Die beste Medizin: neue Architektur im Gesundheitswesen
Text von Peter Smisek
19.02.20
Die Fähigkeit der Architektur, das Wohlbefinden zu beeinflussen, findet ihren vielleicht grössten Nutzen im Bereich der Gesundheitsfürsorge. Durchdachte, empathische Designentscheidungen können hier eine zutiefst positive Wirkung auf die Patienten – und auf die Mitarbeiter – entfalten.
Das New Stanford Hospital von Rafael Viñoly Architects hat einen ausgedehnten Dachgarten mit Panoramablick auf die umliegende Landschaft. Foto: Will Pryce
Das New Stanford Hospital von Rafael Viñoly Architects hat einen ausgedehnten Dachgarten mit Panoramablick auf die umliegende Landschaft. Foto: Will Pryce
×Krankheiten und ihre jeweiligen Behandlungsmethoden werden zunehmend ganzheitlich betrachtet, wobei die Forschung zeigt, dass die Qualität der Umgebung in Innenräumen und insbesondere die Sicht auf die Natur einen erheblichen Einfluss auf die Dauer des Heilungsprozesses haben kann. Als Reaktion darauf wird von Architekten vermehrt gefordert, Einrichtungen des Gesundheitswesens so zu gestalten, dass sie diesen veränderten Schwerpunkt widerspiegeln: Innenräume erhalten mehr Aufmerksamkeit und werden im wahrsten Sinne des Wortes erbaulicher und einladender gestaltet, Aussenräume werden besser in die Planung integriert, es wird mehr Raum für Beratungen und gemeinsame Therapiesitzungen eingeplant.
Die Gesundheitseinrichtung des EMBT-Zentrums Kálida Sant Pau von Miralles Tagliabue verfügt über einen geschützten Garten mit einem weitläufigen Vordach aus Stahl und Holz. Fotos: Marcela Grassi
Die Gesundheitseinrichtung des EMBT-Zentrums Kálida Sant Pau von Miralles Tagliabue verfügt über einen geschützten Garten mit einem weitläufigen Vordach aus Stahl und Holz. Fotos: Marcela Grassi
×Diese neuen Gesundheitseinrichtungen werden nicht immer als eigenständige Projekte gebaut, sondern ergänzen oft bestehende Gebäude und Dienstleistungen. Das von Miralles Tagliabue EMBT entworfene Zentrum Kálida Sant Pau in Barcelona ist ein Förderzentrum für Krebspatienten im benachbarten Sant Pau-Krankenhaus aus dem 19. Jahrhundert. Der kompakte, pavillonähnliche Baukörper weist eine verspielte Ziegelfassade auf, die von dem extravaganten Jugendstil-Krankenhaus nebenan inspiriert ist, während der beruhigende, von Patricia Urquiola eingerichtete Innenraum um einen doppelt so hohen Gemeinschaftsraum herum angeordnet ist und eine Fülle von Holzdetails vor strahlend weissem Putz aufweist.
Snøhettas Outdoor Care Retreats vermitteln das Gefühl eines skandinavischen Ferienortes in den Wäldern und bieten eine willkommene Alternative zu konventionelleren Gesundheitseinrichtungen. Fotos: © Ivar Kvaal
Snøhettas Outdoor Care Retreats vermitteln das Gefühl eines skandinavischen Ferienortes in den Wäldern und bieten eine willkommene Alternative zu konventionelleren Gesundheitseinrichtungen. Fotos: © Ivar Kvaal
×In Südnorwegen entwarf das Architekturbüro Snøhetta die Outdoor Care Retreats, eine Reihe von vorgefertigten Holzhütten. Diese werden als Rehabilitationsräume für Langzeitpatienten aus der Kinderpsychiatrie des nahe gelegenen Universitätskrankenhauses Oslo genutzt. Im Gegensatz zum Krankenhaus sind diese kleinen Gesundheitseinrichtungen jedoch sorgfältig in die bewaldete Landschaft integriert und bieten den Kindern Raum zum Spielen, abseits der institutionellen Umgebung.
Wie man am New Stanford Hospital von Rafael Viñoly Architects in Kalifornien sehen kann, können selbst grosse Gesundheitseinrichtungen so gestaltet werden, dass sie den veränderten Fokus auf positive Innen- und Aussenräume widerspiegeln. Fotos: Will Pryce
Wie man am New Stanford Hospital von Rafael Viñoly Architects in Kalifornien sehen kann, können selbst grosse Gesundheitseinrichtungen so gestaltet werden, dass sie den veränderten Fokus auf positive Innen- und Aussenräume widerspiegeln. Fotos: Will Pryce
×Architekten entwerfen zunehmend grosse Gesundheitszentren mit ähnlichen Anliegen. Das New Stanford Hospital von Rafael Viñoly Architects kombiniert modernste medizinische Einrichtungen und Geräte mit 368 Zimmern und einem flexiblen, erweiterbaren Layout. Aber mit Patienten- und Wartezimmern mit Panoramablick auf die umliegende Landschaft, einem lichtdurchfluteten zentralen Atrium und einem ausgedehnten Dachgarten integriert diese Gesundheitseinrichtung nahtlos Funktionalität mit sorgfältig durchdachter Ästhetik.
Das Innere des Maggie's Cardiff von Dow Jones Architects besteht aus Holzwänden, polierten Betonböden und weissen Decken, die eine robuste, aber einladende Architektur für das Gesundheitswesen schaffen. Fotos: Anthony Coleman
Das Innere des Maggie's Cardiff von Dow Jones Architects besteht aus Holzwänden, polierten Betonböden und weissen Decken, die eine robuste, aber einladende Architektur für das Gesundheitswesen schaffen. Fotos: Anthony Coleman
×Eine weitere kleine Einrichtung ist das Maggie's Cardiff in Wales, das von Dow Jones Architects entworfen wurde. Das Gebäude dient Beratungs- und Gruppentherapiesitzungen für Krebspatienten des nahe gelegenen Krankenhauses und hat die Form eines kleinen, verwitterten Wellblechschuppens der auf einem dreieckigen Grundstück gebaut wurde. Der halboffene Innenraum wird durch einen kompakten, geschlossenen Garten betreten und verfügt über zwei kleine Beratungsräume, einen Raum für ruhige Kontemplation sowie ein offenes, gemeinschaftliches "Wohnzimmer", alles unter einem verspielt geneigten Dach. Das Gebäude ist das jüngste in einer Reihe von Maggie's Cancer Care Centres in ganz Grossbritannien, die alle von bekannten Architekten als Kontrapunkt zu typischen Krankenhausumgebungen entworfen wurden.
© Architonic