An seinem dritten Standort im ehemaligen Commonwealth Institute findet das Design Museum London ein nahezu perfektes Zuhause.

Die Grossskulptur des ehemaligen Commonwealth Institute auf der Südseite des Holland Parks. Foto: Gravity Road

Artgerecht: Das neue Design Museum London | Aktuelles

Die Grossskulptur des ehemaligen Commonwealth Institute auf der Südseite des Holland Parks. Foto: Gravity Road

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Mit einer Paraphrase auf einen Ausspruch von Andy Warhol liesse sich behaupten: „Das Schönste in New York ist das MoMA. Das Schönste in Wien ist das MAK. Das Schönste in Seoul ist die Dongdaeum Design Plaza. Berlin und Moskau haben noch nichts Schönes.“

Und London? Naja, es gab da einen kleinen weissen Würfel an der Londoner Shad Thames, der sich jedoch, mit den Worten seines Direktors Deyan Sudijc, „nie mit den Ambitionen des Design Museums deckte“. Geholt hatte Sudijc im Jahr 2006 der Grandseigneur des Design im Lande Ihrer Majestät, Sir Terence Conran, von dem es heisst, er habe das Design überhaupt erst einem breiten Publikum in Grossbritannien nähergebracht. Und das unter anderem eben auch mit der Aufgabe, der bis heute privatfinanzierten Institution zu einem besseren Standort zu verhelfen.

John Pawsons Handschrift simpler geometrisch reduzierter Körper – überwiegend aus Holz, um den Charakter einer modernen Kathedrale, wie er sich durch die architektonische Hülle fast schon aufzwängt, noch zu betonen. Fotos: Gareth Gardner

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John Pawsons Handschrift simpler geometrisch reduzierter Körper – überwiegend aus Holz, um den Charakter einer modernen Kathedrale, wie er sich durch die architektonische Hülle fast schon aufzwängt, noch zu betonen. Fotos: Gareth Gardner

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Unter Kuratoren herrscht weitgehend Konsens darüber, dass Architektur und Design traditionell zum Schwierigsten zählen, was an Kreativität oder kulturellen Ausdrucksformen allgemein ausgestellt werden kann. Trotzdem war es Sudijc und seinem Team an der Shad Thames gelungen, etwa mit der permanenten Sammlung „in einen Dialog mit der Öffentlichkeit einzutreten, zum Beweis dafür, wie solch ein Ort zu einem Zentrum des Lernens und der Begegnungen für die nächsten Generationen talentierter Designer werden kann“ (Sudijc).

Nach der Evaluation verschiedener Standorte ergab sich das 1962 fertiggestellte „Commonwealth Institute“ als Option und offensichtlich hatte Sudijc das Potential, welches sich mit dem aussergewöhnlichen – zudem leerstehenden – Gebäude verband, sofort erkannt. Nach dem „Boilerhouse“, dem Geburtsort des Design Museums im Untergeschoss des V&A Museums, dessen Türen 1982 öffneten, ist der neue Standort im Westen des Stadtteils Kensington (in dem sich auch das V&A befindet), der dritte in seiner Geschichte. Nicht irgendeiner, sondern ein nahezu idealer Ort, „um der Entwicklung von einem Spartenmuseum in einer Nische zu einer wichtigen internationalen Stimme in Architektur und Design Ausdruck zu verleihen“ (Sudijc).

“So wenig Design wie möglich“ (Dieter Rams): Blick vom 1. OG in die Lobby; im Vordergrund jene Treppe, die ins Auditorium im UG führt und im Hintergrund einer von zwei Shops des Design Museums. Foto: Gareth Gardner

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“So wenig Design wie möglich“ (Dieter Rams): Blick vom 1. OG in die Lobby; im Vordergrund jene Treppe, die ins Auditorium im UG führt und im Hintergrund einer von zwei Shops des Design Museums. Foto: Gareth Gardner

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Sir Terence (Conran) nannte es bei der Pressekonferenz „eine Kathedrale des Designs“, um gleich anzumerken: „Ich hab’ keine Ahnung, ob das der richtige Ausdruck ist, aber genau so hatte ich mich gefühlt, als ich zum ersten Mal hier war.“ Ein ganz offensichtlicher Ausdruck der Wertschätzung der Gebäudehülle oder – mit den Worten des Architekten Bernard Tschumi – besonders seiner „Verpackung“ (engl. = envelope).

