Mit hochwertigen Rohstoffen in der Nähe, einem gemässigten Klima für kreative Freiheit und jahrzehntelangen Investitionen und Innovationen ist die portugiesische Keramik weltberühmt. Dies ist ihre Geschichte – und ihre Zukunft.

Der Portugal-Pavillon in Lissabon ist mit leuchtenden roten und grünen Keramikfliesen verkleidet, die sowohl die portugiesischen Nationalfarben als auch die typischen Keramikfassaden des Landes widerspiegeln. Foto: Viúva Lamego

Die Geschichte von Portugals langer Beziehung zur Keramik – und wie sie weitergeht | Aktuelles

Der Portugal-Pavillon in Lissabon ist mit leuchtenden roten und grünen Keramikfliesen verkleidet, die sowohl die portugiesischen Nationalfarben als auch die typischen Keramikfassaden des Landes widerspiegeln. Foto: Viúva Lamego

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Wenn ein Land für sein berühmtestes Exportgut bekannt wird, kann beides zusammen zum Synonym für Qualität werden. Kombinationen wie französischer Wein, italienischer Marmor und deutsche Ingenieurskunst sind Beispiele für das Gütesiegel der Exzellenz, das allein durch den geografischen Geburtsort eines Produkts entsteht. Portugals berühmteste und leidenschaftlichste Exporte könnten Kork, Fussball oder süsse Leckereien auf Eibasis sein, aber die portugiesische Kultur und Wirtschaft besteht aus weit mehr als nur Fussballspielern und Puddingtörtchen.


Die portugiesische Kultur und Wirtschaft hat mehr zu bieten als Fussballspieler und Puddingtörtchen


Die Beziehung der portugiesischen Kultur zur Keramik ist zwar für die unverwechselbar gemusterten Teller, Schüsseln und Krüge bekannt, die Millionen von Tourist:innen versuchen, auf der Heimreise intakt zu halten, aber nur wenige zahlen die zusätzliche Gepäckgebühr für 50 m2 Keramikfliesen. Das angenehme Klima des Landes, die handwerkliche Tradition und die natürliche Festigkeit, Haltbarkeit und Pigmentierung des portugiesischen Tons haben jedoch dazu geführt, dass hochwertige Keramikfassaden ein unverkennbares Merkmal der portugiesischen Architektur sind. Und das Material wird in die ganze Welt exportiert, sowohl für Aussen- als auch für Innenflächen.

Der portugiesische Nationalpavillon zum Beispiel, der für die Weltausstellung 1998 in Lissabon gebaut wurde, umrahmt die leuchtenden Nationalfarben Rot und Grün mit einer Keramikfassade, die typisch für die Strassen seiner Heimatstadt ist, während auf einer der berühmtesten – der Avenida Infante Santo – sechs farbenfrohe, grafische Wandgemälde die öffentlichen Treppenhäuser entlang eines 500 m langen Abschnitts schmücken. Ich besuchte die Strasse im Rahmen einer von der Portugal Ceramics Group organisierten Tour durch die Region und hatte dabei auch die Gelegenheit, fünf der Familienbetriebe zu sehen, die ihre Keramikfliesenkollektionen für Fassaden und Innenausstattungen auch im Ausland herstellen und exportieren.

Maria Keils Kunstwerk „O Mar“ aus dem Jahr 1959 war das erste auf der Treppe des Infante Santo in Lissabon (oben). Die Keramiker von Viúva Lamego arbeiteten auch an dem Pavillon „Wedding Cake“ (Mitte, unten). Fotos: Viúva Lamego

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Maria Keils Kunstwerk „O Mar“ aus dem Jahr 1959 war das erste auf der Treppe des Infante Santo in Lissabon (oben). Die Keramiker von Viúva Lamego arbeiteten auch an dem Pavillon „Wedding Cake“ (Mitte, unten). Fotos: Viúva Lamego

