Die Architekten bekommen Konkurrenz, denn Grafik-Designer starten Übergriffe in die dritte Dimension. .Im Folgenden stellen wir Designer und Grafiker vor, die ihre Tätigkeit in Bereiche wie z.B. Produktdesign und räumliche Installationen ausgedehnt haben.

Vielleicht erging es Ihnen auch bereits einmal so: Man glaubt, jemanden zu kennen und entdeckt dann plötzlich, dass diese Person einen Romanautor ist - oder ein Restaurant eröffnet hat. Wie zum Beispiel Tom Ford. Jahrelang beherrschte er die Modeszene, nun ist er plötzlich Regisseur eines Kinofilmes. Aber - ist das wirklich erstrebenswert?

'Tout va bien' Kommode von Antoine+Manuel für Bd Barcelona, 2009

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'Tout va bien' Kommode von Antoine+Manuel für Bd Barcelona, 2009

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Traditionsgemäss stand der Architekt an der Spitze der des kreativen Prozesses und zog dann andere Gestalter hinzu, oder übernahm deren Aufgaben gleich, um sich in einem architektonischen Gesamtkunstwerk zu verwirklichen. Vor allem bei den Architekten der Moderne waren Bauwerk, Möbel, Innenausstattung bis hin zum Textildesign oft aus einer Hand. Adolf Loos schneiderte sogar der Bauherrin die zum Interieur passende Kleidung auf den Leib. Doch der Spiess dreht sich um: Die Grenzen zwischen den Disziplinen verwischen sich trotz der hohen Diversifizierung in unserer heutigen Arbeitswelt zunehmend, und so ist es nicht erstaunlich, dass Grafiker sich auch der Raumgestaltung widmen, wie zum Beispiel Applikationen auf Wänden, Möbel- und Produktdesign oder architektonischen Installationen. Vielleicht ist es gerade die Spezialisierung in immer kleinere Berufsfelder - wie Grafik-Designer, Produkt-Designer- Media-Designer u.s.w. - die kreative Köpfe sozusagen ausserhalb der ihnen per definitionem abgesteckten Territorien dringen lässt.

'Serenissimo' Tisch von Lella & Massimo Vignelli für Acerbis, 1985

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'Serenissimo' Tisch von Lella & Massimo Vignelli für Acerbis, 1985

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Die Design-Legende Massimo Vignelli und seine Frau Lella waren in den 50er Jahren von der Vision beflügelt, unsere visuelle Umgebung zu verschönern.
Berühmt wurden sie vor allem für Ihre Werke aus den 60-er Jahren, unter anderem für ihr Leitsystem für die New Yorker U-Bahn und die bemerkenswerte Corporate Identity für American Airlines. Es blieb nicht nur beim Grafikkonzept des führenden Designmöbel-Herstellers Knoll – Massimo und Lella Vignelli entwarfen selbst Möbel, die naheliegenderweise einen sehr grafischen Charakter besitzen. Helvetica und Bodoni –
diese bevorzugten Schrifttypen der Vignellis (der letzteren verhalfen sie 1980 zu einem Re-Design) finden sich auch in Ihren Entwürfen wieder. Die Silhouette des ‚Serenissimo’ Tisches von 1985 für Acerbis zitiert die schmalen Horizontalen und kräftigen Vertikalen der Bodoni-Schrift: Frontal betrachtet stehen zwei kapitale ‚T’ für den ‚Tisch’.

'Darwin Chair' von Stefan Sagmeister, 2009

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'Darwin Chair' von Stefan Sagmeister, 2009

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Die Arbeiten des Grafiker-Duos Antoine & Manuel sind durch einen hochillustrativen, fantastischen Stil geprägt. Ihre graphische Persiflage des Pariser Metro-Plans ist voll von farbigen Bäumen, Blumen und kleinen, süssen Tierchen, die an Tord Boontjes dekorative, märchenhafte Sprache erinnern. Für den spanischen Hersteller Bd Barcelona applizierten Antoine & Manuel diesen für ihre Arbeiten typischen Stil auf die Kommode mit dem suggestiven Namen 'Tout va bien'. Hieroglyphen werden hier mit zeitgenössischer Grafik in Reliefplatten vereint, welche die einzelnen Bauteile wie Rahmen und Türen des Möbels bilden. Die hohe Plastizität der Oberfläche wurde mittels Polyurethan-Spritzguss-Technik erreicht und dem Material zusätzlich ein lackiertes Finish gegeben.

'Notime', 'Nightime' and 'Finetime' Wanduhren von Farrow für SCP, 2010

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'Notime', 'Nightime' and 'Finetime' Wanduhren von Farrow für SCP, 2010

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Das Londoner Design Studio Farrow, berühmt für die Gestaltung der graphischen Auftritte von Kylie Minogue, den Pet Shop Boys und Burt Bacharach, hat sein Debut im Produktdesign mittels einer Serie von Uhren an der Maison & Objet 2010
präsentiert: 'Notime', 'Nightime' and 'Finetime'.
Als das Objekt visueller Kommunikation schlechthin ist die Uhr ein dankbares Objekt graphischer Experimente. Die drei Modelle für SCP variieren in ihrer Lesbarkeit, ,Notime’ ist dem Namen nach am schwierigsten zu entziffern.

