Du bist so anders: Umnutzung als architektonisches Projekt
Text von Peter Smisek
24.04.18
Alte Gebäude verlieren oft ihren Nutzen. Statt sie jedoch abzureissen werden sie – ob aus Gründen des Denkmalschutzes oder der Landschaftspflege – immer öfter kreativ an einen neuen Zweck angepasst.
The Department Store, London (GB), Squire and Partners (2017); Foto: James Jones
The Department Store, London (GB), Squire and Partners (2017); Foto: James Jones
×Was früher die Domäne einiger weniger Traditionalisten war, hat sich zu einem neuen, spannenden Trend entwickelt: Aus alt mach neu. Die Rede ist nicht von blosser, oftmals mühseliger Renovierung bröckelnder Denkmäler. Das Ziel der kreativen Umnutzung (adaptive reuse) ist vielmehr die Schaffung neuer Raumerlebnisse mit starkem, eigenem Charakter und unerwarteten Details bei gleichzeitig hoher Nachhaltigkeit.
Ein gelungenes Beispiel hierfür ist The Department Store im Süden von London. Für ihre neue Firmenzentrale in Brixton haben Squire and Partners einen 111 Jahre alten Einzelhandelspalast in einen spektakulären Kreativ-Workspace verwandelt. Zwar wurde das Gebäude bis auf das Wesentliche entkernt, die Architekten verfolgten aber einen selektiven Ansatz und achteten sorgsam darauf, Patina und altersbedingte Verfärbungen zu erhalten. In enger Zusammenarbeit mit lokalen Handwerkern wurde zudem das zeitgemässe Mobiliar gefertigt, das den grossen Räumen ein modernes Flair verleiht. Neu geschaffene Auslassungen und Deckenlichter sorgen für die nötige Raumdramaturgie.
Squire and Partners verfolgten einen eklektischen Ansatz zur adaptiven Umnutzung. Alte Details wurde behalten: Von den ursprünglichen Treppengeländern der edwardianischen Ära bis hin zu Graffiti der letzten Bewohner des Gebäudes. Fotos: James Jones
Squire and Partners verfolgten einen eklektischen Ansatz zur adaptiven Umnutzung. Alte Details wurde behalten: Von den ursprünglichen Treppengeländern der edwardianischen Ära bis hin zu Graffiti der letzten Bewohner des Gebäudes. Fotos: James Jones
×Ebenfalls in London findet sich der Apartmentkomplex Gasholders London – entworfen vom Architekturbüro WilkinsonEyre – inmitten einer Ansammlung alter Industrieanlagen nahe King‘s Cross Station. In dem ehemals rauen Umfeld von Bahnhöfen und Fabrikanlagen haben die Architekten in den ikonischen, denkmalgeschützten Stahlrahmen ehemaliger Gasspeicher runde Apartmenthäuser errichtet. Innen sind die Gebäude mit modernstem Komfort ausgestattet. Die Fassaden jedoch mit ihren perforierten Metallblenden haben viel von der ursprünglichen, viktorianischen Industrieästhtetik beibehalten.
Durch adaptive Umnutzung schufen WilkinsonEyre ein charakterstarkes Projekt mit hohem Wiedererkennungswert innerhalb eines neu entstandenen Wohnareals. Fotos: Peter Landers
Durch adaptive Umnutzung schufen WilkinsonEyre ein charakterstarkes Projekt mit hohem Wiedererkennungswert innerhalb eines neu entstandenen Wohnareals. Fotos: Peter Landers
×Das Konzept der adaptiven Umnutzung alter Industriebauten fordert die Vorstellungskraft der Architekten immer wieder auf Neue heraus, was zu völlig unerwarteten, einzigartigen Ergebnissen führen kann. So auch im Fall eines grossen 50er-Jahre-Hafenkrans in Amsterdam, den das Büro von Edward van Vliet zu einem exklusiven Ferien-Apartment umgestaltet hat, das seinen Gästen eine aussergewöhnliche Amsterdam-Erfahrung bietet. Nicht nur das Alte sorgt hier für den besonderen Charme. Auch die farbenfrohen Details der Anbauten machen aus dem eigenwilligen Projekt ein unerwartet verspieltes Ganzes.
Der Raum in dem von Edward van Vliet umgestalteten Kran mit Kabine mag verhältnismässig limitiert sein, doch die ungewöhnliche Lage mit Panoramablick auf den Amsterdamer Hafen sorgen für ein unvergessliches Erlebnis. Fotos: RvZ Photography
Der Raum in dem von Edward van Vliet umgestalteten Kran mit Kabine mag verhältnismässig limitiert sein, doch die ungewöhnliche Lage mit Panoramablick auf den Amsterdamer Hafen sorgen für ein unvergessliches Erlebnis. Fotos: RvZ Photography
×Im irischen Kilkenny haben Mccullough Mulvin Architects aus Dublin die örtliche Pfarrkirche aus dem 13. Jahrhundert, zuletzt genutzt als Versammlungssaal für Freimaurer, zum St Mary‘s Medieval Mile Museum umgestaltet. Adaptive Umnutzung ist in diesem speziellen Fall vor allem das Hinzufügen neuer Ebenen und Elemente zur ursprünglichen Baustruktur. Die zerstörten Teile der Kirche wurden dafür unter Beibehaltung der ursprünglichen Form mit modernsten Baumaterialien wieder aufgebaut. Im Inneren wurden Details wie Steinschnitzereien und der vollständige Mittelteil der hölzernen Gewölbedecke offen gelassen, was dem Besucher einen Einblick in die verschiedenen Ebenen und Strukturen und somit in die Geschichte des Gebäudes ermöglicht.
Adaptive Umnutzung ist nicht blosses Arbeiten mit alter Substanz. Durch Hinzufügen zeitgenössischer Elemente kann ein neues, interessanteres Ganzes geschaffen werden, wie das Medieval Mile Museum von McCullough Mulvin zeigt
Adaptive Umnutzung ist nicht blosses Arbeiten mit alter Substanz. Durch Hinzufügen zeitgenössischer Elemente kann ein neues, interessanteres Ganzes geschaffen werden, wie das Medieval Mile Museum von McCullough Mulvin zeigt
ש Architonic