Der Schweizer Designer Beat Karrer erforscht neue Verarbeitungsmethoden von biologisch abbaubaren Kunststoffen

Als man im vergangenen Jahrhundert Kunststoffe und die entsprechenden industriellen Verarbeitungsmethoden entwickelte, war die Euphorie gross. Die Welt begann zu leuchten, in allen erdenklichen Farben. Kaum jemand vermochte die Auswirkungen, die die mineralölhaltigen Kunststoffe in Zukunft auf das globale Ökosystem haben würden, einzuschätzen.
Heute werden weltweit jedes Jahr 225 Millionen Tonnen Plastik produziert. Ihren Siegeszug haben Kunststoffe vor allem ihren unvergleichlichen Materialeigenschaften zu verdanken, denn sie sind leicht formbar, haltbar und vor allem billig. Wahrscheinlich zu billig, denn nur eine geringer Prozentsatz des weitgehend recycelbaren Materials wird wiederverwertet. Abgesehen von einer aus heutiger Sicht blamablen CO2-Bilanz, hat Kunststoff beachtlichen Anteil am globalen Müllproblem. Ein anschauliches Beispiel hierfür sind die Müllstrudel, die sich auf Ozeanen aufgrund kumulierenden Treibguts bilden. Der grösste dieser Müllteppiche liegt zwischen Kalifornien und Hawaii – er wuchs auf die Grösse Mitteleuropas an.

Materialtests mit Biopolymeren, Studio Beat Karrer

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Materialtests mit Biopolymeren, Studio Beat Karrer

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Zu schön ist die Vorstellung, dass sich eines Tages all diese herumtreibenden Plastiktüten und Kunststoff-Flaschen selbst zersetzten.
Wie bei vielen ökologischen Problemen, liegen natürlich auch bei Kunststoffen Alternativen vor. So werden bereits seit Jahren kompostierbare Kunststoffe, die fertigungstechnisch mit den üblichen nahezu mithalten können, entwickelt. Allerdings sind sie der geringen Nachfrage entsprechend noch immer um ein Vielfaches teurer.
Grundlage dieser Biokunststoffe sind so genannte Biopolymere – mehr oder weniger lange Molekülketten, die aus lebenden Organismen, also Pflanzen (Stärke, Zellulose, Pektin), Bakterien (Polymilchsäure) oder Tieren (Gelatine, Wolle, Seide u.s.w) gewonnen werden. Ihnen können festigende und versteifende Materialien wie Naturfasern oder Füllstoffe beigemengt werden.

Verschiedene Materialitäten von Biopolymeren: Zucker – Essig – Brombeeren Gemisch, Stärke – Salz – Wasser Gemisch, Tapioka – Mehl – Salz Gemisch (Farbe: Beeren)

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Verschiedene Materialitäten von Biopolymeren: Zucker – Essig – Brombeeren Gemisch, Stärke – Salz – Wasser Gemisch, Tapioka – Mehl – Salz Gemisch (Farbe: Beeren)

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Das wachsende ökologische Bewusstsein und steigende Mineralölpreise begünstigen den zunehmenden Einsatz biologisch abbaubarer Kunststoffe, besonders im Bereich kurzlebiger Produkte, wie etwa Verpackungen. Trotzdem ist der Anteil noch immer sehr gering.

Filoe aus Reisstärke, Studio Beat Karrer

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Filoe aus Reisstärke, Studio Beat Karrer

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Der Schweizer Möbel- und Produktdesigner Beat Karrer forscht seit längerem an Anwendungs- und Verarbeitungsmethoden von biologisch abbaubaren Kunststoffen. Initialzündung war ein einwöchiger Workshop, den Beat Karrer und sein Team in Zusammenarbeit mit dem Vitra Design Museum im südfranzösischen Boisbuchet veranstaltete. Ziel war es, die Teilnehmer zu einem spielerischen, ungehemmten Umgang mit dem Material zu animieren und ein Bewusstsein für experimentelles Gestalten zu wecken. Biopolymere, die in wenigen Schritten und mit überschaubaren Mitteln aus natürlichen Rohstoffen hergestellt werden können, bieten sich für diese Methodik besonders gut an. Die Ergebnisse des Workshops zeigen, welch beachtliche Werkstoffe man aus organischen Materialien, wie Stärke, Eiweiss oder Zellulose gewinnen kann.

