Restaurants, die auf kleinem Raum Grosses bewirken
Brand story von Claire Brodka
04.09.24
Diese vier europäischen Restaurants schaffen es, ihre räumlichen Beschränkungen in Interieurs zu verwandeln, die Kreativität, Charakter und Charme widerspiegeln.
Fotograf: Hermann Rupp
In kleinen Restaurants müssen Designprofis eine Balance zwischen Funktionalität und Stil finden, um Raum zu maximieren, einen effizienten Ablauf für Personal und Gäste zu gewährleisten und eine einzigartige und wiedererkennbare Marke zu schaffen.
In kleinen Restaurants müssen Designprofis eine Balance zwischen Funktionalität und Stil finden, um Raum zu maximieren, einen effizienten Ablauf für Personal und Gäste zu gewährleisten und eine einzigartige und wiedererkennbare Marke zu schaffen.
×Wenn Designmassnahmen auf eine begrenzte Quadratmeterzahl treffen, kann die Gleichung von räumlicher Effizienz und Wirkung selbst durch scheinbar triviale Änderungen leicht umgestossen werden. Leonardo da Vinci mag Recht gehabt haben, als er sagte, dass kleine Räume „den Geist disziplinieren“, aber auf einer stilistischen Miniaturbühne trägt jede Entscheidung ein noch grösseres Gewicht. Hier geht es bei der Innenarchitektur nicht nur um Ästhetik, sondern darum, eine Umgebung zu schaffen, die potenzielle Einschränkungen in Möglichkeiten für Kreativität, Charakter und Charme umwandelt.
Dies gilt besonders für die Welt der Gastronomie. Kleine Restaurants bieten ein intimes und einzigartiges kulinarisches Erlebnis, das sich oft durch persönlichen Service, kreative Menüs und ein Gefühl der Verbundenheit auszeichnet. Es ist jedoch keine leichte Aufgabe, in ihren engen räumlichen Verhältnissen eine unvergessliche Atmosphäre zu schaffen. Designprofis müssen ein Gleichgewicht zwischen Funktionalität und Stil finden, um Raum zu maximieren, einen effizienten Arbeitsablauf für Personal und Kund:innen zu gewährleisten und eine Marke mit Wiedererkennungswert zu schaffen.
Begrenzter Raum bedeutet oft auch begrenzte Sitzplätze, was die Herausforderung mit sich bringt, ein effizientes Layout zu erstellen, das Komfort bietet, ohne dass man sich eingeengt fühlt. Weitere Überlegungen gelten der Akustik, der Beleuchtung und der Farbgestaltung, um eine einladende und ansprechende Atmosphäre zu schaffen. Eine unlösbare Aufgabe? Nicht für diese vier europäischen Restaurants unter 60m2, die ihre strukturellen Fesseln mit einer gekonnten Mischung aus Präzision und Fantasie überwinden.
Fotograf: Oliver Helbig
aerdes „Inneneinrichtung ist ein Beispiel dafür, das Wesentliche hervorzuheben und gleichzeitig eine inhärente Authentizität und Zugänglichkeit zu bewahren.“
aerdes „Inneneinrichtung ist ein Beispiel dafür, das Wesentliche hervorzuheben und gleichzeitig eine inhärente Authentizität und Zugänglichkeit zu bewahren.“
×aerde in Berlin, Deutschland, von fortyeight
Das Interieur von aerde mit 20 Sitzplätzen befindet sich im kultigen ROBERTNEUN-Komplex Am Lokdepot 123 im Viktoria-Quartier der deutschen Hauptstadt und ist inspiriert von der japanischen Kunst, bescheidene Räume in eindringliche Erlebnisse zu verwandeln. Das daraus resultierende Design, das von Keenan Rush und Anselmo Custer unter ihrem gemeinsamen Namen fortyeight entworfen wurde, legt den Schwerpunkt auf stromlinienförmige Materialität und klare visuelle Linien. „Unsere Inneneinrichtung ist ein Beispiel dafür, dass wir das Wesentliche hervorheben und gleichzeitig eine inhärente Authentizität und Zugänglichkeit bewahren wollen“, sagt Rush über das Projekt.
Die doppelte Deckenhöhe und grosse Glasfassade des Restaurants ermöglichen eine kompakte Mezzanin-Küche, die die Komplexität und Innovation ihrer regionalen gastronomischen Produktion nicht erkennen lässt. Ein überdimensionaler Chef's Table und massgefertigter Reispapier-Kronleuchter erden den Hauptspeiseraum, in dem die Dekoration auf ein Minimum beschränkt ist und eine homogene, erdige Farbpalette auf das Äussere des Gebäudes verweist. Die massgefertigten Holzmöbel bieten verschiedene Sitzgelegenheiten, ohne die kleine Grundfläche von 40 m2 dank eines einheitlichen Materialkonzepts zu überwältigen, und versteckte Lichtquellen entlang der lehmfarbenen Wände und der eingebauten Regale verleihen dem Raum zugleich Wärme und Raffinesse.
Fotograf: Przemyslaw Turlej
Die industriellen Merkmale wurden in der gesamten Zrodlo Bar beibehalten, und jedes Einrichtungselement, einschliesslich Licht und Möbel, wurde individuell gestaltet.
Die industriellen Merkmale wurden in der gesamten Zrodlo Bar beibehalten, und jedes Einrichtungselement, einschliesslich Licht und Möbel, wurde individuell gestaltet.
