"Montags beim Papst"
Text von Nora Schmidt
Berlin, Deutschland
23.02.09
Am 16. Februar 2009 wurde die Ausstellung "Montags beim Papst" im alten Kesselhaus auf dem Wilkhahn-Gelände in Bad Münder eröffnet.
Am 16. Februar 2009 wurde die Ausstellung "Montags beim Papst" im alten Kesselhaus auf dem Wilkhahn-Gelände in Bad Münder eröffnet. Aus dem umfangreichen Nachlass des Designers und späteren Zukunftsforschers Walter Papst werden Prototypen, Modelle und Aufzeichnungen gezeigt.
"Montags beim Papst" im alten Kesselhaus bei Wilkhahn in Bad Münder
"Montags beim Papst" im alten Kesselhaus bei Wilkhahn in Bad Münder
×Zugegeben, Bad Münder ist nicht Köln, und in Ostwestfalen ist das karnevalistische Jeckentum wohl eher nicht zu Hause. Dem eloquenten Kölner Künstler und Busenfreund von Walter Papst, Paul Kamper, fiel es trotzdem nicht schwer, typisch rheinländische Geselligkeit zu verbreiten und mit seinen amüsanten Anekdoten von legendären Karneval-Feiern "Montags beim Papst" hatte er nicht nur alle Lacher auf seiner Seite, sondern erklärte auf diese Weise auch die mitunter schwer fassbaren Gedankengänge des Avantgard- und Karnevalisten Walter Papst.
Ganz im Geiste des Bauhauses und mit dem klaren Bewusstsein für die industriellen Veränderungen jener Zeit war für den Absolventen der Kieler Muthesius Schule das "sozialvisionäre Experiment" stets der Kern seiner Entwürfe. Den dreibeinigen "Brettstuhl" etwa, sein Meisterstück, konzipierte er für den Schulbetrieb, um die ergonomisch bedenklichen Schulbänke aus Kaisers Zeiten aus den Schulen zu vertreiben. Mitte der 1950er Jahre findet Papst in Fritz Hahne, dem damaligen Geschäftsführer von Wilkhahn, einen grossen Unterstützer seiner Ideen. Von 1955-1959 wird der Dreibeiner, dessen gebogene Lehnenform, die konisch zulaufenden Hinterbeine und die Form der Sitzfläche ein vielseitiges Sitzen ermöglichen, von Wilkhahn in mehreren Grössen produziert – der erwartete Einsatz im Schulbetrieb blieb ihm allerdings verwehrt.
Ende der 1950er Jahre entdeckt auch Walter Papst die fertigungstechnischen Möglichkeiten von Kunststoffen wie GFK, und sieht sich mit einem neuen Mass an gestalterischer Freiheit konfrontiert. Parallel zu den bekannteren Wegbereitern des Kunststoff-Zeitalters wie Eero Saarinen, Charles Eames, Verner Panton und Luigi Colani entwickelt Walter Papst eine Reihe von Kindermöbeln und schliesslich einen Klassiker – die "Schaukelplastik". In Anlehnung an das traditionelle Schaukelpferd ist die papstsche Variante eine formale Abstraktion der hölzernen Ikone, denn schliesslich soll das Kind – ganz im Sinne damaliger pädagogischer Ansichten – selbst entscheiden, um welche Art schaukelnden Wesens es sich hier handelt.
Die Plastik wurde zwölf Jahre lang erfolgreich von Wilkhahn produziert und zum 100-jährigen Firmenjubiläum vor einem Jahr in leicht abgewandelter Form wieder aufgelegt.
Blieb ein Experiment: Der GFK-Strandkorb von Walter Papst
Blieb ein Experiment: Der GFK-Strandkorb von Walter Papst
×In diesem Jahr wurde ein weiterer Papst-Klassiker wieder in das Wilkhahn-Sortiment aufgenommen. Das Stück, mit dem alles anfing: der Dreibeiner. Auch hier hat Wilkhahns Produktionsentwicklung noch einmal Hand angelegt, um den Stuhl für die Verarbeitung für Massivholz zu verbessern. So funktioniert die Anbindung der Stuhlbeine und der Sitzfläche über einen Einsatz, eine Art doppelten Boden, der das Quell- und Schwundverhalten des Massivholzes berücksichtigt, die Sitzfläche also nicht mehr reissen kann. Der Dreibeiner wird in zwei Grössen, als Erwachsenen- und Kinderstuhl, angeboten.
Nachdem in den 1970er Jahren die Postmoderne durch weitgehend italienische Gruppen wie Memphis und Alchimia Einzug erhielt und sich Architektur und Design von der Moderne distanzierten, wandte sich Walter Papst der Möbelgestaltung ab und widmete sich einem gänzlich anderen Thema – der Zukunftsforschung. Die "Papst-These" und sein literarisches Hauptwerk "Der Götterbaum", das die Schöpfung der Menschheit abhandelt, sind zwar Ausgangspunkte der kuriosen Flugobjekte, die Walter Papst in diesem Zusammenhang entwarft, erfuhren allerdings bis zu seinem Tod im März 2008 nie die ersehnte Anerkennung.
Die Ausstellung "Montags beim Papst" wird noch bis zum 26. Juni 2009 bei Wilkhahn in Bad Münder zu besuchen sein.