Das Epitom des Kalten Krieges war mit den Jahren 1961/62 erreicht. Zunächst wurde in Berlin »The Wall« errichtet und nur ein Jahr später befand sich die Welt wegen der Stationierung russischer Raketen auf Kuba am Rande des III. Weltkrieges. Was für die Ausstellungsmacher – und nicht zuletzt dank der

2001 Odyssee im Weltraum (Regie: Stanley Kubrik) © V&A London

»Cold War Modernism« | Aktuelles

2001 Odyssee im Weltraum (Regie: Stanley Kubrik) © V&A London

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Dem Untergang von Adolf Hitlers Tausendjährigen Reich zu danken war ein neues Weltbild: Mit den USA und der 1949 ins Leben gerufenen NATO (»North Atlantic Treaty Organization«) auf der einen Seite. Als Gegenpol dazu die UdSSR mit der – nach 1955 gegründeten – Allianz der »Warschauer Pakt«-Staaten (bis 1991) auf der anderen. Schwarz im Kontrast zu Weiß, nahezu ohne jeglichen Grauton.

Hervorragend festzumachen ist diese bipolare Weltsicht am Bild vom »Eisernen Vorhang«. Als ein – dem Theater entstammender – Brandschutz, der das Übel außerhalb der eigenen Sphäre beläßt. Was im Übrigen zu jener Zeit auf der einen Seite ebenso gesehen wurde wie auf der anderen. Ganz so, als handele es sich einzig um ein Spiegelbild ein- und derselben Ideologie.

Superman? Supermen! (Robert Ciesilewicz) © ADAGP Paris + V&A London

»Cold War Modernism« | Aktuelles

Superman? Supermen! (Robert Ciesilewicz) © ADAGP Paris + V&A London

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Erstmals werden jetzt vielfältig und vielschichtig kulturelle Facetten zu diesem schwarzweißen Weltbild in einer bahnbrechenden Ausstellung thematisiert: Das Londoner V&A (Victoria & Albet Museum) zeigt noch bis zum 11. Januar 2009 »cold war modern«.

Wer nun annimmt, da gäbe es ja wohl bestenfalls einseitig Sehenswertes, würde – im positiven Sinn des Wortes – enttäuscht. Ebenso enttäuscht wird aber auch, wer sich vorstellt, diese Zeit sei ja in Architektur und Design eher durch »Biedermann« als durch »Brandstifter« gekennzeichnet.

In der Chronologie der Ereignisse reicht die Zeitreise vom Wiederaufbau zerstörter Städte beidseits des Eisernen Vorhangs bis zu Visionen vom modernen Leben. Dabei spiegelt der Wettbewerb der (besseren) Ideen in Ost und West ebenso verblüffend wie das Wettrüsten. Zwar kommen die Westberliner Wohnbauten der »Interbau« von Le Corbusier, Oscar Niemeyer und Richard Neutra moderner daher als die Stalinallee im Osten der Stadt. Im Nachhinein ließe sich aber durchaus auch lakonisch von einer vorweggenommenen Giebelmoderne post-moderner Prägung sprechen: »Marx was here!«

Merk- und Denkwürdig auch, dass jene »Kitchen Debate«, welche 1959 zwischen Nixon und Chruschtschow aus Anlaß einer Ausstellung in Moskau (»American National Exhibition«) stattfand, heute als Initialzündung für den nachhaltigen Wandel beim Design der modernen Küche anzusehen ist. In dessen Folge hielten Geschirrspüler und »Frigidaire«-Kühlschrank Einzug in das modulare Küchenkonzept. Und seither wird von der »Amerikanisierung der Küche« gesprochen, auch wenn dieser Einfluß in Europa vor allem in Bezug auf die Technik nachweisbar ist.

Messerschmidt–Kabinenroller (Design: Fritz Fend 1955) © Neue Sammlung München + V&A London

»Cold War Modernism« | Aktuelles

Messerschmidt–Kabinenroller (Design: Fritz Fend 1955) © Neue Sammlung München + V&A London

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Das Epitom des Kalten Krieges war mit den Jahren 1961/62 erreicht. Zunächst wurde in Berlin »The Wall« errichtet und nur ein Jahr später befand sich die Welt wegen der Stationierung russischer Raketen auf Kuba am Rande des III. Weltkrieges. Was für die Ausstellungsmacher – und nicht zuletzt dank der Medien – jene Zeit markiert und daher überlebt hat, ist die Imagination eines Ken Adams. Der Set-Designer prägte nachhaltig die Lokationen von Stanley Kubriks filmischen Epos »Dr. Stangelove« oder etwa jene von »Goldfinger«. Nachhaltig? Zumindest im einstigen »Empire«; hat sich doch im Sprachraum ihrer Majestät seither der Begriff des »Martini-Modernism« zur Bezeichnung der Nachkriegsmoderne etabliert.

