Virtuelles Siegerpodest – die ICONIC AWARDS 2022: Innovative Interior (3/9)

Kaum zu glauben: Ich benutze nahezu täglich ein Elektrogerät, das genau 50 Jahre alt ist und immer noch tadellos funktioniert. Seine klare, zurückhaltende Form und seine ausgewogenen Proportionen scheinen zeitlos. Sämtliche Knöpfe sind übersichtlich angeordnet, jedes Detail wurde mit Bedacht gestaltet. Die Rede ist von meiner Braun-Kompaktanlage audio 310, entworfen von Dieter Rams.

Ich besitze sie schon lange – aber irgendwann wurde mir klar, dass die Einfachheit dieses Designs sich nicht nur auf die äussere Form beschränkt. Ihre Langlebigkeit ist auch das Ergebnis einfacher Reparierbarkeit. Und, fast nebenbei, ist die schlichte Gestaltung dieser Hifi-Anlage ein frühes Beispiel für Universal Design: auch alte Menschen und Personen mit Einschränkungen können sie problemlos bedienen.

Damit werden schon die wichtigsten Argumente klar, warum Einfachheit – auch und gerade heute – ein lohnendes Ziel bei der Gestaltung von Konsumgütern sein sollte. Der lange Lebenszyklus eines Produkts schont die Umwelt, ein inklusives Design erweitert die Zielgruppe, erleichtert das Leben einer Vielzahl von Menschen und eine klare, simple Formensprache ist sozusagen auch ästhetisch nachhaltig.

Viele der vom Rat für Formgebung in diesem Jahr ausgezeichneten „ICONIC AWARDS: Innovative Interior” zeichnet eine Haltung aus, die auf Einfachheit, Qualität und Langlebigkeit baut. Der Wettbewerb schafft für gelungenes Design eine Öffentlichkeit und versteht sich als Plattform für die Vernetzung von Architekten, Produktdesignern und Objektentwicklern mit der Einrichtungsindustrie.

Eine einfache, auf Reduktion von Komplexität ausgerichtete Formensprache ist einer von vier Trends, den der Rat für Formgebung für 2022 auf Basis des Wettbewerbs identifiziert hat. „Less is more” ist wieder, gerade im Bereich Interior, en vogue: „Statt auf poppige Farben, verspieltes Auftreten, verschwenderische Materialien oder tropische Pflanzenmotive setzen Designer auf kühle, gedeckte Farbtöne, eine klare Formensprache und die Reduktion auf das Wesentliche.”

Es hält derzeit – auch vor dem Hintergrund der andauernden Pandemie und der mit ihr einhergehenden Einschränkungen, eine neue Ernsthaftigkeit Einzug – auch im Design unserer Wohnräume. Auf der vom Rat für Formgebung für die „Iconic Awards: Innovative Interior” eingerichteten Website https://www.innovative-interior.de findet sich eine Begründung für diese Entwicklung.

Dort heisst es: „Die neue Einfachheit arbeitet mit einer Betonung filigraner konstruktiver Strukturen und ehrlicher, dezent gestalteter Materialoberflächen. Statt überschwänglicher Geste ist ein Sinn für Understatement das Gebot der Stunde, statt postmodernem »Anything Goes« ist eine Rückbesinnung auf gestalterische Werte des Designs der klassischen Moderne zu verzeichnen: ein Back to Bauhaus.” Schauen wir uns also einmal einige der in diesem Award ausgezeichneten Produkte genauer an. Man wird dabei sehen, dass Einfachheit in Fragen der Gestaltung durchaus grosse Eleganz und Finesse hervorzubringen vermag.

Da ist zum Beispiel der Waschtisch „Möbius” des italienischen Altmeisters Nilo Gioacchini. Hier verwandelt sich eine vertikale in eine horizontale Fläche, die zum Waschbecken wird. Die Jurybegründung der als „Winner” prämierten Einheit: „Die Idee, das berühmte, die Unendlichkeit verkörpernde Möbius-Band in einen Waschtisch zu übersetzen, gelang formal und funktional auf hohem gestalterischem Niveau.” Wiederum eine ganz andere Interpretation von Einfachheit finden wir bei dem modularen Regalsystem „Zero” von Alegre Design S.L., das gleichzeitig als Raumteiler fungieren kann.

Man benötigt hier keine Werkzeuge zur Montage und kann zahlreiche Aufbauvarianten realisieren, deren Elemente recycelbar sind. Dank seiner Flexibilität kann es im Wohnbereich genauso eingesetzt werden wie im Office. Die Jury lobt die Vorzüge des mit „Best of Best” ausgezeichneten Entwurfs so: „Ein in jeder Hinsicht durchdachtes Stauraumsystem, das sich mit seinem minimalistischen Design dezent in unterschiedliche Raumsituationen einfügt und zudem dem Anspruch an Nachhaltigkeit gerecht wird.”

Auch das wandelbare Möbel „Bavul”, entwickelt von Lea Aviani für Prostoria, wurde mit „Best of Best“ ausgezeichnet. Drei aufgetürmte Kissen bilden dabei ein Sitzmöbel, das aufgeklappt zum Bett werden kann, ähnlich einem Diwan. Diese schlichte wie praktische Lösung eignet sich für Hotels, Ferienwohnungen und auch Lofts. Darüber hinaus ist Bavul umweltfreundlich und langlebig.

Die Jury begründet ihre Entscheidung so: „Das Schlafsofa wirkt trotz aller Schlichtheit höchst elegant und hochwertig. Dass es zudem eine hohe Wiedererkennbarkeit geniesst, liegt vor allem an den markanten breiten Lederbändern, welche die Polsterlagen umschliessen und zusammenhalten.”

Doch diese drei Entwürfe sind keine Einzelfälle. Jedes der durchdachten Produkte, die dem Trend „Less is more” folgen und jüngst mit dem „ICONIC AWARDS 2022: Innovative Interior” ausgezeichnet worden ist, hat dies durch sein ganz individuelles Alleinstellungsmerkmal verdient. Simpel ist nämlich nicht gleich langweilig – sondern wie hier deutlich wird: spannend.

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