Die Futuristen: Pedrali

Monica Pedrali meint es ernst mit dem Geschäft.

Auf ihre Einladung hin reise ich mit meinem Architonic-Kollegen von Zürich nach Bergamo. Wir möchten uns vor Ort die gleichnamige italienische Möbelmarke sozusagen in Aktion ansehen: in ihrer High-Tech-Produktionsanlage. Dort angekommen verschwendet die lebhafte Sales- und Marketingchefin (und Tochter des Firmengründers Mario Pedrali) keine Zeit, uns ins detailliert gezeichnete Bild zu setzen.

"Pedrali liegt in einem sehr reichen Gebiet", erklärt sie. "Einerseits schöpfen wir aus dem traditionellen Know-how dieses Teils der Lombardei in industrieller Produktion – früher Textil, heute Stahlproduktion und Spritzkunststoff für die Auto- und Möbelindustrie. Andererseits sind wir beeinflusst vom kreativen Zentrum Mailand mit seiner ikonischen Designpraxis, seinem Polytechnikum, der Triennale, dem Salone und so weiter. Dieser Kontext und unser Engagement von Anfang an, als mein Vater 1963 das Geschäft gründete bis hin zu den Investitionen in die neueste Technologie (um Energie zu sparen, Performance zu optimieren und wettbewerbsfähig zu bleiben) haben uns erlaubt zu wachsen. Wir haben nun 250 Angestellte und konnten vor zehn Jahren eine dezidierte Holzverarbeitungsfabrik in Manzano, Udine, eröffnen, die wir kürzlich erweitert haben."

Das Wort redselig kommt mir in den Sinn, während ich emsig meine Notizen mache ("Die Leute sagen ich rede zu viel", Monica lacht.). Aber was man schnell merkt ist, dass das alles andere als einstudiertes Sales- und Marketinggerede ist. Es ist authentische Leidenschaft. Und es ist doch so: Wäre man selbst Teil einer Erfolgsgeschichte wie derjenigen von Pedrali, hätte man sicher auch eine Menge zu erzählen. Hinter den anspruchsvollen Kollaborationen mit Designern (etablierten und Nachwuchstalenten) die es verstehen, die Produktionsexpertise der Firma wirklich auszunutzen und hinter den fotogenen Messeständen, da gibt es eine Ebene, die dieses Business bewusst darauf ausgerichtet hat, so innovativ, fein gearbeitet und nachhaltig zu sein wie seine Produkte.

Der Markenslogan "Made in Pedrali" sagt alles. Er zieht einerseits den Hut vor dem Erbe und kulturellen Wert italienischen Designs und stellt die Tatsache heraus, dass Pedrali nie auch nur einen Aspekt seiner Produktion ausgelagert hat. Tatsächlich hat Pedrali hat es im Lauf der Zeit geschafft, so viel wie möglich von der Lieferkette zu kontrollieren. Die benötigten Materialien werden mehrere Jahre im Voraus gekauft und das innovative Denken der Forschungs- und Entwicklungsabteilung wird unermüdlich in eigene Produktionstechnologien übersetzt. Pedrali macht kein Geheimnis aus der Tatsache, dass die Firma verstärkt in einen vollautomatischen Maschinenpark mit state-of-the-art Robotern investiert, die 24 Stunden am Tag arbeiten und dabei höchste Qualität, Präzision (und natürlich Effizienz) liefern. "Vor 20 Jahren haben hier 70 Schweisser gearbeitet", erklärt Monica. "Jetzt sind es nur noch neun. Unser Team ist heute viel mehr damit beschäftigt echten Mehrwert zu erschaffen. Monitoring, Veredelung, Überprüfung."

