Material Tendencies: Philippe Starck
Text von Anita Hackethal
Berlin, Deutschland
23.06.15
Anstatt zu versuchen schöne Objekte zu schaffen, betrachtet der französische Designer und Architekt Philippe Starck es als seine Aufgabe, Dinge zu entwerfen, die für möglichst viele Menschen das Leben besser gestalten. Er glaubt, dass die Existenz eines Objekts erst dann berechtigt ist, wenn es einen Nutzen für andere hat oder – im besten Falle – wenn es etwas hinterlässt, womit andere etwas weiter entwickeln können.
Philippe Starck - Foto © Architonic / Anita Hackethal
Philippe Starck - Foto © Architonic / Anita Hackethal
×Philippe Starcks Bestreben ist es, Design aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Das Produkt an sich interessiert ihn nicht, genauso wenig der Markt. Stattdessen versucht er das bestmögliche Ergebnis für die Nutzer zu erzielen, beziehungsweise für die Menschen die in dem Ort wohnen, den er gestaltet. Mit seinen Projekten möchte er Erlebnisse und Emotionen erzeugen. Einige seiner Objekte sind amüsant oder rebellisch. Für Starck ist das gute Gefühl wichtig.
Architonic hat Philippe Starck gefragt für welches Material er sich entscheiden würde, wenn er sich für die nächsten drei Jahre auf ein Material beschränken müsste.
Starck: „Der Verstand, die Intelligenz und die Kreativität. Denn das sind die wahren Materialien – das sind die ursprünglichen Materialien. Zuallererst braucht man das Gehirn. Wenn Du weißt, warum du etwas machst, wenn du eine ethische Vision hast wofür du etwas machst, wenn du beabsichtigst Freunden und Familie ein besseres Leben zu bereiten, dann ist jedes Material gut. Ich würde jedoch immer sagen: Plastik! Weil ich ein Kommunist bin und ich immer darauf bedacht bin, Dinge erschwinglich zu machen. Mein Ziel ist es das Maximale zu erreichen, für jedermann. Das geht nur mit Plastikobjekten in Massenproduktion.“
Seit vielen Jahren hat Starck die Verwendung von Plastik als erschwingliches und innovatives Material gefördert. Ihm ist bewusst, dass wir mit Design nicht alle Probleme lösen können, aber er glaubt daran, dass wir wenigstens kleine Schritte gehen können, so dass Design nicht komplett unnütz ist. Sein Ziel ist es, weniger zu erzeugen – weniger Design, weniger Material, weniger Energie, um schließlich mehr zu haben.
Wie ist es mit Glas zu arbeiten?
„Ich würde sagen dass ich ziemlich verrückt bin. Und es gibt etwas anderes, das auch relativ verrückt ist: Glas. Glas ist kein echtes Material. Es ist immer noch eines der größten Mysterien der Wissenschaft. Noch heute kann keiner sagen, ob es fest oder flüssig ist. Es ist wohl eher flüssig als fest, aber man kann sich nicht entscheiden. Glas ist faszinierend. Es geht hierbei nicht unbedingt um das Material selbst, sondern um das, was es auslöst. Glas existiert nicht – es ist unsichtbar. Aber es ist aufgrund der Reflexionen seiner Umgebung, der Lichtbrechung, der Vergrößerung, der Verzerrung eine sehr ‚reichhaltige’ Unsichtbarkeit; ... Glas kommt wohl dem Begriff Dematerialisierung am nächsten.
Könntest du uns bitte auf Basis deiner langjährigen Erfahrung mit Plastik die Unterschiede zur Arbeit mit Glas erläutern?
„Die Arbeit mit Glas und Plastik ist völlig unterschiedlich. Plastik ist weich, man kann damit machen, was man will. Es gibt keine Grenzen – nur der Verstand mag vielleicht eine Grenze haben. Mit Glas ist es genau umgekehrt, man muss den Spielregeln folgen, die das Material vorgibt. Es herrscht eine Gegenseitigkeit. Deshalb ist es auch so magisch und so interessant, wenn die Arbeit mit Glas gelingt. Es ist eine ziemliche Herausforderung, eben weil es bei der Bearbeitung so viele Einschränkungen gibt. Glas ist auch sehr stark. Die Wissenschaft vom Glas ist vergleichbar mit der Wissenschaft vom Klebstoff. Man kann heutzutage alles mit Hochleistungskleber machen. Wenn man jedoch den besten Hochleistungskleber nicht bei der exakt passenden Temperatur und mit dem idealen Timing verarbeitet, bricht er entweder sofort oder sechs Monate später, er bricht aber auf jeden Fall. Das ist die Wissenschaft des Trocknens von Klebstoff.“
Gibt es ein Material, auf das du in den nächsten drei Jahren verzichten könntest?
„Ja, alle natürlichen Materialien! Holz. Holz sollte in Form von Bäumen bestehen und Tiere unangetastet bleiben. Alle Materialien, für die Pflanzen oder Tiere sterben müssen, sollten nicht verwendet werden! Es sei denn es gibt eine Alternative. Heute ist es völlig überflüssig, Wälder zu zerstören oder Tiere zu töten. Es ist ein Rückschritt der Menschheit. Und es ist eine dumme Strategie.“
Die Verwendung von Plastik kann viel umweltfreundlicher sein als die von Leder oder Holz. Philippe Starck möchte Objekte entwerfen, die minimalen Einfluss auf die Umwelt haben und umweltverträglich und menschenfreundlich sind. Es geht ihm dabei nicht unbedingt um Recycling, sondern eher um die Restrukturierung der Produktion und um den Erhalt natürlicher Ressourcen. Seit vielen Jahren denkt Starck darüber nach, welches Material Plastik ersetzen wird. Was passiert, wenn uns das Erdöl zur Plastikproduktion ausgeht?
„Für Plastik habe ich immer Öl verwendet, aber ganz offensichtlich wird die Menge, die wir brauchen, um den momentan erschwinglichen Preis für Öl beizubehalten, 2020 erschöpft sein. Das bedeutet in ungefähr fünf Jahren! Es gibt immer noch keine seriösen Studien über Post-Plastik,“ erklärt Philippe Starck. „Post- Energie existiert – wir werden Wasserstoff nutzen. Es gibt viele Alternativen, beispielsweise Bill Gates’ Terra Nova Energie und ähnliches. Für Plastik hingegen gibt es noch keine Alternative. Wir diskutieren über Seetang oder Stärke aus irgendetwas, aber nichts funktioniert wirklich. Rettet Plastik! Bei Glas brauchen wir erst mal keine Bedenken über das Material selbst haben, aber wir müssen uns Sorgen um das Feuer machen, denn ohne Öl gibt es kein Feuer und Gas wird es vielleicht noch weitere fünfzig bis sechzig Jahre geben. Holz? Versucht es direkt zu meiden! Mit Glas kommen wir genauso in die Bredouille, nur später.“
Masters Gold finish bei Philippe Starck mit Eugeni Quitllet für Kartell, 2014
Masters Gold finish bei Philippe Starck mit Eugeni Quitllet für Kartell, 2014
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Lesen Sie auch die kommenden Berichte zum Thema „Material Tendencies“ – mit spannenden Überlegungen bekannter Designer zum Thema Materialien. Wir freuen uns diese als Fortsetzung unserer Architonic Trend Analysis Serie mit Ihnen in den nächsten Wochen zu teilen.
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