Fast 'No Design'
Text von Nora Schmidt
Berlin, Deutschland
25.06.08
Mit seinen fertigungstechnisch trickreichen Entwürfen erlangte der belgische Designer Xavier Lust internationale Anerkennung und gestaltet seit seinem Durchbruch mit ‚le banc’ vor knapp zehn Jahren für namhafte Hersteller wie MDF Italia, Driade, De Padova oder Extremis.
Mit seinen fertigungstechnisch trickreichen Entwürfen erlangte der belgische Designer Xavier Lust internationale Anerkennung und gestaltet seit seinem Durchbruch mit ‚le banc’ vor knapp zehn Jahren für namhafte Hersteller wie MDF Italia, Driade, De Padova oder Extremis.
Wir trafen Xavier Lust während des Salone del Mobile zu einem Gespräch über seine Arbeit und die Entwicklung seines Studios in Brüssel.
Wir sitzen hier in der Triennale, um uns herum sicherlich drei vier weltberühmte Designer, deren Gesicht man aus allen möglichen Magazinen kennt. Wie fühlst Du Dich in dieser Gesellschaft?
Es ist immer schön zum Salone del Mobile nach Mailand zu kommen und Designer aus aller Welt zu treffen. Mit jedem Jahr lernst du immer mehr Leute kennen und immer mehr erkennen dich wieder. Vor allem gefällt es mir mit Kollegen über mein Design zu sprechen. Designer avancieren immer mehr zu Superstars, und sich mit Persönlichkeiten wie Philippe Starck, Ron Arad oder Ross Lovegrove austauschen zu können, ist schon etwas Fantastisches.
Inwiefern lässt Du Dich und Deine Arbeit von der zunehmenden medialen Aufmerksamkeit beeinflussen?
Ich versuche ein bisschen Widerstand zu leisten, aber die Medien sind so ein wichtiger Aspekt in der Arbeit des Designers geworden. Es ist fast unmöglich, sich da raus zu halten.
Für junge Designer ist das wiederum eine gute Chance Beachtung zu bekommen.
Das stimmt. Sie bekommen mehr Beachtung und haben es so gesehen leichter als ich es vor 15 Jahren hatte, als ich mit der Designschule abschloss. Andererseits gibt es auch eine totale Overdose an Informationen. Vor allem über junges Design. Es gibt ja auch viel mehr junge Designer als früher. Und leider ist mit der Masse nicht unbedingt die Qualität gestiegen. Ich sehe viel junges Design, das mich total anödet. Ich habe die Befürchtung, dass für viele junge Designer, das Image im Zentrum des Interesses steht und nicht das Produkt. Aber ich will nicht schlecht reden. Es gibt auch einen Haufen guter junger Designer. Und trotzdem bin ich nicht sicher, ob diese Publicity so viele Vorteile hat, denn die Qualität der Veröffentlichungen spielt auch eine grosse Rolle.
Als ich im Jahr 2000 auf dem Salone Satellite ausstellte, sah ich auf einmal einen älteren Herren unter meiner Aluminium-Bank liegen. Als ich ihn verwundert fragte, ob ich helfen könne, stand er auf und gab mir seine Karte: Es war Terence Conran. Damals waren grosse Produzenten auf dem Salone Satellite unterwegs und suchten nach Talenten. Ich bezweifle, dass das heute noch so ist. Dafür sind umso mehr Medien da.
Gut fangen wir bei null an: Wie hast du damals deinen Betrieb gestartet?
Das war wie gesagt 15 Jahre her. Damals hatte ich keine andere Möglichkeit als kleine eigene Editionen selbst zu produzieren. Es war wirklich schwer. Mit metallverarbeitenden Betrieben zu arbeiten, war nicht einfach. Zumindest in Belgien. Wenn du denen erzählt hast, dass du Designer bist, haben die die Augen verdreht und dich für einen Freak gehalten. Niemand dachte daran, dass man damit Geld verdienen könnte. Also arbeitete ich in meiner eigenen kleinen Werkstatt. Das war eine tolle Erfahrung, weil ich über jeden Arbeitsschritt selbst entscheiden konnte und musste.
