„Möbel werden im besten Fall zu Lebensbegleitern”: die raumplus Intelligence Series
Brand story von Gerrit Terstiege
Bremen, Deutschland
30.11.22
Im dritten Teil der raumplus Intelligence Series – eine Reihe von drei Artikeln, die vom deutschen Hersteller gesponsert werden – spricht Designer Sebastian Herkner über den Status Quo unserer Innenräume und erklärt sein bodenständiges Zukunftsbild.
Die Arbeit des preisgekrönten deutschen Designers Sebastian Herkner ist geprägt von seinem Respekt für Materialien und Handwerk sowie für die Menschen und Traditionen dahinter
Die Arbeit des preisgekrönten deutschen Designers Sebastian Herkner ist geprägt von seinem Respekt für Materialien und Handwerk sowie für die Menschen und Traditionen dahinter
×Berufliches und Privates vermischen sich für viele Menschen immer stärker. Ein Trend, der auch bei der Inneneinrichtung mehr und mehr bestimmend wird. Was sind in dieser Hinsicht deine Erfahrungen?
Ich finde es ganz schwierig, daheim zu arbeiten. Als Designer:in ist man ja Teamplayer, sowohl, was das eigene Team im Studio betrifft, als auch hinsichtlich der Partner:innen bei den verschiedenen Hersteller:innen, für die man tätig ist. Mit dem Konzept Home-Office kann ich mich nicht identifizieren. Für viele Berufe mag das sehr von Vorteil sein – für uns aber nicht.
Als Designer:in ist man ja Teamplayer, sowohl, was das eigene Team im Studio betrifft, als auch hinsichtlich der Partner:innen bei den verschiedenen Hersteller:innen, für die man tätig ist
Hier bei uns im Studio haben wir eine Werkstatt, eine Material-Bibliothek und eine Bibliothek mit Fachliteratur. Das alles möchte ich wirklich nicht zuhause haben! Ich nehme die Arbeit selten mit – und mit meinem Mann rede ich praktisch nie zuhause über Design. Manche Kolleg:innen sind privat fast ausschliesslich mit Kreativen befreundet, das trifft auf mich nicht zu.
Der in Offenbach lebende Designer besitzt eine ausgeprägte kulturelle Neugier, wobei die auf seinen Reisen entdeckten Dinge oft als Inspiration für seine Entwürfe dienen. Porträt von Gabi Gerster
Der in Offenbach lebende Designer besitzt eine ausgeprägte kulturelle Neugier, wobei die auf seinen Reisen entdeckten Dinge oft als Inspiration für seine Entwürfe dienen. Porträt von Gabi Gerster
×Das klingt danach, als würdest du die Vermischung von Privatem und Beruflichem strikt und bewusst vermeiden. Auf welche Weise gelingt dir das? Hast du zwei Smartphones?
Das nicht. Ich beantworte zum Beispiel E-Mails immer, auch samstags und sonntags. Aber das liegt vielleicht daran, dass es mir einfach Spass macht. Mein Designstudio ist ja meine eigene Firma – und die zu leiten betrachte ich schon als Privileg. Wenn also mal an einem Sonntag eine Bildanfrage von einer Journalist:in per Mail reinkommt – und ich vielleicht gerade zuhause auf der Terrasse sitze – wegen so etwas warte ich nicht bis Montag. Da schicke einfach den Dropbox-Link sofort, übers Handy.
Dafür braucht man ja auch keine besonderen Büromöbel – das eigene Heim muss deswegen nicht zum Office werden. Auf der anderen Seite finde ich die Entwicklung, dass Büros wohnlicher werden, wirklich gut. Man muss heute viel mehr dafür tun, als vielleicht vor zehn Jahren, damit sich die Mitarbeiter:innen auf der Arbeit wohlfühlen.
Im Office Design werden Farben immer wichtiger, damit in Büros nicht alles immer nur schwarz, weiss oder grau ist. Aber Material- und Farbtrends im Interior Design sind oft nur von kurzer Dauer. Wie gehst du als Gestalter damit um?
Wir legen Farben meist im Zusammenspiel mit den Hersteller:innen fest – oft ist das ein sehr intuitiver und emotionaler Prozess. Wir richten uns nicht nach irgendwelchen Gurus, die Farbtrends in die Welt setzen. Und die natürlichen Farben von Materialen sind ja im Kommen: etwa Marmor, Glas, Messing, gebrannte Fliessen. Und die funktionieren ja dann länger. Produkt- oder Möbeldesigner:innen sollten besser gar nicht über Trends nachdenken, dass kann man getrost der Mode überlassen. Man kann sich ruhig für einen starken Grünton entscheiden – viele gehen mit Hellgrau oder Beige auf Nummer sicher.
Produkt- oder Möbeldesigner:innen sollten besser gar nicht über Trends nachdenken, dass kann man getrost der Mode überlassen
Aber auch besondere Töne können dazu beitragen, dass ein Objekt lange geschätzt wird und die Zeit gut überdauert. Möbel werden im besten Fall zu Lebensbegleitern. Da müssen natürlich auch die Hersteller:innen mitspielen und Produkte für lange Zeit reparabel machen, Ersatzteile bereithalten, neue Polsterungen und Bezüge möglich machen. Diese Services werden immer wichtiger. Manche Firmen sind allerdings nur auf den schnellen Profit aus und denken nicht langfristig.
