Von Fassaden bis zu Möbeln: So schaffen Architekten und Designer mit Glas moderne Räume

Der Soundeffekt, bei dem Glas zerbricht, ist seit langem ein fester Bestandteil klassischer Comedy-Routinen. Immer wenn ein leichtes Requisit von der Leinwand oder der Bühne fliegt, zerbricht es einen Takt später unweigerlich durch Glas. Im Moment ist das noch amüsant, wenn auch harmlos lächerlich, aber schon bald wird die Vorstellung, dass der Fussball eines schelmischen Schulkindes durch das Fenster des Nachbarn zerspringt, nur noch mit Missgunst aufgenommen werden.

Der Grund dafür ist, dass moderne Glasprodukte ganz anders sind als ihre Vorfahren. Sie sind stark und stabil, aber dennoch biegsam und können sich auf dem Weg von der Transparenz zur Undurchsichtigkeit genau positionieren. All das sind Eigenschaften, die Glas für alte und neue Anwendungen in der Architektur und im Innenbereich prädestinieren.

Als Aussenfassaden

Glas reflektiert das Sonnenlicht wie kaum ein anderes Baumaterial. Mit Glas verkleidete Gebäude glänzen im Strassenbild einer Stadt wie der sprichwörtliche Diamant in einer rauen Landschaft aus veralteter Architektur. Bei Wohnprojekten wie dem Urca-Penthouse in Rio de Janeiro, Brasilien, bieten riesige Glasschiebetüren einen weiten Blick in die Landschaft. In modernen Bürogebäuden bieten die typisch eleganten Glasfassaden den Direktoren zwar den begehrten Blick auf ihr Eckbüro, aber der zweidimensionale Look ist so allgegenwärtig, dass er schon beinahe langweilig ist.

Das Europ Assistance-Gebäude in Paris, Frankreich, geht noch ein paar Schritte weiter. Mit dem Verbundglas Madras Transparency des Spezialisten Vitrealspecchi wird die Fassade in auffälligen Farbtönen gestaltet, die der Corporate Identity des Gebäudes entsprechen. Anschliessend wird LED-Licht in das Glas eingespeist und über ein Punktmuster gleichmässig auf die Oberfläche verteilt, so dass das Büro bei Nacht ein farbenfrohes Erscheinungsbild trägt.

Als Innenfassaden

Manchmal kann eine grosse Stärke auch eine grosse Schwäche sein. Die überragende Transparenz von Glas macht es perfekt, um die Landschaft und das Sonnenlicht in Innenräumen willkommen zu heissen, aber nicht so sehr, wenn ein wenig Privatsphäre erforderlich ist.

Das Spa Chairama in Bogotá, Kolumbien, kombiniert eine innere Glaswand mit einer schützenden Schicht aus perforiertem Metall. Diese doppelte Haut verleiht dem Gebäude ein schimmerndes Äusseres, während die Glasschicht unter ihrem spitzenartigen Mantel das Licht auf subtile Weise in den Raum eindringen lässt. Obwohl das perforierte Muster ein interessantes Lichtspiel in den Pool- und Behandlungsräumen des Spas erzeugt, gewährleistet die reflektierende Glaswand auch die nötige Privatsphäre.

In Decken

Dank seiner Stärke und Transparenz eignet sich Glas nicht nur für Wände, sondern auch für Dächer. In Gewächshäusern wird Glas schon seit über 100 Jahren eingesetzt, aber da sie auch als „Treibhäuser” bezeichnet werden, ist das natürliche Hitze-Problem leicht zu erkennen.

Das Cafe 27 in Peking, China, löst das Problem des Wärmegewinns, indem es schlanke Holzbögen über seiner Glasdecke anbringt. Die Holzstreifen blockieren und streuen nicht nur die direkte Sonneneinstrahlung, sondern erzeugen auch ein paralleles Muster aus Licht und Schatten. In ständiger Bewegung werden die Streifen Teil eines Innenraummotivs, zu dem auch Wandverkleidungen aus Latten und Pflanzenwände gehören. All das inspiriert zu einer sanften Beziehung zur Natur.