×Zrodlo Bar in Poznán, Polen, von wiercinski-studio
Die Zrodlo Bar wurde aus dem Keller eines Mietshauses von wiercinski-studio mit minimalinvasiven Gestaltungsmassnahmen verwandelt, bei denen die ursprünglichen Ziegelwände und Holzziegelböden erhalten blieben. Neue, unabhängige Strukturen wurden hinzugefügt, um die visuelle Komplexität zu erhöhen und gleichzeitig den Charakter des 45 m2 grossen Raums zu erhalten. Dezente Graphitfarben mit orangenen Akzenten bilden das Farbschema und ergänzen die vorhandenen Materialien und die intensiven Backsteintöne des Innenraums.
Die industriellen Merkmale wurden in der gesamten Bar und im Restaurant beibehalten, und jedes Einrichtungselement, einschliesslich Licht und Möbel, wurde individuell gestaltet. Insgesamt gibt es drei Stahlkonstruktionen, die alle Sitz- und Beleuchtungselemente tragen, um die ursprünglichen Wände nicht zu beschädigen. Im zweiten Raum befindet sich die grösste Konstruktion – ein Rahmen mit Sitzen, die durch eine stählerne „Brücke“ mit Netz und Beleuchtung miteinander verbunden sind. Die „Brücke“ ist auf der Linie der ehemaligen Tür platziert und betont den Übergang zwischen den Räumen. Die Idee der an den Rahmen befestigten Rollen hat viel Platz geschaffen – ein Deckenspiegel schafft zusätzliche räumliche Tiefe und ist das einzige Objekt, das durch intensive Farben und Beleuchtung hervorsticht.
Fotograf: Hermann Rupp
Im Restaurant Salzwasser wird auf engem Raum ein einzigartiges kulinarisches Erlebnis mit Komplexität und Charakter entwickelt.
Im Restaurant Salzwasser wird auf engem Raum ein einzigartiges kulinarisches Erlebnis mit Komplexität und Charakter entwickelt.
×Salzwasser in Kempten, Deutschland, von architektur + raum
Beim Umbau der Salzwasser-Räumlichkeiten durch das lokale Büro architektur + raum stand das Freilegen existierender Strukturen und die Kreation eines stimmungsvollen Ambiente im Vordergrund. Der Natursteinboden des ehemaligen Juweliers wurde erhalten und die auffällige Betonrippendecke mit einem Spritzputz versehen, der in der Nachbehandlung lediglich schwarz gestrichen wurde. Im Zentrum des nur 40m2 grossen Speiseraumes steht ein 7,5m langer Front-Cooking Tresen, durch den Gäste an der Zubereitung einer wöchentlich wechselnden Karte mit regional bezogenen Zutaten sowie selbstgemachter Pasta und Brot teilhaben können.
Ein weiterer Design-Coup: eingeklappt zeichnen zusätzliche Tischplatten in Anlehnung an den Restaurantnamen ein wellenartiges Ornament auf die Tresenfront. Gegenüber der Bar finden weitere Gäste Platz und eine lange Eichenbank sowie ein erhöhtes Podest aus dem gleichen Material greifen die Farbigkeit des erhaltenen Travertinbodens auf. Meerblaue Kacheln verkleiden die Wände und tragen zum allgemein tiefen Farbschema bei, das durch passende Textilien und innovative Kupfer-Deckenleuchten komplettiert wird. Diese sind in Eigenleistung des Besitzers entstanden und vollenden die Wärme und Gastlichkeit des Gesamtkonzepts. Auf engem Raum wird so ein einzigartiges kulinarisches Erlebnis mit Komplexität und Charakter entwickelt, dessen Geschmackserlebnisse durch die Wirkungsstärke des Interieurs nur noch bekräftigt werden.
Fotograf: Imagen Subliminal
Farbe und Materialität sind die wichtigsten Protagonisten in der Gesamtkomposition der Cara Mela Bakery.
Farbe und Materialität sind die wichtigsten Protagonisten in der Gesamtkomposition der Cara Mela Bakery.
×Cara Mela Bakery in Madrid, Spanien, von Casa Antillón
Diese spezialisierte Konditorei befindet sich im Madrider Stadtteil Chamberí. Das Team des Architekturbüros Casa Antillón arbeitete mit zwei gegensätzlichen Raumvolumen, die sich gegenüberstehen, um die visuelle Faszination zu erhöhen und das Beste aus der 50 m2 großen Grundfläche zu machen. Beim Betreten des Raumes werden die Gäste mit einem maßgefertigten, modularen Möbelstück konfrontiert, das seine programmatische Zusammensetzung ändern kann, um als Tresen, Bar, Lager oder Kasse zu dienen, und das zu einer Art Innenfassade wird, die in den nächsten Raum einlädt und überläuft.
Hier schweben Formen in einem monochromen Raum, der durch Materialspiele an den Wänden und multifunktionale Möbel, die sich im Raum entfalten, klare Linien schafft. Die satte Farbpalette verstärkt die dramatische Wirkung des kleinen Raums und wird durch ein kontrastierendes rotes Fenster zur Küche hin ergänzt, das die visuelle Erzählung fortsetzt und die bestehenden Sichtlinien weiter verlängert. Auch hier werden die Besucher eingeladen, hinter die Kulissen des Kochens zu blicken, nicht nur, um Transparenz und ein Gefühl der Teilhabe zu vermitteln, sondern auch, um auf dem begrenzten Raum des Restaurants ein einprägsames Raumgefühl zu schaffen.
© Architonic
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