Dem überaus gut vernetzten Sudijc gelang es schnell, ein Team zusammenzustellen, das – wäre hier vom Fussball die Rede – Champions-League-Qualitäten mitbringt: OMA entwickelte und realisierte auf dem Areal des Eigentümers, einer Immobiliengesellschaft, drei Wohntürme mit Luxusappartments. Allies und Morrison renovierten in Kooperation mit dem Ingenieurbüro ARUP sowohl das spektakuläre Dach des Commonwealth Institute als auch dessen markante Fassade. Die in Rotterdam beheimateten Landschaftsarchitekten WEST 8 zeichnen für die Gestaltung des Aussenraums verantwortlich und damit auch für die gelungene Verbindung zwischen dem neu entstandenen Vestibül um das Design Museum, das so zu einem neuen Eingangstor zum dahinter liegenden Holland Park geworden ist.

Die Fassade: saniert mit dem Respekt von Denkmalschützern (oben; Foto: Gareth Gardner). Das neue Design Museum und die „Skyline“ im Westen von Kensington (unten; Foto: Hélène Binet)

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Die Fassade: saniert mit dem Respekt von Denkmalschützern (oben; Foto: Gareth Gardner). Das neue Design Museum und die „Skyline“ im Westen von Kensington (unten; Foto: Hélène Binet)

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Trotz all dem erweist sich die Wahl John Pawsons zur Ausgestaltung des Museums als die zweifelsfrei wichtigste Entscheidung. Pawson, bekannt durch seine Vorliebe „klarer Räume“, ging aus einem OJEU-Prozess als Sieger hervor, in dem sich rund 100 Büros um den prestigeträchtigen Auftrag beworben hatten. Nicht ganz nebensächlich dabei: Er war sich mit OMA’s Projektleiter Reinier de Graaf sofort darin einig, dass es darum gehen müsse, „das Gebäude zu erhalten“.

Pawson siegte, stark vereinfacht, mit einem Programm, das Ausstellungsflächen, Arbeitsräume, Shop usw. auf sechs Etagen (wobei die sechste im II. UG nur als untere Ebene des Auditoriums mit 202 Sitzplätzen dient) und insgesamt 10.000 qm (dreimal soviel wie am vorigen Standort) anordnet, um mit seiner Interpretation von einem ‚Haus im Haus’ „das aussergewöhnliche Vestibül“ (Pawson) des ehemaligen Commonwealth Institute so pur als möglich herauszuschälen. All das mit viel Holz als dominantem Material, inklusive 2.300 qm Eichenholzparkett, um die Atmosphäre einer „Kathedrale des Design“ (Conran) noch zu betonen.

Zweimal Brutalismus pur: Die Schwarzweissfotografie dramatisiert die Hülle noch stärker und verleiht Pawsons zurückhaltender Innenarchitektur den Eindruck, als sei sie schon immer da gewesen. Fotos: Hélène Binet

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Zweimal Brutalismus pur: Die Schwarzweissfotografie dramatisiert die Hülle noch stärker und verleiht Pawsons zurückhaltender Innenarchitektur den Eindruck, als sei sie schon immer da gewesen. Fotos: Hélène Binet

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Wer etwas kritisieren will, muss suchen, um vielleicht an jenen Handläufen aus Edelstahl der Treppen ‚hängenzubleiben’, die zum Auditorium im UG führen. Darauf angesprochen, gestattet sich Pawson einen Moment Bedenkzeit, um in Ruhe zu erklären: „Ich selbst war nie restlos glücklich mit diesen Handläufen. Aber Sie müssen die feuerpolizeilichen Bestimmungen in Grossbritannien beachten und die verlangen nach einem Handlauf, auch in der Mitte einer Treppe“. Womit sich Pawson als wahrer Gentleman erweist, hätte er sich doch auch auf eine jener vielen Ausnahmen berufen können, die alle mit der déformation professionelle der Handläufe in Londons U-Bahnhöfen studieren könnten.