Folie aus Tapioka, Studio Beat Karrer

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Folie aus Tapioka, Studio Beat Karrer

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Expandierte Reisstärke, Studio Beat Karrer

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Expandierte Reisstärke, Studio Beat Karrer

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Expandierte Kartoffelstärke, Studio Beat Karrer

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Expandierte Kartoffelstärke, Studio Beat Karrer

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Zucker – Essig – Brombeeren Gemisch von Michael Kangas, Kartoffelstärke wird gesiebt, Aufgeweichte Weizenkörner werden zerdrückt – klebriger Stärkekleister entsteht

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Zucker – Essig – Brombeeren Gemisch von Michael Kangas, Kartoffelstärke wird gesiebt, Aufgeweichte Weizenkörner werden zerdrückt – klebriger Stärkekleister entsteht

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"Diese ländliche low-tech Umgebung war genau richtig, um einen freien Kopf zu bekommen und bei Null anzufangen. Am ersten Tag haben wir erst einmal gemeinsam 30 Kilogramm Kartoffeln geschält und klein geschnitten. Allerdings nicht um sie zu essen, sondern um die darin enthaltene Stärke zu extrahieren. Der Aspekt der Rohstoffkonkurrenz ist schliesslich bei aller Nachhaltigkeit nicht wegzureden. Es verhungern Menschen auf der Welt und wir forschen daran, unser Take-Away Sushi in Bioplastik aus Kartoffelstärke zu verpacken" so Beat Karrer. Doch trotz aller Unkenrufe ist die weiterführende Forschung aus ökologischer Sicht unbedingt notwendig. In Zusammenarbeit mit dem Biochemiker Michael Kangas, der übrigens Teilnehmer des Vitra Workshops war, testet Karrer nun an industriell umsetzbaren Verarbeitungsmethoden, wie etwa das kontrollierte Verändern der Materialstruktur von Biopolymeren. Erste Entwürfe liegen bereits vor. "Wir verfolgen die Idee, das Material so zu “programmieren”, dass sich Materialeigenschaften und -anmutung aus eigener Energie schon während der Produktion günstig verändern. Ein Produkt aus Biopolymeren herzustellen, welches sich seine Form innerhalb klar definierter Parameter selbst sucht , ist doch eine tolle Vorstellung. Eine der grössten Herausforderungen stellt momentan die Kontrolle des Abbauprozesses dar. Schliesslich soll sich ein Sessel erst auf dem Komposthaufen und nicht schon im Wohnzimmer zersetzten" so der Designer.

Kartoffel schälen - eine fundamentale Arbeit, um die Stärke zu gewinnen

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Kartoffel schälen - eine fundamentale Arbeit, um die Stärke zu gewinnen

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Werkzeugabguss aus Zucker – Essig Gemisch von Karoline Wicht

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Werkzeugabguss aus Zucker – Essig Gemisch von Karoline Wicht

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'Kräutermesserring' aus Serie ‚Produkte für den Kräutergarten‘ von Runa Klock und Julian Lechner. Bestehend aus einem Maisstärke – Öl – Wasser – Wollfaser – Gemisch

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'Kräutermesserring' aus Serie ‚Produkte für den Kräutergarten‘ von Runa Klock und Julian Lechner. Bestehend aus einem Maisstärke – Öl – Wasser – Wollfaser – Gemisch

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Beat Karrer (links), der den Workshop in Zusammenarbeit mit dem Vitra Design Museum organisierte

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Beat Karrer (links), der den Workshop in Zusammenarbeit mit dem Vitra Design Museum organisierte

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Es bestehen bereits erste Kontakte zu namhaften Materialentwicklern, doch Karrer sucht noch immer interessierte Unternehmen, die Ihr Know How zu dieser viel versprechenden Forschungsarbeit beitragen würden. Damit wäre es nicht das erste mal, dass Designer an der Entwicklung zukunftsweisender Materialien beteiligt wären.

Photos by Runa Klock, Tine Kromer, Studio Beat Karrer