Komfortabel umarmt: Das Comeback der gebogenen Möbel

Kurven und ein ausgeprägter Wunsch nach Komfort haben in der Architektur und im Interiordesign ein grosses Comeback erlebt. Geschwungene Linien bieten eine sinnliche Alternative zum strengen, geradlinigen Modernismus, für den Architekt:innen von Antoni Gaudí bis Zaha Hadid einen Präzedenzfall geschaffen haben.

Heute üben diese Formen in Innenräumen und Möbeln eine grosse Anziehungskraft auf Architekt:innen und Designer:innen aus. Ein geräumiger, gemütlicher Sessel ist wie eine willkommene Begegnung mit scheinbar lang vermissten Freund:innen – oder sogar Geschäftspartner:innen.

Auf diesen Trend abgestimmt ist die niederländische Marke Linteloo, die dieses Jahr ihre neue Embrace Collection auf dem Salone del Mobile vorstellte, einer Veranstaltung, die sich für Geschäftsabschlüsse, Networking, Wiedersehen – und, ja, Umarmungen – anbietet. Die Kollektion entstand aus dem Thema, das Linteloo letztes Jahr auf der Mailänder Messe gewählt hatte: „Verbindung.“ Die einladenden Qualitäten von Embrace stimmen mit dem Ziel von Linteloo überein, verlockende, ästhetisch ansprechende, komfortable und fröhliche Möbel herzustellen.

Linteloo wurde 1994 von Jan te Lintelo und seinem Lebensgefährten Lars Nikolajsen im niederländischen Zeist gegründet. Jedes Jahr arbeitet das Unternehmen mit einer Reihe internationaler Designer:innen zusammen, die neue Ideen einreichen, die dann geprüft werden. Te Lintelo, ebenfalls Designer, und sein Kollege Niels Roks, der für das Tagesgeschäft des Unternehmens verantwortlich ist, beauftragen manchmal Designer:innen mit der Gestaltung eines bestimmten Produkttyps. „Die Designer:innen kennen Linteloo gut und ihr individueller Stil passt zu unserer Marke“, sagt te Lintelo.

Die Entstehung von Embrace war organisch. Die Designer entwickeln ihre Ideen unabhängig voneinander, aber wenn sie zum ersten Mal zusammen präsentiert werden, ergeben sich oft gemeinsame Merkmale und Themen. So geschehen bei Embrace, das sich auf vielschichtige Weise mit dem Subjekt der Umarmung auseinandersetzt; weitere Facetten dieser Auseinandersetzung sind ineinandergreifende Elemente und das Nebeneinander von kontrastierenden Materialien.

Die Stücke der Embrace Collection wurden von den Designern Anthony Guerrée, Sebastian Herkner, Sjoerd Vroonland, te Lintelo und dem in New York und Toronto ansässigen Designstudio Yabu Pushelberg entworfen, das von George Yabu und Glenn Pushelberg mitbegründet wurde.

Guerrée hat eine Vorliebe für unerwartete Gegenüberstellungen, was sich auch in seinen neuen Entwürfen widerspiegelt – dem Embrace Esszimmerstuhl, dem Cross Esstisch und dem Alter Tisch. Die Rückenlehne von Embrace bildet eine Schlaufe, die in den massiven Sockel eingebettet ist und dann wieder auftaucht, um eine fast zungenförmige Sitzfläche zu bilden. Dieser einladende Stuhl kann mit Stoff oder Leder bezogen werden. Alternativ können Rückenlehne und Sitzfläche mit unterschiedlichen Stoffen bezogen werden, was die getrennten und doch verbundenen Elemente unterstreicht.

Cross ist komplexer, als seine einfache Form vermuten lässt, dank der subtilen Konfrontierung von Materialien. Ein Kreuz aus strukturiertem Eichenholz, das von einer reich geäderten, opulenten Marmorplatte gekrönt wird, wird von drei Beinen aus Massivholz getragen. Guerrée hat auch eine neue Version seines Tisches Alter table entworfen, mit einer quadratischen statt rechteckigen Platte in zwei Ausführungen. Die eine kombiniert abgerundete und abgewinkelte Ecken, bei der anderen sind alle Ecken abgerundet. Alter scheint eine homogene Oberfläche zu haben, doch seine Platte aus Eichenfurnier besteht aus vier Teilen und sein konisches Bein hat eine charakteristische Einbuchtung.