Noch ein paar Zahlen: Nach der jüngst veröffentlichten Statistik des Office for National Statistics, haben 31,5 Mio. internationale und Touristen aus dem Vereinigten Königreich, die London im Jahr 2015 besucht haben, der Stadt zu einem neuen Rekord verholfen. Dank der neuen Lage in Gehdistanz zum V&A und der Serpentine Gallery hofft das Design Museum, 650.000 Besucher pro Jahr anzuziehen. Verglichen mit dem Hammerwert von 5,7 Mio. Besuchern, die allein auf die Tate Modern pro Jahr einstürmen, mag das bescheiden erscheinen. Im Vergleich zu anderen Institutionen, die sich dem Design widmen – etwa Die Neue Sammlung in München (ca. 300.000 Besucher pro Jahr) oder New Yorks MoMA (dessen epochale Ausstellung „Italy – The New Domestic Landscape“ 1972 im Verhältnis ein Ereignis für die Conoscenti war) – steht die Zahl dennoch für ein ambitioniertes Ziel.

Foto: Hélène Binet

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Foto: Hélène Binet

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Tatsächlich ist im Design Museum an der Shad Thames, aber auch andernorts in London, bereits viel geschehen, um ein breiteres Publikum für Architektur und Design zu gewinnen. Klar, dass ein Modedesigner wie Paul Smith (2013) mehr Besucher anzieht als die Design-Ikone Dieter Rams (2009). Gleiches war am V&A zu beobachten, wo David Bowie und Pink Floyd, verglichen mit Ove Arup etwa, Blockbuster waren oder sind. Andererseits wäre es absurd, daraus abzuleiten, Stella McCartneys Werk wäre wichtiger als das von Jonathan Ive oder Shiro Kuramata beispielsweise. Es beweist nur, dass Ticketpreise – 20 bis 24 £ (!!!) im V&A für die Reminszenz an Pink Floyd – und Jahresprogramm feingetunt sein wollen wie der Motor eines McLaren, damit Besucherzahlen und Kasse am Jahresende stimmen.

Und da hat das neue Design Museum durchaus Potential. Wer erinnert noch den Werbeslogan “Vorsprung durch Technik”, einst kreiert als Ausdruck der Überlegenheit deutscher Ingenieurskunst? Heute erscheint „Designed in Britain / by British“ eher als dernier cri. Mann (+ Frau) denke nur an Ron Arad, Jonathan Ive oder Jasper Morrison, Weltklasse-Architekten wie John Pawson, David Chipperfield, ZHA oder die Armada des High Tech (darunter Ewa Jiricna, Amanda Levete, um die Felder nicht als Männerdomäne zu beschreiben). Dazu Produzenten wie Dyson und Vitsoe (UK), Automobilproduzenten wie Aston Martin, Bentley, Jaguar, Land Rover, McLaren und Rolls Royce und Modemarken von Burberry bis Paul Smith, die das Bild abrunden. Ganz abgesehen von aussergewöhnlichen Ausbildungsstätten: etwa der Architectural Association, St. Martin’s oder dem Royal College of Art: Es könnte sehr gut sein, dass die Wahrnehmung dessen, was Architektur und Design leisten können, mehr denn je davon abhängt, was in London gezeigt, diskutiert und gefragt wird – mit dem Design Museum als Hauptbühne.

Von der Kensington High Street aus gut sichtbar: Der vorgelagerte Shop des Design Museums, untergebracht im EG eines von insgesamt drei Wohngebäuden (Architektur OMA). Foto: Luke Hayes

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Von der Kensington High Street aus gut sichtbar: Der vorgelagerte Shop des Design Museums, untergebracht im EG eines von insgesamt drei Wohngebäuden (Architektur OMA). Foto: Luke Hayes

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Nur würde dies ein Stück weit dem traditionellen britischen Understatement widersprechen. Möglicherweise deshalb hat Deyan Sudijc stets betont, dass das Design Museum nicht dazu da sei, als Schaufenster des „Best of British“ zu dienen. Vielmehr sei es eine Plattform für eine globalisierte Designszene. Welch ein Trost, ist es doch dadurch ein Design Museum für uns ALLE.

© Klaus Leuschel für Architonic