Joe Scog: Bei der britischen Leuchtenmarke macht Not erfinderisch

„Warum stellen wir so viel Zeug her?“, fragt sich der eigenwillige Gründer von Joe Scog, Domenico Scognamiglio. „Ich möchte nicht einfach nur etwas um seiner selbst Willen produzieren.“ Joe Scog stellt Leuchten her. Aber die britische Marke entwirft sie nicht nach einem saisonalen Plan, auch nicht, weil eine Messe vor der Tür steht und ein Stand nach aufmerksamkeitsstarken LED-Skulpturen ruft. Die Marke stellt sie her, weil ein Bedürfnis auf eine Möglichkeit trifft, etwas zu produzieren, das den Kohlenstoffgehalt nicht explodieren lässt, indem man versucht, weltweit verstreute Fähigkeiten und Materialien zu nutzen. Und das ist nicht unbedingt etwas, das man zeitlich planen kann. „Ich möchte Produkte herstellen, die nur aus einem Bedarf heraus entstehen.“

Die Herstellung von Produkten nach Bedarf mit lokal beschafften Materialien und Fertigkeiten ist ein Gedanke, der in der Branche zwar nicht selten, aber doch selten konsequent verfolgt wird; es ist kaum der Geschäftsplan von Millionären. Aber Scognamiglio lässt sich nicht beirren. Das jüngste Bedürfnis wird durch die IO Table Lamp befriedigt. Sie folgt auf das letzte „neue“ Produkt der Marke, die Lockdown Task Lamp aus dem Jahr 2020, die entstand, als eine Bestellung für vier Arbeitsleuchten mit geschlossenen Grenzen zusammenfiel und Scognamiglio sich auf inländische Teile und Fähigkeiten besann. Das Ergebnis ist eine fein konstruierte, äusserst elegante, gegliederte Leuchte, deren Schirm aus einem Fertigteil besteht, das auch als Deckenbaldachin für ein anderes Produkt von Joe Scog dient, die Guinevere Pendelleuchte. Davor kam die NYC LED Pendelleuchte, die von der schweren Stahlkonstruktion der Brücken und Eisenbahnbögen in New York inspiriert ist und sparsam aus flachen Aluminiumträgern in Standardgrösse hergestellt wurde.

Abfallvermeidung ist ebenfalls ein treibendes Prinzip hinter IO. „Ja, es ist ein weiterer Globus mit einem Marmorsockel“, sagt Scognamiglio, „aber die, die ich sehe, werden nur eingeführt, weil das Material gerade im Trend ist. Einfach um der Sache Willen“. Der Sockel von IO besteht aus Resten von Küchenplatten aus Marmor, die bei einem Besuch der Steinfabrik HND in Worcester in einem Müllcontainer gefunden wurden, und einer Glaskugel, die in Bromsgrove mundgeblasen wurde. Zuvor kannte Scognamiglio nur Glaskugeln aus Murano, die mit dem notwendigen Gewindehals zum Einsetzen von Beschlägen versehen waren, aber bei einem Besuch in einem Gartencenter in Worcestershire entdeckte er die Arbeit von Stuart Fletcher von Top Glass, und eine neue Partnerschaft war geboren. Es ist ein schwereres, klobigeres Glas als Murano, aber das macht es als Produkt robuster.

Klar ist, dass Scognamiglio alles andere als ein durchschnittlicher Beleuchtungsdesigner ist. Der in London lebende Anglo-Italiener stellt sogar gerne klar, dass er eigentlich kein Designer ist. Er trat in die Fussstapfen seines Vaters, des gleichnamigen „Joe Scog“, machte einen Abschluss in Maschinenbau und arbeitete als Projektingenieur und Zeichner für Beleuchtungssysteme, einschliesslich massgeschneiderter Fertigungsprojekte, was dazu führte, dass er bereits in den 1990er Jahren seine eigenen Designs entwickelte.

Seit 20 Jahren vertreibt er jedoch feine italienische Leuchten im Vereinigten Königreich, wodurch er die Sprache von italienischem Design fliessend beherrscht. Vor einigen Jahren kombinierte er auf Wunsch eines Kunden seine Kenntnisse in den Bereichen Technik und Beleuchtungsdesign mit seinen Kenntnissen über britische Werkstätten, die auf Holz- und Metallteile spezialisiert sind, und fertigte für ihn die Pendelleuchte George. Als Gründungsprodukt von Joe Scog gab die George-Hängeleuchte den Ton für eine Produktlinie an, die aus der Not heraus geboren und nicht nachträglich mit einer Geschichte versehen wurde.

Ein grosser Teil der Vision besteht darin, die Hände der britischen Ingenieur:innen und Handwerker:innen zu beschäftigen, ihr Talent in den Vordergrund zu stellen und auf Bestellung zu produzieren. Scognamiglios eigenes Talent besteht darin, aus Reststücken, Teilen und Prozessen, die er auf seinen Reisen findet, wunderschöne polierte Designs zu entwerfen. Sein Radar ist immer eingeschaltet, wenn er Werkstätten besucht, um Abfallprodukte aufzuspüren, die ein neues Leben im Beleuchtungsdesign finden können. Oder aber um Teile und Fertigkeiten zu entdecken, die nicht unbedingt für die Beleuchtungsindustrie verwendet werden, sich aber an diese anpassen könnten.

Sogar bei seiner Freizeitbeschäftigung, dem Go-Kart-Fahren, ist er eingeschaltet: Als Mechaniker seines Teams hat er entdeckt, dass die Fahrer:innen der Go-Kart-Teams erstaunliche Ingenieur:innen sind, und sie haben ihn mit Leuten bekannt gemacht, die Fähigkeiten wie das Löten von Messing und Bronze haben. „Für sie ist die Welt des Designs ein bisschen blumig und unsinnig, aber sie können mir Lösungen anbieten. Ich schnappe kleine technische Ideen auf.“ Tatsächlich hat er einige Karting-Komponenten in einem massgeschneiderten Beleuchtungsprojekt für Workform verwendet: „Es gibt keinen Grund, warum diese Dinge nicht übertragbar sein sollten.“

Ein Gespräch mit Scognamiglio ist eine wertvolle Lektion darüber, wie ein Schritt zurück aus der Denkweise der Massenproduktion ein Schritt vorwärts sein kann – in Zeiten, in denen Überfluss und Verschwendung die Feinde unserer Umwelt sind.

© Architonic

Im Architonic Magazin finden Sie weitere Einblicke über die neuesten Produkte, Trends und Praktiken in Architektur und Design.