier, die sich über die reduzierten modernistischen Volumen legen. Chiambarettas Lichtkalligrafie ist höchst delikat: Die gleichmässige Bestrahlung muss zwei Glaslagen mitsamt den darin eingeschlossenen Konstruktionselementen durchdringen und ruft dabei dreidimensionale, nahezu holografische Effekte hervor, die dem Nutzbau ein mondänes Flair verleihen.

Die Gammel Hellerup Turnhalle von BIG ist eine Erweiterung eines bereits bestehenden Schulhofs. Hier werden grafische Beleuchtungseffekte eingesetzt, um Sitzbereiche für Studenten auf dem öffentlich zugänglichen Dach des Gebäudes zu kreieren

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Die Gammel Hellerup Turnhalle von BIG ist eine Erweiterung eines bereits bestehenden Schulhofs. Hier werden grafische Beleuchtungseffekte eingesetzt, um Sitzbereiche für Studenten auf dem öffentlich zugänglichen Dach des Gebäudes zu kreieren

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Bescheidener, zumindest was die Grössendimension betrifft, gibt sich die Gammel Hellerup Sporthalle der Bjarke Ingels Group (BIG) in Hellerup, Dänemark. Das mit seiner Umgebung verschmelzende Gebäude unterstreicht seine kindlich anmutende Einfachheit mit auffälligen Lichtinstallationen. Unter einem holzverkleideten „Hügel“, der den Innenhof des bestehenden Schulbaus einnimmt, verbirgt sich eine in die Erde eingelassene Sport- und Mehrzweckhalle. Auf den Hängen des sanft aufschwingenden Kuppeldachs sind kleine Metallstühle, -schemel und -bänke montiert. Jede dieser Sitzgelegenheiten – Treffpunkte für die Schuljugend – verfügt über raffiniert versteckte, Richtung Boden weisende Leuchten. Das locker verstreute Mobiliar bildet einen stylischen, minimalistischen Spielplatz aus weissem Emaille, der von den integrierten Leuchten auf grafische Weise unterstrichen wird.

Nachts ist die Fassade des Roskilder Müllheizkraftwerks, die die neue Form von Energie verbildlicht und ein Symbol für Nachhaltigkeit ist, in rote Flammen getaucht; Fotos: Kara/Noveren (oben) und Tim van de Velde (unten)

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Nachts ist die Fassade des Roskilder Müllheizkraftwerks, die die neue Form von Energie verbildlicht und ein Symbol für Nachhaltigkeit ist, in rote Flammen getaucht; Fotos: Kara/Noveren (oben) und Tim van de Velde (unten)

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Ebenfalls in Dänemark, in Roskilde, steht die State-of-the-Art-Müllverbrennungsanlage des niederländischen Architekten Erick van Egeraat, die Recyclingabfall in nachhaltige Energie umwandelt. Ihr hoch aufragender, weithin sichtbarer Leuchtturm erfüllt nicht nur eine technische, sondern auch eine symbolische Funktion. Erick van Egeraat hatte den kreativen Einfall, per Laser Löcher unterschiedlicher Grösse in die Fassade des Kraftwerks schneiden zu lassen, sodass sie nachts wie ein pixelartiger, von Farben und Mustern aktivierter Bildschirm erscheint. In einem Land, das es ernst meint mit der Nachhaltigkeit, setzt dieser profane illuminierte Turm ein kontrapunktisches Rufzeichen ins Stadtbild, das zugleich die bunten Glasfenster mittelalterlicher Kirchen zeitgemäss interpretiert.

Jedes dieser Beispiele beschreitet eigene Wege in der Betonung der architektonischen Form durch Licht: der subtil glimmernde Futurismus der Dongdaemun Design Plaza, die exquisite Schmuckkasten-Fassade von Aeroville, die verspielten Leuchtspuren der Gammel Hellerup Sporthalle und die Farbklänge des Kraftwerk-Turms in Roskilde. Unabhängig von Mass, Kontext und Funktion lässt uns künstliches Licht intensiver erleben, wie Architektur sich anfühlt.

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Dongdaemun Design Plaza Fotos © Virgile S. Bertrand / Alphaville Ltd

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