Kvadrat showroom, London, von Peter Saville und David Adjaye, 2009

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Kvadrat showroom, London, von Peter Saville und David Adjaye, 2009

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Peter Saville, stilprägend in der britischen Grafikerszene seit den 70er Jahren durch seine Cover für die Alben von Suede und Pulp, sowie seine Corporate Identities für das Design Museum und die renommierte Londoner Whitechapel Gallery, gestaltete gemeinsam mit dem Architekten David Adjaye den Showroom für den Textilhersteller Kvadrat. Die zentrale Treppe wird von raumhohen Farbgläsern flankiert. Der Blick durch das eingefärbte Glas beeinflusst die Wahrnehmung und spielt mit dem Lichteinfall, vergleichbar mit dem Effekt der Verglasung von Sakralbauten.

Wandfries mit Blattgold an der Badenerstrasse 580, Zürich, von Trix Barmettler, 2009

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Wandfries mit Blattgold an der Badenerstrasse 580, Zürich, von Trix Barmettler, 2009

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Abgesehen von Produkten und Interieurs, die von Grafikern gestaltet wurden, können zweidimensionale Arbeiten, die in Räumen oder auf Gebäuden angebracht werden grossen Einfluss auf deren Gestalt und Wahrnehmbarkeit nehmen.
Trix Barmettler appliziert ein vom Jugendstil inspiriertes florales Muster auf das Fries eines Wohn-und Geschäftshauses in Zürich.
Die luxuriöse Ausführung des Ornamentes in Blattgold und das Zitat dieses Stilmittels bourgeoisen Wohnens haben einen weit grösseren Einfluss auf die Präsenz des Gebäudes als die Applikation einer ‚Dekoration’ vermuten liesse.

Detail des Gebälks der Damentoilette im V&A, London, von Glowacka Rennie Architects, 2009; copyright Glowacka Rennie Architects

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Detail des Gebälks der Damentoilette im V&A, London, von Glowacka Rennie Architects, 2009; copyright Glowacka Rennie Architects

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Felice Varini's Grafiken über den Spiegel des Waschbeckens der Damentoiletten im V&A Museum; Glowacka Rennie Architects', London, 2009; copyright Felice Varini

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Felice Varini's Grafiken über den Spiegel des Waschbeckens der Damentoiletten im V&A Museum; Glowacka Rennie Architects', London, 2009; copyright Felice Varini

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Das Londoner Büro Glowacka Rennie ging als Gewinner eines Architekturwettbewerbs für die Neugestaltung der Toiletten des V&A Museums in London hervor. In Zusammenarbeit mit dem Schweizer Künstler Felice Varini entstanden Räume, die den Besucher durch verblüffende Konvergenzen des Zwei- und Dreidimensionalen überraschen. Die grosszügigen Räumlichkeiten erlaubten die Installation eines rhytmisch verlaufenden Gebälks, das seinerseits die Raumhöhe betont.
Varini, bekannt für seine Projekte, die mit Geometrie und Perspektive spielen, entwickelte das grafische Konzept. Gebrochene blaue Kurven wurden auf das Gebälk und die Wand appliziert. Im Spiegel betrachtet bildet sich daraus ein Bild überlappender Kreise, die dem Betrachter den Eindruck vermitteln, Zeuge eines magischen Phänomens zu sein.

'Anna' Grafik-Projekt von ZMIK für iart interactive, Basel, 2009

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'Anna' Grafik-Projekt von ZMIK für iart interactive, Basel, 2009

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'Anna' Grafik-Projekt von ZMIK für iart interactive, Basel, 2009

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'Anna' Grafik-Projekt von ZMIK für iart interactive, Basel, 2009

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Die Grafik-Designer ZMIK aus Basel untersuchten für einen Auftrag der auf Interaktive Medien spezialisierten Agentur iart interactive die Idee der Lesbarkeit graphischer Inhalte und deren Beziehung zum Raum. Der schmale Korridor wird optisch geweitet, indem perspektivische Drahtgitter-Zeichnungen an die Wände appliziert wurden, die einen Röntgenblick auf die Räume dahinter bieten – jedoch nur von wenigen bestimmten Augpunkten aus. Von anderen Positionen nimmt der Betrachter nur abstrakte Linien wahr. Die Besonderheit des Projektes: Die räumliche Koordinate bestimmt die Lesbarkeit der Grafik.

Wansgrafiken von Timorous Beasties, eBoy und Studio Job für die Domestic's 'Wall Drawings' Kollektion

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Wansgrafiken von Timorous Beasties, eBoy und Studio Job für die Domestic's 'Wall Drawings' Kollektion

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Vinyl-Wandsticker sind zwar ein mittlerweile überholter Trend, doch die französische Firma Domestic waren die mit bei den Ersten, die selbstklebende Wandgrafiken herstellten, die von bekannten Designern gestaltet wurden. Vinyl-Wandsticker ist vielleicht die einfachste, augenfälligste und sogar plumpeste Möglichkeit um Grafik in einen dreidimensionalen Kontext zu bringen, jedoch wird der kreative Wert durch ihre Interpretationsfähigkeit durch den Endkunden gesteigert: Er allein entscheidet, wie und wo die Wand-Grafik platziert wird. Die Wand-Sticker von Domestic wurden von Grafiker-Celebrities wie Studio Job, Timorous Beasties, eBoy und dem zuvor erwähnten Grafiker-Duo Antoine+Manuel gestaltet. Aber Moment mal.. Marcel Wanders, Matali Crasset, Inga Sempé, François Azambourg und Big Game sind auch auf der Liste..Möbel-Designer, die rein grafische Arbeiten machen? Das 3-D Imperium schlägt zurück!