Architonics Projekte des Jahres 2022: Einzelhandel
Text von James Wormald
20.12.22
Hier sind die fünf meistgeklickten Neueröffnungen von Einzelhandelsgeschäften, für die es sich lohnte, im Jahr 2022 Schlange zu stehen.
Das Green Cloud House von JieJie Studio ist ein friedlicher Teegarten im Inneren der Sheyu World Buchhandlung in Peking, China. Foto: Ahi Xia
Das Green Cloud House von JieJie Studio ist ein friedlicher Teegarten im Inneren der Sheyu World Buchhandlung in Peking, China. Foto: Ahi Xia
×Da es nur noch wenige Tage bis Weihnachten sind, sind Online-Shops vielleicht die sicherere, einfachere und generell attraktivere Option als der Trubel in den weihnachtlich beleuchteten Einkaufsstrassen. Aber die beliebtesten neuen Einzelhandelsgeschäfte des vergangenen Jahres setzen auf hochwertige Oberflächen und Materialien, offene und entspannte Umgebungen sowie interaktive oder überirdische Erlebnisse und beweisen damit, dass das physische Geschäft noch nicht ganz aus der Mode gekommen ist.
Leichte, gewölbte Regale im Furla Concept Store von David Chipperfield Architects lassen die rauen Oberflächen des Ladens mit dem Raum in Dialog treten. Fotos: Alberto Parise
Leichte, gewölbte Regale im Furla Concept Store von David Chipperfield Architects lassen die rauen Oberflächen des Ladens mit dem Raum in Dialog treten. Fotos: Alberto Parise
×Furla Store Concept in Mailand, Italien, von David Chipperfield Architects
Als erster einer Reihe von renovierten internationalen Flagship Stores wurde das Furla-Haus in Mailand von David Chipperfield Architects umgestaltet, um einen ansprechenden Raum zu schaffen, der sich auf Qualität statt Quantität konzentriert: Die luxuriöse, geschlechtsübergreifende Marke für Lederaccessoires residiert nun in einem grossen, 240 m2 grossen Raum. Dadurch, dass die weitläufige Fläche nur spärlich mit Produkten bevölkert ist, behält sie jedoch eine entspannte und kuratorische Atmosphäre.
„Die wiederkehrende Verwendung des Bogens im Inneren des Ladens zelebriert das Erbe der Marke, die in Bologna gegründet wurde, das für seine beachtlichen Vordächer berühmt ist“, erklären David Chipperfield Architects. „Die Wände des Geschäfts sind mit Erde beschichtet, die durch das Mischen verschiedener natürlicher Tone gewonnen wurde. Die rauen Gipswände und das architektonische Bogenmotiv unterstreichen die Existenz der Produkte“ als luxuriöse Schätze, die Verbraucher:innen ausgraben sollen.
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Der Concept Store von Persol verbindet archäologische Architektur mit zeitgenössischem Minimalismus und verweist auf die authentische Position der Marke zwischen Tradition und Moderne. Fotos: Gerhardt Kellermann
Der Concept Store von Persol verbindet archäologische Architektur mit zeitgenössischem Minimalismus und verweist auf die authentische Position der Marke zwischen Tradition und Moderne. Fotos: Gerhardt Kellermann
×Persol in Mailand, Italien, von David Chipperfield Architects
Die architektonische Technik, archäologisch anmutende Innenräume und Oberflächen mit zeitgenössischem Minimalismus und Technologie zu kombinieren, wurde auch bei einem weiteren neuen Store von David Chipperfield Architects im Mailänder Kunst- und Kulturviertel Brera angewendet.
Durch die Dualität seiner Oberflächen repräsentiert das Geschäft räumlich die Eigenschaften der Luxusbrillenmarke Persol. „Der Grundgedanke des Konzepts besteht darin, die authentische Architektur des Standorts durch einen Wiederherstellungsprozess freizulegen, indem geschichtete Gebäudeteile wieder an die Oberfläche gebracht werden, anstatt sie durch neue Renovierungsarbeiten zu verdecken“, erklären David Chipperfield Architects. Gleichzeitig „bilden selbsttragende Aluminiumbeschläge eine Reihe von Wohnungen, die der historischen Architektur gegenübergestellt werden und eine Theaterkulisse schaffen, die Einblicke hinter die Kulissen gewährt, indem sie die Regale, Spiegel und die Beleuchtung tragen und ein Gefühl von Technologie im Kontrast zur Archäologie vermitteln.“
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Vorgeformte Holzverkleidungen und ein grauer Kalksteinboden bilden den Hintergrund für das System von Hängeregalen und Kleiderbügeln im AKRIS Concept Store. Fotos: Alberto Parise
Vorgeformte Holzverkleidungen und ein grauer Kalksteinboden bilden den Hintergrund für das System von Hängeregalen und Kleiderbügeln im AKRIS Concept Store. Fotos: Alberto Parise
×AKRIS in Washington, USA, von David Chipperfield Architects
Die Kuratierung von Qualität in spärlichen Einzelhandelsräumen ist jedoch kein Konzept, das nur in den High-End-Boutiquen Italiens Anwendung findet. David Chipperfield Architects haben dieses Konzept auch auf einen neuen Store für AKRIS – ein internationales Modehaus in Familienbesitz – in Washington, D.C., USA, angewendet.
