Virtuelles Siegerpodest – die ICONIC AWARDS 2022: Innovative Interior (2/9)

Warum haben eigentlich Farben eine so grosse Bedeutung – gerade im Interior Design? Vielleicht weil man mit der Entscheidung für eine Farbe – oder für bestimmte Farbkombinationen – den Gesamteindruck eines Objekts stark verändern kann. Das gilt natürlich auch für die Gestaltung von ganzen Räumen. Denkt man zum Beispiel an Böden und Wände, hat man es gleich mit sehr grossen Flächen zu tun, deren Farbwirkung enorm sein kann.

Vor einigen Jahren habe ich die holländische Designerin Hella Jongerius in ihrem Berliner Studio besucht und dazu befragt, wie sie an das Thema Farbe herangeht. Immerhin berät sie seit Jahren den deutsch-schweizerischen Möbelhersteller Vitra und definiert etwa neue, subtile Farbpaletten für die Klassiker im Programm. Aber ganz so einfach, wie es man es sich vielleicht vorstellt, ist diese Aufgabe nicht.

Jongerius gab offen zu: „Manchmal dauert es mehrere Wochen, bis ich die richtige Farbe gefunden habe. Ich sehe mir ein Farbbeispiel morgens an. Dann lege ich es zur Seite. Ich sehe es mir abends an. Dann beschäftige ich mich eine Woche lang gar nicht mehr damit. Das Ganze braucht wirklich Zeit. Plötzlich hab ich die Lösung gefunden, und dann machen wir einen Test. Aber auf einem Stuhl sieht die Farbe plötzlich ganz anders aus. Und dann fängt alles wieder von vorne an.”

Oft sind die Experimentierfreude und die Kompetenzen, die notwendig sind, um eine kreative Idee zur Marktreife zu bringen, der breiten Öffentlichkeit gar nicht bewusst. Daher sind die vom Rat für Formgebung ausgelobten „ICONIC AWARDS: Innovative Interior” so wichtig, um für verstärkte Aufmerksamkeit zu sorgen, sowohl unter Kolleginnen und Kollegen in der Interior-Branche als auch bei Herstellern, die vielleicht nach neuen Kreativ-Partnern suchen.

Die ausgewählten Produkte werden im Zusammenspiel zum Trendbarometer – daher war bislang für mich als Designjournalist der Besuch der Iconic Awards-Ausstellung während der Möbelmesse in Köln immer Pflicht. Leider konnte sie wegen Corona auch in diesem Jahr nicht stattfinden. Aber zum Glück kann man sich auf der Website über sämtliche Preisträgerinnen und Preisträger informieren.

Und gerade mit Blick auf das Thema Farbtrends, kann man dort einiges entdecken. Generell bieten heute die meisten Hersteller Produkte in grossen Farbpaletten an, so können ihre Kunden – beziehungsweise Architekten und Innenarchitekten – wählen, welcher Ton zum jeweiligen Einsatzzweck passt und so das Farbklima eines Interior-Konzepts individuell bestimmen.

Der Meta-Trend bei Farben im Interior-Design heisst also Individualisierung – das bedeutet aber nicht Beliebigkeit. Im Gegenteil. Eigentlich wird es gerade dann spannend, wenn man die genauen Farbtöne, die zur Option stehen sollen, definiert.

Oft sind Farben auch an bestimmte Materialien gebunden, deren glänzende oder matte Oberflächen nicht nur zur Form und Funktion eines Produkts passen müssen, sondern auch auf eine Vielzahl Einrichtungsstile reagieren können sollten. Wie beispielsweise die mit „Winner“ ausgezeichnete Armatur-Serie „Tate” von Felton Industries Limited. Sie ist in einer Vielzahl von Oberflächen erhältlich, die zu diversen Farbschemata passen. Integriertes Licht erweitert noch dazu ihr farbliches Spektrum.

Auch Türkommunikationsanlangen müssen heute zum jeweiligen Farb- und Materialkonzept eines Gebäudes passen. Das minimalistische Gira System 106, das sich flächenbündig einbauen lässt, wurde mit „Best of Best“ ausgezeichnet. Die modular aufgebaute Serie wird in sechs Oberflächen angeboten – darunter zwei verschiedene Silbertöne und sogar ein Kupferton, der in Kombination mit den schwarzen Funktionsmodulen besonders aussergewöhnlich und elegant wirkt.

Im Möbeldesign sind Wahlmöglichkeiten bei Bezugstoffen und Hölzern seit langem eine Selbstverständlichkeit – aber auch hier kommt es darauf an, genau welcher Ton mit der Erscheinung eines Sofas oder eines Sessels harmoniert. Der Grünton des mit „Winner” ausgezeichneten „Moon Chair” von Mac Stopa für Tonon unterstreicht die organische Form der Sitzschale – ja, man fühlt sich hier an Pflanzenblätter erinnert. In einem knalligen Rot wiederum würde diese Assoziation sicher zurücktreten und man würde vielleicht an eine Blüte denken.

Im Kunstunterricht haben wir gelernt, das Schwarz und Weiss „unbunte” Farben sind. Aber gerade dieses Phänomen kann besonders starke Wirkung entfalten: Ein Office Chair wie „Unigamma” von Brune, in klassischem Schwarz, wird wahrscheinlich nie aus dem Mode kommen. Der mit „Winner” ausgezeichnete Stuhl, erhältlich unter anderem mit einem stapelbaren Kufengestell, wirkt in Schwarz absolut zeitlos. Wer es dagegen bunt mag, hat auch hier die Wahl: seine Kunststoff-Schale gibt es auch in Blau, Grün, Rot und Weiss.

Und damit man sich noch ein besseres Bild von aktuellen Farbtrends machen kann, folgen hier weitere, mit den „ICONIC AWARDS 2022: Innovative Interior” ausgezeichnete Produkte, bei deren Gestaltung Farbe eine markante Rolle spielt:

© Architonic