Bestuhlte Vorstellung: Pedrali auf dem Salone del Mobile 2017

"Die ganze Welt ist Bühne", schrieb Shakespeare. Und tatsächlich, wenn Sie letzte Woche auf dem Salone del Mobile in Mailand waren, konnten Sie feststellen, dass nicht nur die gesamte Designwelt auf der Bühne war. Die Messe selbst war grösser als jemals zuvor und es gab noch mehr zusätzliche Events, die alle um die Gunst des Publikums wetteiferten.

Für einige ist Mailand eine Komödie. Das perfekte Ereignis im Businesskalender, um – geplant oder zufällig – Branchenkontakte zu treffen und zu socializen (und natürlich, um wundervolle Speisen und hervorragenden Wein zu geniessen). Für andere ist es eher eine Tragödie, dass die epischen Ausmasse der Messe kaum eine tiefergehende, sinnvolle Kommunikation zulassen. Man kann den Salone del Mobile lieben oder hassen, ignorieren kann man ihn nicht.

Eine gute Methode, um sicherzustellen, dass die eigene Botschaft im grossen Rauschen ihre Konturen behält besteht darin – wie jeder gute Schauspiellehrer bestätigen wird – zu projizieren. Pedralis Strategie, um aus der Masse des diesjährigen Salone herauszuragen, bestand in der Kombination aus klarer Markenbotschaft mit aussdrucksstarkem, architektonisch durchdachtem Messestand, starkem Konzept und einer ausgezeichneten Besucherexperience.

Der Hersteller präsentierte einen hochglanzpolierten Stand mit dem Titel "Solid Geometry" – entworfen vom multidisziplinären Mailänder Studio CalviBrambilla. Mit seinen grossen geometrischen Körpern, die wie Schauspieler auf einer Bühne den Raum definierten, wirkte der Stand wie eine Metapher auf die Stabilität des Unternehmens hinsichtlich Produktangebot und Geschäft.

Die einzelnen Elemente funktionierten wie ein Kuckkasten, waren eine kleine Mise-en-Scène für jeweils eine neue Produktkollektion. Ein minimales Narrativ aus plakativen grafischen Hinweisen skizzierte den örtlichen Kontext ihrer Nutzung: ein Pool im sonnenverwöhnten Kalifornien; eine stilisierte britische Landschaft, in der Ferne ein Schloss; eine kaktusgeschwängerte Sonnenuntergangsszene nach mexikanischer Art.

Shakespeare mag seit 400 Jahren tot sein, aber seine Stimme finden wir in Cazzaniga Mandelli Pagliarulos neuer Kollektion "Nym", die die ikonische Typologie des traditionellen englischen Windsor-Stuhls mit Stäbchenlehne überarbeit. Der Name ist ein geschickter Hinweis auf die Figur des Korporal Nym aus Shakespeares "Die lustigen Weiber von Windsor". Die Eschenholzkonstruktion des ersten komplett aus Massivholz gefertigten Stuhls von Pedrali täuscht über seine überraschende Leichtigkeit. Dank der Vorliebe des Designtrios für Materialreduktion und Pedralis fortschrittlicher Produktionstechnologien wiegt Nym gerade mal knapp über 4 Kilogramm.

Die tradtionell aus Hölzern mit rundem Querschnitt hergestellte Rückenlehne des Stuhles wurde ersetzt durch eine aus Stäben mit flacherem, elliptischem Querschnitt. Das bedeutet einerseits geringeren Materialeinsatz und andererseits deutlich mehr Komfort. Jeder der schon mal in einem Stuhl mit offener Rückenlehne aus Rundhölzern gesessen hat wird das zu schätzen wissen.

„Es ist eine Herausforderung, einen bekannten ikonischen Stuhl neu zu interpretieren“, sagt Michele Cazzaniga. „Der Windsor Stuhl hat eine lange Geschichte. Zu sehen, ob wir all die neuen Technologien von Pedrali, wie CNC-Fräsen, maschinelles Dampfbiegen und wasserbasiertes Finishing, auf ihn anwenden können, war für uns fast wie ein Wetbewerb.“ Das Ergebnis ist ein Design, das sozusagen im Haus zuhause ist, sich aber auch in Objektsettings wohl fühlt. Eine Auswahl unterschiedlicher Stuhlgestelle (Eschenholzbeine, schlanke Stahlkufen, Drehgestell mit automatischer Rückstellung) sowie optionale Sitzpolster machen die Kollektion sehr anpassungsfähig.

In der Inszenierung von Patrick Jouins neuer Outdoormöbel-Kollektion Reva war mehr als ein kleiner Hinweis auf California Dreaming untergebracht. Das Dreisitzer-Sofa, der Loungesessel und der Liegestuhl des gefeierten französischen Designers wurden in einem stilisierten hockneyesken Poolsetting präsentiert. Die Outdoormöbel, die fast wie Indoormöbel wirken erzeugen eine lebendige Spannung zwischen minimal und maximal: die grosszügig dimensionierten, üppig gepolsterten Sitze scheinen fast zu schweben dank der optischen Leichtigkeit des architektonischen Rahmens aus extrudiertem Aluminum und den vertieften, sich verjüngenden Beinen.

"Der Aussenbereich ist zu einem Teil des Hauses geworden", erklärt Jouin, "weil wir alle das starke Bedürfnis haben, zu atmen. Die beiden Bereiche werden nur durch ein bisschen Glas voneinander getrennt. Also hatten wir die Idee, den Komfort von Innen auch nach Aussen zu bringen." Mit Sitzflächen und Rückenlehnen, die dem Nutzer folgen, wenn er seine Position ändert, beweglichen Kissen und der Möglichkeit, die Sonnenliege in ein Sofa zu verwandeln liegt die Betonung eindeutig auf Komfort und Anpassungsfähigkeit. "Die Sonne bewegt sich pausenlos. Man will natürlich in der Lage sein, sich dem anzupassen."

Jouin sieht das Potenzial, die Reva-Kollektion mit Pedralis breit gefächertem Produktions-Know-How zu einem viel grösseren System weiterzuentwickeln. "Sie haben keine Angst davor, in eine Form zu investieren, in neue Werkzeuge oder sogar neue Technologien. Sie sind Experten für viele Materialien einschliesslich Holz. Pedrali ist sehr flexibel, was einem als Designer viele Möglichkeiten eröffnet. Das ist selten. Das ist echtes Industriedesign. Nicht nur Design."

Ende des ersten Aktes.

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