Hier ist die Leichtigkeit der tragenden Oberflächen und Materialien des Ladens der Schlüssel dazu, dass die Produkte im Mittelpunkt stehen. „Alle Ausstellungselemente sind absichtlich auf ein Minimum reduziert und bestehen aus einer Reihe von gespannten Kabeln, die Regale und Bügel tragen, um die Produkte so zu präsentieren, als ob sie auf magische Weise in der architektonischen Box aus Kalkstein und Holz schweben würden“, erklärt David Chipperfield Architects.
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Das Green Cloud House verwendet sowohl realistische als auch figurative Bezüge, wobei Felsen und Pflanzen die skulpturalen Terrassen und Auslagen ergänzen und einen sinnlichen Garten in einer Berglandschaft schaffen. Fotos: Zhi Xia
Das Green Cloud House verwendet sowohl realistische als auch figurative Bezüge, wobei Felsen und Pflanzen die skulpturalen Terrassen und Auslagen ergänzen und einen sinnlichen Garten in einer Berglandschaft schaffen. Fotos: Zhi Xia
×Green Cloud House in Peking, China von JieJie Studio
Dass das Green Cloud House zu den beliebtesten Retail Stores des Jahres gehört, ist vielleicht eine Überraschung. Bücher waren eine der ersten Produktkategorien, die in den Online-Verkauf übergingen, da der Prozess, einen kurzen Auszug zu lesen und andere, ähnliche Autor:innen zu finden, sich so gut für die digitale Landschaft eignet. Von der ersten Seite an ist jedoch klar, dass die von der Natur inspirierte Umgebung von Green Cloud House keine gewöhnliche Buchhandlung ist.
„Green Cloud House ist nicht nur eine gestalterische Praxis des Gärtnerns im Raum, sondern auch ein Versuch, einen Landschaftsgarten in einem engen Interieur anzulegen“, erklären die Architekt:innen von JieJie Studio. Wie in einem seltsamen, luziden Traum wird den Buchliebhaber:innen das Konzept eines literarischen Teegartens präsentiert: mit Sitzgelegenheiten fürs Lesen, die in einer entspannenden und spirituellen Umgebung verstreut sind, umhüllt von einem bergigen Soundtrack und einer Landschaft mit mehrstufigen Terrassen, Brücken, Pavillons und Wasserspielen: „Die Architektur mit einem Teich in den Wolken und im Nebel ist genau der poetische Ort, den wir präsentieren möchten.“
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Der Gründer von zU-Studio, Javier Zubiria, erklärt, dass der musikalisch interaktive Polette-Laden „ein Moment in der Zeit ist, in dem man nicht nur einkauft, sondern auch einen Augenblick teilt.“ Fotos: polette photography team
Der Gründer von zU-Studio, Javier Zubiria, erklärt, dass der musikalisch interaktive Polette-Laden „ein Moment in der Zeit ist, in dem man nicht nur einkauft, sondern auch einen Augenblick teilt.“ Fotos: polette photography team
×Imagine Polette in Antwerpen, Belgien von zU-Studio
Das Anprobieren von Brillen kann ein monotones und ermüdendes Erlebnis sein, bei dem Verbraucher:innen schnell in Entscheidungsmüdigkeit verfallen. Das Geschäft Imagine Polette in Antwerpen von zU-Studio reagiert jedoch darauf, indem es den Prozess in ein lustiges und interaktives Spiel verwandelt. Anstatt Besucher:innen einen Prozess falscher Selbsteinschätzung zu bieten, ermutigt Polette dazu, die Hemmungen fallen zu lassen und sich gegenseitig durch eine realistischere Linse zu sehen.
Indem Produktständer in schwarze – und Spiegel wiederum in weisse – Klaviertasten verwandelt werden, lädt ein funktionstüchtiges, grossformatiges Klavier die Kund:innen ein, gemeinsam eine Melodie anzustimmen. „Ein Lichtsignal zeigt an, wann die entsprechende Taste zu drücken ist, sodass die Menschen, ob allein oder in Gruppen, in perfekter Harmonie zusammen spielen können“, erklärt zU-Studio die Funktionsweise.
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© Architonic
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