Und zu überprüfen gibt es eine Menge. Pedrali hat sich erfolgreich seine Position als einer der wichtigsten und, vor allem, verlässlichsten Designhersteller für Architekten auf der Suche nach ausdrucksstark designten, zeitgemässen Möbeln erarbeitet. Verlässlich ist Pedrali nicht nur in Bezug auf Qualität und Langlebigkeit, sondern auch hinsichtlich seiner Lieferkapazitäten. Tausenderstückzahlen sind ständig auf Lager und dank der optimierten Prozesse kann auch jeder noch so grosse Objektauftrag innerhalb weniger Wochen erfüllt werden. Eine unglaubliche Kollektion von 85.000 verschiedenen Formen, die zudem in unterschiedlichen Farben, Polsterungen und Finishes geordert werden können, bedeutet kompromisslose Lösungen für Kunden, die mit kritischen Projektdeadlines zu tun haben.

Der Spaziergang durch Pedralis Fabrik in Bergamo mit Monica und ihrem Team ist selbst für einen erfahrenen Design-Redakteur wie mich ein echter Augenöffner. Laserschnitt, Biegen, Schweissen, Pulverbeschichten, Kunststoffspritzguss, grösstenteils automatisiert durch eine Schar superagiler Roboter und smarter Maschinen (das Unternehmen investiert mindestens 10 Mio. Euro pro Jahr in neue Technologien) bilden eine industrielle Landschaft, die geprägt ist durch höchste Produktivität und Abfallvermeidung. Formen die mehrere Tonnen wiegen und bis zu 600.000 Euro kosten werden ohne Unterlass in Position und wieder hinaus gebracht. Oh, und es ist heiss!

In regelmässigen Intervallen rollt ein Skytrain über den Köpfen durch mehrere Fabrikgebäude und verbindet die Fertigungsbereiche mit Pedralis neuer, 85.000 qm grosser Logistikanlage. Deren texturierte Fassade – entworfen von den Mailänder Cino Zucchi Architects – mit über 5000 kugellabyrinthartigen Elementen in verschiedenen Grüntönen wechselt die Farbe mit dem Tageslicht. Die voll automatisierte Lagerhalle wurde von Pedralis in-house Team in Zusammenarbeit mit dem italienischen Materialtransport-Spezialisten System Logistics geplant und ist eine wahre Industriekathedrale. Mit Platz für 17.000 Paletten ist die Halle Zuhause für fünf Roboter, die rund um die Uhr fertige Produkte und halbfertige Komponenten in perfekter Choreographie einlagern und abrufen – in einem Objekt von 135 Metern Länge und 29 Metern Höhe.

Im Wesentlichen ist die neue Anlage genauso sehr ein Stück Produktdesign, wie sie ein Stück Architektur ist. Erdacht von innen nach aussen ist sie eine hightech Produktentwicklung – eine Maschine – die mit einer architektonisch expressiven Haut bezogen wurde. Das funktioniert eindeutig auch als Metapher für Pedralis grundlegenden Designansatz: immer tadellos geplant, fit für den Einsatz, aber mit höchstem ästhetischem Wert. Designspitzenleistung, kurzgefasst.

Diese Strenge zeichnet nicht nur die Produktion, sondern auch die Arbeitsweise des Unternehmens aus. Pedrali verpflichtet sich seit einigen Jahren selbst, eine führende Position im Bereich Umweltschutz und soziale Verantwortung einzunehmen. Es kommen zu 100% wasserlösliche Lacke zum Einsatz, sämtliche Büros und Produktionsstätten werden mit LED beleuchtet und Pedrali ist vollständig ISO-14001-zertifiziert. Das heisst, es kommt auf ganzer Linie ein bewährtes Umweltmanagementsystem zum Einsatz. Alle Produktionsprozesse sind zertifiziert. Von jeder Abteilung wird erwartet, dass sie jährlich ein Budget zu reduziertem Energieverbrauch präsentiert. "Das war eine grosse Investition für uns", erklärt Monica, "aber wir sind der festen Überzeugung, dass es gut für das Geschäft ist. Für alle Geschäfte. Die Einhaltung dieser Standards ist nicht nur eine kosmetische Übung. Es ist ein wichtiger Bestandteil unserer Nachhaltigkeitsstrategie.“

Die Altstadt von Bergamo wurde gerade von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt. Pedrali ist ein Kind dieser Stadt und mit seiner langfristig vorausschauenden Strategie, dem klugen, kreativen und agilen Geschäftsansatz zudem fit für alle zukünftigen Herausforderungen.

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