Material Tendencies: Sebastian Herkner
Text von Anita Hackethal
Berlin, Deutschland
21.09.15
Mit einem aussergewöhnlichen Gefühl für Material und Farbkombinationen versteht der deutsche Jungdesigner die Wertigkeit und den Charakter verschiedener Materialien hervorzuheben. Dabei vereint er – oft in Zusammenarbeit mit traditionellen Manufakturen – klassisches Handwerk mit moderner Produktionstechnik.
Sebastian Herkner - Foto © Architonic / Anita Hackethal
Sebastian Herkner - Foto © Architonic / Anita Hackethal
×Architonic hat mit Sebastian Herkner über Materialien und ihre Farbigkeit gesprochen.
Wenn Du Dich in den nächsten drei Jahren auf ein Material beschränken müsstest, für welches Material würdest du dich dann entscheiden?
Sebastian Herkner: „Ich glaube, ich würde mich für Glas entscheiden. Ich mag traditionelle, hochwertige Materialien und Glas ist einfach super spannend und sehr vielfältig. Ich habe viele Projekte mit Glas gemacht und kenne mich mittlerweile in der Materie ganz gut aus. Ich arbeite gerne mit kleinen Manufakturen zusammen und lerne viel von ihren Traditionen und handwerklichem Know‐how. Leicht zu produzieren ist Glas sicherlich nicht – man braucht jahrelange Erfahrung. Allein schon der Prozess ist faszinierend. Mich reizt die grosse Breite in der Verarbeitung: Man kann Glas giessen, blasen, pressen. Man kann relativ einfach eine Form erzeugen und kommt entsprechend schnell zu einem Ergebnis, je nachdem wie schnell es abkühlt. Und dann gibt es immer Überraschungsmomente. Glas hat schon seinen eigenen, fast mysteriösen Charakter.“
Was für eine Rolle spielt das Material für dich im Designprozess?
„Wir gehen oft vom Material und seiner Farbe aus – die ist mir bei der Materialwahl sehr wichtig. Oft bringt eine Firma jedoch schon ein Material mit. Aber bei Firmen, die nicht selbst produzieren, wie bei Pulpo oder ClassiCon zum Beispiel, hat man einen grösseren Spielraum und kann schon eher das Material vorschlagen. Aber das Spannende ist eigentlich generell die Abwechslung. Ich will ja jetzt auch nicht nur Stühle machen. Man lernt sehr viel, wenn man mit verschiedenen Materialien experimentiert, und letztendlich macht es auch die Kombination aus. Viele meiner Produkte zeichnen sich durch deren Materialkombinationen aus. Das ist schon so eine Art Handschrift geworden. Jedes Material hat seine eigene Farbtiefe oder Farbigkeit und die müssen miteinander harmonieren und funktionieren, aber das passiert eigentlich während des Prozesses.“
Gibt es Trends in der Materialwahl?
„Ja, ich glaube schon. Mit Tom Dixon fing der Metall‐Trend an. Messing war ganz stark. Das sieht man jetzt überall. Dann kam Glas, gefolgt von Marmor – all die klassischen Materialien. Als ich studiert habe, war die Kunststoff‐Ära ganz stark, vor allem transparenter Kunststoff. Das scheint ja jetzt fast weg zu sein. Ich habe mir damals tatsächlich so ein Produkt gekauft und war sehr enttäuscht, wie schnell es zerkratzt war. Ich finde Material muss positiv altern und das ist momentan ein sehr starker Trend, denke ich. Bei Materialien ist mir die Farbigkeit sehr wichtig. Metalle können oxidieren und ihre Farbe verändern, genauso wie Holz ausbleichen oder dunkler werden kann. Das Experimentieren mit speziellen Oberflächenbehandlungen ist daher spannend. Mit traditionellen Materialien kann man da viel besser experimentieren als mit Kunststoff zum Beispiel.“
„Dann finde ich auch, dass beispielsweise eine Leuchte aus Glas hergestellt werden sollte, weil es
ein anderes Gewicht hat, eine andere Temperatur und eine andere Lichtfarbe und andere Reflexionen erzeugt.“
Was ist der nächste Trend?
„Dieses Jahr war sehr memphislastig, erkennbar an der Verwendung von Terrazzo und Steinen. Es gibt natürlich nach wie vor das Streben nach innovativen Materialien: den Versuch, Produkte leichter zu machen, indem man Metalle und Kunststoffe anders verarbeitet. Ich glaube und hoffe, dass die Verbundenheit zum klassischen Handwerk weiterhin bestehen bleibt. Viele Hersteller produzieren gar nicht mehr im eigenen Land, sondern aus Kostengründen in Osteuropa oder Asien. Die Gefahr wächst, dass Traditionen und damit das handwerkliche Wissen oder gar ganze Betriebe aussterben. Für mich ist es wirklich wichtig zu wissen, wo und wie produziert wird. Das hat eine gewisse soziale Nachhaltigkeit. Ich finde diese Verantwortung sollte jedem Designer bewusst sein und Firmen sollten moralisch auch so aufgestellt sein, dass sie die lokale Produktion unterstützen. Wir arbeiten gerade an einem Keramikprojekt für einen Kachelofen. Da gibt es im Bayerischen Wald noch eine Manufaktur, wohl eine der letzten in Westeuropa, die noch Kachelöfen herstellt.“
Du wurdest für das nächste imm cologne Projekt „Das Haus – Interiors on Stage“ als Guest of Honor ausgewählt. Welche Materialien machen Dein Wohnen aus?
„Es wird rund und sehr textil, ein Haufen Stoff! Ich finde Textilien sind ein spannendes Thema, und eine komplette Thematik für sich. Mit dem Haus möchte ich vor allem Offenheit und Transparenz darstellen, deswegen Textilien. Man kann reinschauen und es ist für jeden zugänglich. Zusammen mit Nya Nordiska haben wir neue Dekostoffe entwickelt. Es wird auch einen weichen PVC‐Netzvorhang geben, einen transparenten, flächigen Vorhang in einem Gelbton. Ich wollte etwas richtig Transparentes. Das gibt es ja bei Stoffen eigentlich nicht. Man sieht immer eine Struktur. Das Haus ist rund aufgebaut, mit Durchgängen in verschiedenen Ebenen, also Schichten wie bei einer Zwiebel. Das Hauptthema ist die leicht transparente Hülle. Es wird jedoch auch Teppiche geben, neue Leuchten, einen neuen Stuhl, ein neues Bett ... und zusammen mit der letzten Seifenfabrik in Offenbach, die gleich neben unserem Studio ist, ein Projekt mit Seife im Badezimmer.“
Bell Tisch und Bell Leuchte für ClassiCon, 2012/15
Bell Tisch und Bell Leuchte für ClassiCon, 2012/15
×Das Haus – Interiors on Stage für imm cologne 2016 (Sebastian Herkner mit dem Modell) - Foto: Lutz Sternstein / imm cologne
Das Haus – Interiors on Stage für imm cologne 2016 (Sebastian Herkner mit dem Modell) - Foto: Lutz Sternstein / imm cologne
×....
Lesen Sie auch die kommenden Berichte zum Thema „Material Tendencies“ – mit spannenden Überlegungen bekannter Designer zum Thema Materialien. Wir freuen uns diese als Fortsetzung unserer Architonic Trend Analysis Serie mit Ihnen in den nächsten Wochen zu teilen.
....