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Keramiktradition in Lissabon und im Ausland

Das erste Wandgemälde in der Avenida Infante Santo in Lissabon steht seit 1959. Das von der Malerin Maria Keil in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Keramikfliesenhersteller Viúva Lamego entworfene Kunstwerk mit dem Titel „O Mar“ stellt die Beziehung der Stadt zum Meer dar. Das keramische Material der Wand, die eine Palette von nautischen Farben und Formen wie Muscheln, Boote und einen Fischer enthält, hat dafür gesorgt, dass die Farben und Kontraste der Komposition trotz ihres Alters erhalten bleiben.


Das keramische Material der Wand hat dafür gesorgt, dass die Farben und Kontraste von „O Mar“ trotz ihres Alters erhalten bleiben


Das Gleiche gilt auch für Viúva Lamego selbst. Das 164 Jahre alte Unternehmen stellt weiterhin Keramik her, hauptsächlich in Handarbeit, und arbeitet mit Architekt:innen, Designer:innen und anderen Kreativen an einer Vielzahl von Projekten zusammen, darunter der bereits erwähnte portugiesische Nationalpavillon in Lissabon und das Casa da Música von Rem Koolhaas in Porto. Eines der jüngsten Projekte der Traditionsmarke ist ein 12 m hoher skulpturaler Keramikpavillon mit dem Titel „Wedding Cake“ in Waddesdon Manor in Buckinghamshire, Grossbritannien, für den die portugiesische Künstlerin Joana Vasconcelos in den Formenkatalog von Viúva Lamego eintauchen konnte, um mehr als 25.000 Fliesen und Keramikstücke zur Verzierung der Struktur herzustellen.

Die expandierende Fabrik von DOMINÓ (oben), die massgeschneiderten Fliesen von Recer für das Projekt Viadukt Sete Rios des Architekten Augusto Cid (Mitte) und kleinere einfarbige Fliesen von Primus Vitoria (unten)

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Die expandierende Fabrik von DOMINÓ (oben), die massgeschneiderten Fliesen von Recer für das Projekt Viadukt Sete Rios des Architekten Augusto Cid (Mitte) und kleinere einfarbige Fliesen von Primus Vitoria (unten)

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Industrieexpansion

Anstatt in die Vergangenheit zu blicken, konzentriert man sich in der portugiesischen Keramikszene auf die Zukunft. Einige der grössten Fabriken, die sich in den Hügeln zwischen Lissabon und Porto verstecken, haben Wachstum und Nachhaltigkeit im Sinn und auf den Lippen. DOMINÓ zum Beispiel begann 1988 mit einem bescheidenen Sortiment von nur vier Bodenfliesen, wuchs aber schnell und investiert weiterhin in neue Anlagen und Ausrüstungen, um grössere und dickere Formate zu produzieren. Recer hingegen erweitert kontinuierlich seine eigenen umfangreichen Kollektionen und arbeitet mit Designer:innen zusammen, um neue und massgeschneiderte Produkte zu entwickeln, während Primus Vitoria sich stattdessen auf einfarbige Fliesen in kleineren Formaten – maximal 30 x 60 cm – konzentriert, um Architekt:innen und Designer:innen kreativen Freiraum zu bieten und ihren Kund:innen ausdrucksstarke, persönliche Oberflächen zu liefern.

Alle diese Hersteller scheinen jedoch ein weiteres gemeinsames Ziel zu verfolgen. Sie wollen nicht nur die Reichweite der portugiesischen Keramik auf der ganzen Welt ausweiten, sondern dies auch nachhaltig tun, indem sie in Solarenergie investieren, mehr Wasser, Ton und Glasur für die Produktion recyceln und im Fall von DOMINÓ sogar massgeschneiderte Wärmemäntel in die Produktionslinie einbauen.

