Allen Unkenrufen zum Trotz
Text von Nora Schmidt
Berlin, Deutschland
31.01.08
Sonntag schlossen die Tore der diesjährigen imm cologne. 107 000 Besucher aus 103 Ländern besuchten die diesjährige internationale Möbelmesse in Köln.
Vorletzten Sonntag schlossen die Tore der diesjährigen imm cologne. 107 000 Besucher aus 103 Ländern besuchten die internationale Möbelmesse – eine Bilanz, die sich sehen lassen kann. Trotz der allgemeinen Unkenrufe ist Köln unter den Fachbesuchern noch immer eine der weltweit relevantesten Möbelmessen – in Köln macht man Business, darin sind sich die teilnehmenden Hersteller mit ihren sonst sehr unterschiedlichen Rückmeldungen einig.
Warum die internationale Fachpresse die imm cologne schlechter redet als sie ist, hat sicherlich mit den fehlenden Neuheiten zu tun, die man mittlerweile lieber am Salone del Mobile in Mailand im April präsentiert. Dieser Mangel an „Pressefutter“ ist nicht zuletzt dem zunehmend fernbleibenden Fachhandel, insbesondere dem deutschen, zuzuschreiben. Denn wo weniger Händler, da weniger Neuheiten – und andersherum. Dieser Teufelkreis ist im Wettbewerb mit Mailand schwer zu durchbrechen. In Mailand jedoch ist nicht Platz für alle und die kritische Besucherzahl für einen effektiven Messebesuch ist längst überschritten. Man muss sich schon fragen, wie kurzsichtig ein Teil des deutschen Fachhandels zu sein scheint, die wichtigste Messe „vor der Haustür“ durch wiederholtes Fernbleiben derart zu schwächen. Ein oder zwei Tage müssten im noch so erlebnisreichen Leben eines Fachhändlers drin sein, wenn sich Unternhemen die Mühe machen, für viel Geld nach Köln zu kommen.
Köln versucht trotzdem medienwirksam zu bleiben, was leider nur punktuell gelingt.
Das alljährliche Highlight Ideal House, mit dem man sich Namen wie Zaha Hadid, Naoto Fukasawa oder Particia Urquiola ins Boot holte, fand in diesem Jahr zum ersten Mal nicht statt.
Dafür lud man Ben van Berkel von UNStudio ein, um die Gestaltung der kuratierten Halle 11 in erfahrene Hände zu legen. Der viel versprechende „Urban Masterplan“ des Niederländers stellte sich allerdings als herbe Enttäuschung heraus. Die gemusterte Auslegware und selbstklebende Tapete, die nach einem nicht nachvollziehbaren Prinzip farbig variierte, zog sich durch die Gänge des messetypischen Grundrasters – weder von Urbanität noch von Masterplanung eine Spur. Natürlich ist es eine schwierige Herausforderung, bei weitgehend festgelegten Standflächen, urbane Räume zu erkämpfen – Name und Konzept haben dennoch grosse Erwartungen geweckt. Richtiggehend raumbildend und gelungen hingegen, ist van Berkels „längster Tisch der Welt“. Mit einer gigantischen Länge von 54 Metern schaffte er einen inspirierenden Raum, eine Piazza, die im urbanen Sinne funktioniert hat und von den Besuchern angenommen wurde.
Die Sonderausstellung „Design Deutschland“, vom Rat für Formgebung kunstvoll kuratiert und inszeniert, war eine gelungene Retrospektive deutscher Designgeschichte, die auf die Durchgangswege des Messeboulevards leider nicht die gebührende Aufmerksamkeit fand.
Die Ausstellung "Design Deutschland" wurde vom Rat für Formgebung kuratiert
Die Ausstellung "Design Deutschland" wurde vom Rat für Formgebung kuratiert
×Besonders prominent hingegen wurden die Jungdesigner und Hochschulen vorgestellt. Die sehr lockere Standstruktur machte die gesamte Halle 11.2 zu einem wilden Sammelsurium an frischen Ideen, durch das jeder seinen eigenen Pfad an Eindrücken fand. Kompetenz hat die imm mit ihren [d3] Design Talents bewiesen, eine handverlesene und gut präsentierte Auswahl echter Innovationen.
Das Passagenprogramm bot auch in diesem Jahr nur wenige Lichtblicke, zu „inflationär“ ist die Auswahl der oft völlig willenlosen „Designevents“. Doch der Showroom der Fantastic Fusion zwischen Cor und Kvadrat war auf jeden Fall einen Besuch wert. Bei der Zusammenarbeit ging es vor allem um eine formale Verschmelzungen von Wand-, Boden- und Polstertextilien. Das Ergebnis sind eine Reihe hochwertiger Prototypen, die durchaus neue Formen der Wohnkultur aufzeigen. Unverkennbar sind bei diesem Thema die Verweise auf die 60er Jahre, in denen Designer wie Verner Panton die Wohnlandschaften erfanden und bereits mit Projekten wie dem Hotel-Restaurant Astoria in Norwegen, Wand, Decke, Boden und Möbel mit einem einheitlichen Gestaltungskonzept überzogen.
Die Fantastic Fusion von Cor und Kvadrat, mit Verweisen auf die Sechziger Jahre
Die Fantastic Fusion von Cor und Kvadrat, mit Verweisen auf die Sechziger Jahre
×Im Rahmen von Dornbrachts Culture Projects präsentierte Mike Meiré während der diesjährigen imm cologne in gewohnt inspirierend-mystischer Art die erste Sammlung von Raumklängen zur „Ritual- Architektur“ im Bad. In dem abgedunkelten Raum des SoundSpas lag der Besucher auf einer Liege und konnte sich, fern ab von akustischen und visuellen Alltagseindrücken, von sphärischen Geräusche und architektonischen Projektionen entführen lassen. Das räumlich überzeugende pneumatische Foyer – eigentlich ein inverser Christo – stammte von Plastique Fantastiques.
Das beeindruckende pneumatische Foyer stammte von Plastique Fantastiques
Das beeindruckende pneumatische Foyer stammte von Plastique Fantastiques
×Vielleicht müsste sich die imm cologne vom leidigen Vergleich mit dem grossen Bruder Mailand freimachen. Eher sollte man den überwältigenden Massenevent in Mailand als Chance sehen und sich zielgerichtet davon abheben. Während i saloni aus allen Nähten platzt – zum grossen Ärger der Aussteller übrigens vor allem wegen der wachsenden Zahl an „Designtouristen“ – muss die imm cologne sich auf das konzentrieren, was sie immer war: die Business-Messe mit einem klaren Profil, das Fachbesuchern, also Händlern, Architekten, Innenarchitekten und Planern, eine gute Atmosphäre für konzentrierte Geschäftsgespräche schafft.
Bleibt zu hoffen, dass Köln sein Potenzial nutzt und bewahrt.