Die Ausstellungsmacher behaupten, Bond, korrekt »James Bond«, habe in Zeiten einer finsteren Politik der Modernität Ausdruck und damit Hoffnung sowie Zukunft verliehen. Wer das am Zustand der Gestaltung jener Zeit bemisst, käme wohl kaum umhin, den Kuratoren recht zu geben. Stand doch das Design von Dieter Rams (Braun) und Eliott Noyes (IBM) zu jener Zeit unter dem ideologischen Zwang der besten aller Welten und in einer geradezu einmaligen Blüte. Dabei spielt keine Rolle, wenn die Ausstellung etwa George Nelson, Robert Probst (Herman Miller) oder Ettore Sottsass (Olivetti) marginalisiert. Getreu einer im UK von den ehedem deutschsprachigen Emmigranten Ernst Gombrich, Erwin Panovsky und Nikolaus Pevsner etablierten kunstgeschichtlichen Tradition findet alles Raum. Unter den gegebenen Vorzeichen wird es jedoch nur »en passant« berührt.

In Anbetracht der Fülle dessen, was das Bild jener Zeit geprägt hat, werden stattdessen zwei anscheinend sekundäre Gegenstände zum Sinnbild jener Zeit. Bezeichnend: Beide aus dem geteilten, aus »Ruinen auferstandenen« (DDR), Deutschland des »Wirtschaftswunders« (BRD): Der Messerschmitt Kabinenroller, der als Resultat des amerikanischen »Marshall-Plans« und somit auch als Sinnbild des amerikanischen Traums und des »american way of life«, zeitgeistig zu den Weltbildern eines Dr. Seltsam oder James Bond paßt.

Zudem präsentieren die Kuratoren Jane Pawitt und David Crowley als einen der Höhepunkte mit dem »Garden Egg Chair« ein Design, das alles zu einem großen »Revival« mit sich bringt: Produziert wurde der Entwurf in der kapitalistischen BRD. Vermarktet wurde das Stück in der sozialistischen DDR. Sigmund Freud und der Psychologie bleibt es vorbehalten, darin DAS Vorbild für Achille Castiglionis »Grillo« Telefon zu erkennen und zukünftig andere Telefonhersteller des Plagiats zu verdächtigen.

Garden Egg Chair (Design: Peter Ghyczy 1968) © V&A London

»Cold War Modernism« | Aktuelles

Garden Egg Chair (Design: Peter Ghyczy 1968) © V&A London

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Das Ende des Kalten Krieges wurde in Europa nicht zuletzt mit den Studentenunruhen eingeläutet. Mit ihrer Auflehnung gegen jene Strukturen, deren architektonischer Ausdruck sich gerade am zweiten Aufguß einer erstarrten Moderne festmachen ließe. Von Florenz abgesehen, wird dieser Augenblick wohl kaum besser sichtbar als an London, wo zu jener Zeit intensiv um die Neuausrichtung des architektonischen Diskurses gerungen wurde. Wo Peter Cook »Archigram« ins Leben rief. Wo an der »Architectural Association« mit »Haus Rucker & Co« bis »COOP Himmelb(l)au« die Revolution der Architektur gefordert und in Poesie umgesetzt wurde. Und wo sich plötzlich ehemalige Weggefährten an einer Gabelung fanden: Allen voran Alison und Peter Smithson auf der einen Seite, James Gowan und James Stirling auf der anderen.

Entscheidend in jenem Moment: »The one and only« Reyner Banham. Der unvergleichliche Architekturgeschichtler und –kritiker (Schüler von Sir Nikolaus Pevsner), der in Stirlings Ringen um eine technizistische Formensprache DAS Potential der Zukunft erkannte. Diese Allianz war es denn auch, welche der Architektur zu nachhaltigen Impulsen verhalf. Mit Archigram, Norman Foster, Nicolas Grimshaw, Michael Hopkins, Jan Kaplicky, Renzo Piano, Richard Rogers und anderen mehr nahm eine Entwicklung ihren Lauf, die als »HighTech« für Furore sorgte. Und über die Banham später sagen sollte: »A style that almost was«. Womit das Dogma der Moderne endgültig jener pluriversalen Stildiskussion gewichen war, die als Post-Moderne eine neue Epoche markiert.

Jested Fernsehturm Liberec; Arch.: Karel Hubáček (Tschecheslovakei, 1968 – 73) © V&A

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Jested Fernsehturm Liberec; Arch.: Karel Hubáček (Tschecheslovakei, 1968 – 73) © V&A

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