Blau-weisse Fliesen für Rem Koolhaas Casa da Música (oben), die Fassade von Steak & Shake in Porto (Mitte) und Revigrés Lob der Vivacity-Treppe am Infante Santo (unten). Fotos: Joana Vasconcelos (Mitte)

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Blau-weisse Fliesen für Rem Koolhaas Casa da Música (oben), die Fassade von Steak & Shake in Porto (Mitte) und Revigrés Lob der Vivacity-Treppe am Infante Santo (unten). Fotos: Joana Vasconcelos (Mitte)

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Eine innovative Zukunft für die portugiesische Keramik

Trotz des ikonischen Bahnhofs São Bento und der Casa da Música, die für ihre blau-weissen Keramikoberflächen mit Motiven aus der portugiesischen Geschichte bekannt sind, wirkt Porto im Vergleich zu Lissabon eher jugendlich und lebendig. Die Keramikfassade des Restaurants Steak & Shake in Porto beispielsweise, die von Joana Vasconcelos gestaltet wurde, kombiniert portugiesische grafische Muster mit lebhaften Farben und Skalen in einem Wandbild. Das Kreuzfahrtterminal Leixões in Porto von Luís Pedro Silva Arquitecto, um ein weiteres Beispiel zu nennen, überzieht seine Form mit sechseckigen 3D-Kacheln in zufälliger Anordnung, die sowohl im natürlichen als auch im künstlichen Licht wie die Schuppen eines Fisches schimmern.

Die Fassade des Kreuzfahrtterminals von Leixões wickelt sich wie ein Schal um das Gebäude und glitzert mit ihrer Auswahl an sechseckigen 3D-Fliesen wie die Schuppen eines Fisches in der Sonne. Fotos: Luís Pedro Silva Arquitecto

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Die Fassade des Kreuzfahrtterminals von Leixões wickelt sich wie ein Schal um das Gebäude und glitzert mit ihrer Auswahl an sechseckigen 3D-Fliesen wie die Schuppen eines Fisches in der Sonne. Fotos: Luís Pedro Silva Arquitecto

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Ein weiterer aufstrebender portugiesischer Keramikhersteller, der in die Zukunft blickt, ist Revigrés. Neben aktuellen Trenddesigns und -stilen wie ungewöhnlichen Formen, extragrossen Formaten, dreidimensionaler Keramik und Marmoroptik produziert Revigrés auch die vollfarbige Cromática-Serie ohne Glasur. Die Fliesen, die kürzlich für das Projekt Sagrada Família in Barcelona verwendet wurden, können über längere Zeiträume abplatzen und erodieren, ohne ihre Farbe zu verlieren. Zu den weiteren von Revigrés entwickelten innovativen Merkmalen gehört die Soft Grip-Oberfläche, die sich im trockenen Zustand glatt anfühlt, sich aber im nassen in eine griffigere, rutschfeste Oberfläche verwandelt.

Die vollfarbigen Cromática-Fliesen von Revigrés wurden zertrümmert und als Mosaike für die Sagrada Família in Barcelona verwendet (oben), während die Revisense-Serie der Marke Keramikoberflächen berührungsempfindlich macht

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Die vollfarbigen Cromática-Fliesen von Revigrés wurden zertrümmert und als Mosaike für die Sagrada Família in Barcelona verwendet (oben), während die Revisense-Serie der Marke Keramikoberflächen berührungsempfindlich macht

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Mit weiteren Innovationen wie Revisense – berührungsempfindliche Fliesen für die Hausautomation – und weiteren in Vorbereitung befindlichen Innovationen wie dem Revigmagnetic-System mit magnetisch aufgebrachten Fliesen und einer Methode zur vollständigen Wiederverwertung einmal glasierter Fliesen (wodurch diese vollständig kreisförmig werden) stellen Revigrés und die anderen Fliesenhersteller des Landes sicher, dass die kulturelle Zukunft Portugals die Haltbarkeit von Keramik hat.

© Architonic

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