Trotzdem, nach vier Jahren wollte ich die Strategie ändern. Schliesslich wollte ich entwerfen und nicht produzieren. Ich habe soviel Zeit mit der Lösung von Produktionsproblemen verbracht.
Kurz nach dieser Entscheidung, mich auf das Design zu konzentrieren, hatte ich die Idee, die später meinen Durchbruch bedeuten sollte, nämlich Aluminium in dieser speziellen Weise zu falten. Das war toll, weil es für mich das perfekte Ergebnis meines Verständnisses von Design war.
Was ist dein Verständnis von Design?
Raymond Loewy hatte eine mir einleuchtende Theorie. Er sagt, dass die Gestaltung eines Objekts eine ästhetische Gleichung ist, die auf vier Parametern basiert. Diese Parameter sind Funktionalität, Schönheit, Produktion/Technologie und Kultur. Sie sind übrigens auch eine gute Methode Design zu analysieren.
Kommen wir auf diese spezielle Falttechnik zurück, mit der du damals so beeindrucktest. Die Erscheinung von 'le banc' machte mich bezüglich Stabilität sehr skeptisch, bis ich dann mal selbst auf dieser Bank sass.
Genau. Die Bank wirkt extrem fragil, ist aber das genaue Gegenteil. Wieder kommt einer der berühmten vier Parameter ins Spiel: Mit meiner speziellen Verarbeitungstechnik optimiert man den Wiederstand des Materials. Auf diese Weise kann man viel Material sparen. Ausserdem benötigt diese Technik kein Molding. Das Investment ist also wahnsinnig gering. Die Form ist ja eigentlich eine Art 'No Design', weil sie nur durch die Bearbeitung des Materilas entstanden ist. Ich hatte nur einen Sketch. Der Rest ist duch der Verarbeitung entstanden. Du benötigst nicht mehr als eine gewöhnliche Faltmaschine und gute, erfahrene Arbeiter. Ja, das war wirklich eine gute Idee, wahrscheinlich die beste, die ich je hatte (lacht).
Wie bist du schliesselich mit MDF Italia in Kontakt gekommen.
Wie gesagt stellte ich dann am Salone Satellite aus. Diese Ausstellung war ganz neu und weltweit einzigartig. Meine Bank 'le banc' war plötzlich in aller Munde, und schliesslich hatte ich die Wahl zwischen drei namhaften Herstellern. Ich nahm mir wirklich viel Zeit, eine Entscheidung zu treffen, schliesslich hatte ich nichts zu verlieren. Nach sechs Monaten kam ich mit MDF Italia ins Geschäft. Ich habe ein sehr gutes auch persönliches Verhältnis zu der Firma. In der Zwischenzeit hielt ich aber nach einer geeigneten Verarbeitungsstätte Ausschau. Ich traute diesen Italienern nicht (lacht). Schliesslich fand ich einen belgischen Betrieb, der noch heute für MDF Italia produziert, aber auch für viele andere meiner Auftraggeber, wie De Padova und Extremis. Eine schöne Verbindung, die sich somit ergab. Ausserdem habe ich durch die örtliche Nähe immer noch etwas mehr Einfluss auf den Verarbeitungsprozess. Das ist mir nach wie vor wichtig.
Was hat sich seit deinem Erfolg an deiner Arbeit geändert?
Nicht so viel. Klar, ich habe sehr viel mehr Aufträge und komme nicht mehr dazu, Ideen, die ohne Auftrag entstanden sind, zu realisieren. Deshalb liegen einige meiner Arbeiten unrealisiert in der Schublade.
Auch Du hast einige Objekte in Galerien.
Ja, einige Entwürfe, die ich gerne realisieren möchte sind für die Massenproduktion einfach nicht geeignet. Heutzutage gibt es glücklicherweise die Möglichkeit, auch diese Arbeiten zu veröffentlichen. In meinen Augen belebt das den Umgang mit Experimenten.
Vielen Dank für das Gespräch, Xavier