Als Fussböden

Obwohl Glasböden auf den ersten Blick seltsam und sogar beängstigend erscheinen mögen, ist modernes gehärtetes Glas eine architektonische Lösung mit stabiler Sicherheit. Das bereits erwähnte Urca-Penthouse in Rio de Janeiro nutzt Glas sowohl als Fenster zur Welt als auch als vertikales Portal zu anderen Teilen des Hauses. Das Sonnenlicht dringt durch eine Glasdecke in ein Atrium, das von horizontalen Trennwänden mit gläsernen Gängen durchzogen ist.

Die reflektierende Qualität von Glas verleiht der Buchhandlung Guiyang Zhongshuge in Guiyang, China, eine wahrhaft magische, traumhafte Qualität. Der kristallklare, schwarze Glasboden breitet sich wie Tinte aus und umgibt den Besucher mit einer Welt der Literatur, die sich nicht nur über seinen Kopf, sondern auch unter seinen Füssen ausbreitet.

Als Trennwände

Glas ist ein Material, das sich nicht auf die Flügel eines Raumes beschränken lässt, sondern auch in Innenräumen für Glanz und Glamour sorgen kann. Aufgrund seiner Transparenz und seiner akustischen Eigenschaften wird es häufig für Türen, Wände und einfache Raumteiler gewählt. Die Flexibilität von Glas bietet schier unendliche kreative Möglichkeiten, das Material zu formen, zu schneiden, zu mustern und auf faszinierende Weise zu beleuchten, um wunderbare künstlerische und skulpturale Trennwände zu schaffen.

Im Restaurant Moya in Como, Italien, werden beispielsweise schlanke Glasscheiben an der Basis beleuchtet und nach dem Zufallsprinzip wie ein kleiner Glaswald übereinander gestapelt. Der Effekt ist ein auffälliges Dekorationsstück, das den Gastraum mit einer subtilen Verzerrung zwischen den verschiedenen Bereichen ausstattet.

In Möbeln

Glas ist nicht nur eine flache Oberfläche, sondern eignet sich aufgrund seiner natürlichen Eigenschaften wie Langlebigkeit und Hygiene auch perfekt für den Einsatz in hochwertigen Möbeln. Oft handelt es sich dabei um schlichte, minimalistische Tischplatten oder Schranktüren, aber die Violet Blisssuite von In Out Studio ist eine Liebeserklärung an das Material. Die Zimmer des Konzepthotels in Marbella und Barcelona, Spanien sind mit Wandverkleidungen aus Glas, hinterleuchteten Glaskopfteilen, abgehängten Glasleuchten, Glasmosaikböden, die wie ein Plüschteppich an den Wänden emporklettern, gefalteten Glastischen, Doppelwaschbecken aus Glas in den Badezimmern und Glastrennwänden, die Bad- und Bettbereiche voneinander abtrennen, ausgestattet.

Für die Privatsphäre

Man mag bei der Vorstellung, private Räume hinter transparentem Glas einzurichten, die Nase rümpfen, aber Glas ist nach wie vor eines der innovativsten Materialien überhaupt. Bei Sichtschutzglas wird das einst transparente Material mit Flüssigkristallen versehen, die auf elektrischen Strom reagieren. Wenn der Strom fliesst, richten sich die Kristalle aus und das Glas erscheint normal. Wenn jedoch kein Strom fliesst, kehren die Kristalle in ihren vorherigen Zustand zurück und das Glas wird völlig undurchsichtig – mit Aussnahme der Lichtdurchlässigkeit.

Die White Cave Gallery in Peking zum Beispiel ist ein luxuriöses Einzelhandelsgeschäft im parametrischen Stil mit einer topografischen Form. Zu seinen Merkmalen gehört ein VIP-Raum, der, nachdem er die Kunden von der Strasse aus mit einem sichtbaren Display angelockt hat, in der Lage ist, sein Fenster in eine mattierte Barriere zu verwandeln und so einen privaten Sichtbereich für VIP-Kunden zu schaffen.

Von der strukturellen über die dekorative bis hin zur funktionalen Verwendung haben diese modernen Anwendungen von Glas das Image des Materials verändert.

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