„Die Rückenlehne, die Sitzfläche und das Untergestell des Embrace-Stuhls scheinen voneinander getrennt und doch miteinander verbunden zu sein“, erklärt Guerrée. „Die Massivholzbeine von Cross kreuzen sich und bieten einen grafischen Rhythmus unter dem Tisch und eine gute Stabilität für die Marmorplatte. Es ist eine Kreuzung aus zwei Materialien – Holz und Marmor, pflanzlich und mineralisch.“

Der Stuhl Icarus chair von Herkner hat zwar eine bequeme Rückenlehne wie der Embrace von Guerrée, ist aber stärker auf die Bedürfnisse der Kund:innen zugeschnitten. Er hat entweder brückenähnliche Beine, die eine geschwungene, fast komplett transparente Basis bilden, oder eine massive Standsäule, die an allen Seiten geschlossen ist. Herkner erklärt die Anspielung auf Ikarus, die geflügelte Figur aus der griechischen Mythologie, die zu nahe an die Sonne flog: „Ich habe den Namen des Stuhls wegen seiner flügelartigen Armlehnen gewählt. Aber die Basis hält den Stuhl sicher auf dem Boden – er sieht nicht so aus, als würde er zu hoch fliegen, anders als Ikarus.“

Einen noch stärkeren Kontrast zwischen Leichtigkeit und Robustheit zeigt der Barhocker Oiseau bar stool von Yabu Pushelberg, der die bestehende Oiseau Collection des Designduos für Linteloo ergänzt. Die gepolsterte Sitzfläche bietet Benutzer:innen ein angenehmes Sitzgefühl, während die minimale Rückenlehne für zusätzlichen Komfort sorgt. Herkner hat auch das Bett Gilbert entworfen, das eng mit seinem gleichnamigen Sofa verwandt ist. Auf den ersten Blick sieht es monolithisch aus, aber sein Kopfteil besteht aus zwei Teilen, was ein subtiles visuelles Paradoxon schafft. Das Bett ist aus Bausteinen zusammengesetzt, die vom Computerspiel Tetris aus den 1980er Jahren inspiriert sind. Doch wie alle hochwertigen Betten erlaubt es der Benutzer:in, in ihm zu versinken.

Der Schwerpunkt der Kollektion auf Komfort wird bei den Sofas Miami und Malibu von te Lintelo besonders deutlich. Ersteres, ein geschwungenes Design, ist von John Donnes Gedicht No Man is an Island aus dem Jahr 1624 inspiriert. Seine Erkenntnis, dass der Mensch ein soziales Wesen ist, findet sich in Miami wieder, das uns ermutigt, die Menschen um uns herum zu umarmen oder uns auf kollektive Erlebnisse, wie etwa Live-Konzerte, einzustimmen, indem wir einfach die Kopfhörer aufstecken. Malibu ist inspiriert von der entspannten Atmosphäre und dem Glamour, den wir mit Los Angeles und den sonnenverwöhnten Stränden von Malibu in Verbindung bringen.

Clamp von Vroonland ist ein expliziter Ausdruck der Formensprache: ein Nachttisch zur Aufbewahrung von Wertgegenständen, der zwei ineinandergreifende Oberflächen – eine aus Metall und eine aus Holz – in unterschiedlichen Höhen aufweist. Diese können je nach persönlichem Geschmack ausgetauscht werden, so dass ein interaktives Design entsteht.

Embrace ist konzeptionell und komfortabel zugleich und erfüllt eine kollektive Sehnsucht nach Körperkontakt und Komfort. Und noch lange nach dem letzten Salone del Mobile wird die neue Kollektion von Linteloo ein kraftvoller Ausdruck unserer Sehnsucht nach Wiederverbundenheit sein.

© Architonic

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