„Die Kund:innen interessieren sich immer mehr für die verwendeten Komponenten, die Produktionsbedingungen und die Geschichte hinter den Entwürfen“, erklärt Herkner
„Die Kund:innen interessieren sich immer mehr für die verwendeten Komponenten, die Produktionsbedingungen und die Geschichte hinter den Entwürfen“, erklärt Herkner
×Gibt es bestimmte Trends, an denen der Zahn der Zeit weniger nagt als an anderen?
Oft werden Möbel-Klassiker wieder aufgelegt, weil diese als wertstabil gelten. Das sind dann nicht selten Icons von Le Corbusier oder Castiglioni, mit denen sich Leute positionieren wollen … vor ihren Freund:innen, die diese Möbel sofort identifizieren können. Wichtig scheint mir, dass man verstärkt lokal produziert, etwa in Manufakturen. Kund:innen beginnen sich mehr für die verwendeten Komponenten zu interessieren, für Produktionsbedingungen und für die Story hinter den Entwürfen. Das Bewusstsein für diese Aspekte ist zweifellos gestiegen.
Modulare Möbelsysteme ermöglichen es, auf eine neue Situation kreativ mit einer neuen Struktur des Systems zu reagieren. Hier im Bild: Stauraumsysteme des Bremer Raumlösungsspezialisten raumplus
Modulare Möbelsysteme ermöglichen es, auf eine neue Situation kreativ mit einer neuen Struktur des Systems zu reagieren. Hier im Bild: Stauraumsysteme des Bremer Raumlösungsspezialisten raumplus
×Modulare Systeme für Inneneinrichtung erleben immer wieder kleine „Renaissancen“ – so auch jetzt. Wie setzt man diese praktischen Strukturen ein, ohne dass die Kreativität leidet?
Wenn sich die Lebensbedingungen oder Lebensmodelle ändern, kann man mit modularen Möbelsystemen kreativ auf eine neue Situation mit einer neuen Struktur des Systems reagieren. Man zieht um und die nächste Wohnung ist deutlich kleiner oder grösser. Die Kinder verlassen das Haus, man zieht in eine Wohnung, oder später in eine Alters-WG.
Wenn sich die Lebensbedingungen oder Lebensmodelle ändern, kann man mit modularen Möbelsystemen kreativ auf eine neue Situation mit einer neuen Struktur des Systems reagieren.
Man ergänzt es nach Jahren – manchmal sogar nach Jahrzehnten – oder trennt sich von einem Teil. Ich kaufe relativ viel bei Ebay – etwas qualitativ Hochwertiges weiterzuverkaufen ist ja nicht unangenehm – etwas Schlechtes, Billiges dagegen stellt man auf die Strasse – es ist einem zu peinlich, um es weiterzugeben oder weiterzuverkaufen und wird so ganz schnell zu Sperrmüll.
Mit Blick auf die Zukunft des Designs glaubt Herkner, dass „es für die gesamte Gesellschaft wichtig sein wird, die richtige Balance zu finden“ – eine Eigenschaft, die auch in seiner eigenen Arbeit eine Konstante ist
Mit Blick auf die Zukunft des Designs glaubt Herkner, dass „es für die gesamte Gesellschaft wichtig sein wird, die richtige Balance zu finden“ – eine Eigenschaft, die auch in seiner eigenen Arbeit eine Konstante ist
×Fliegende Autos, Städte auf dem Meeresboden oder auf fernen Planeten: Die spektakulären Zukunftsprognosen der Vergangenheit waren oft verheissungsvoll. Heute ist man vorsichtiger – und auch etwas weniger optimistisch. Wie blickst du in die Zukunft?
Ich habe kürzlich gelesen: Für die NASA ist das Thema Besiedelung fremder Planeten nicht vom Tisch – auf dem Mond sollen schon bis 2030 Menschen leben und arbeiten. Aber ich glaube, dass die Zukunft gar nicht so futuristisch werden muss, wie in manchen Science-Fiction-Filmen gezeigt. Ich finde es zum Beispiel ausreichend, dass ich zuhause einen klassischen Lichtschalter habe. Der funktioniert prima. Ein Freund steuert vieles im Haus übers Smartphone – und hat da immer wieder Probleme. Er rennt dann immer wieder mit seiner Handy-Taschenlampe durch die dunklen Räume, weil seine App nicht das macht, was sie soll.
Traditionelles, Gewohntes, Gelerntes, Bewährtes haben durchaus Vorteile, auch in der Zukunft
Traditionelles, Gewohntes, Gelerntes, Bewährtes haben durchaus Vorteile, auch in der Zukunft. Natürlich verändert sich zum Beispiel die Art, wie wir uns fortbewegen und wie Waren transportiert werden. Es gibt ja längst Pilot-Projekte für Flug-Taxis. Aber es wird gesamtgesellschaftlich darauf ankommen, die richtige Balance zu finden. Bei der enorm wachsenden Weltbevölkerung werden schon in naher Zukunft, in den nächsten zehn Jahren, viele Herausforderungen auf uns zukommen, das ist klar.
© Architonic
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