„Vielleicht mag ich Objekte einfach nicht?“ - Ein nicht alltäglicher Standpunkt, den man von einem Designer unterbreitet bekommt, insbesondere von einem so gefeierten wie Tokujn Yoshioka, der von Architektur & Wohnen als Designer des Jahres ausgezeichnet wurde.Doch es gibt einen bestimmten – erfreulichen – Widerspruch im gestalterischen Ausdruck des kreativen Werkes des Japaners. Dieser drückt sich durch seine kontinuierliche Beschäftigung mit Transparenz und Leichtigkeit aus und in Objekten, die sich in einem Status zwischen Präsenz und Absenz befinden. Architonic traf Yoshioka während der imm cologne.

Eine Fotomontage aus den Bauhaus-Jahren Marcel Breuers illustriert die modernistische Fixation auf formale Leichtigkeit. Die kurze, einem Filmstreifen ähnliche Bilderserie zeigt eine maskierte Frau, die zuerst auf einem traditionellen vierbeinigen Stuhl sitzt, dann auf einem von Breuers Stahlrohr-Stühlen, die für damalige Verhältnisse radikal reduziert waren, und zuletzt auf einer „Luftsäule“. Dies gelang durch eine der Photoshop-Ära vorzeitlichen Collage: Der Körper des Modells schwebt in sitzender Position auf einer unsichtbaren Struktur. Diese Progression von einer massiven Form zu einer völlig unsichtbaren Phantasie des Nichts, oder einfach visuellem Nicht-Vorhandensein, ist genauso unterhaltsam wie herausfordernd – sie ruft sozusagen genauso sehr ein Schmunzeln wie auch ein Stirnrunzeln hervor.

Es werde Licht: Tokujin Yoshiokas Hymne auf Transparenz und Leichtigkeit in Form einer Retrospektive im Kölnischen Kunstverein anlässlich seiner A&W Auszeichnung zum Designer des Jahres

Die erträgliche Leichtigkeit des Seins: Architonic trifft Tokujin Yoshioka auf der imm cologne | Aktuelles

Es werde Licht: Tokujin Yoshiokas Hymne auf Transparenz und Leichtigkeit in Form einer Retrospektive im Kölnischen Kunstverein anlässlich seiner A&W Auszeichnung zum Designer des Jahres

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Präsentiert wurde die Ausstellung des A&W-Designer des Jahres im Kölnischen Kunstverein, dessen raumhohe Verglasung und hinterleuchteten Wandpaneele in Trockeneisnebel gehüllt wurden und für eine theatralische Atmosphäre sorgten. Dies unterstrich die visuelle Leichtigkeit der Exponate: Stühle und andere Möbelstücke, die im Laufe des letzten Jahrzehnts entstanden, und die entweder durch ihre Form oder ihre Materialität eine Schwellenposition zwischen Dasein und Verleugnung ihrer Existenz einnehmen.

Tokujin Yoshioka vor seiner Installation 'The Snow' im Tokyo Mori Kunstmuseum, 2010

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Tokujin Yoshioka vor seiner Installation 'The Snow' im Tokyo Mori Kunstmuseum, 2010

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Bei vielen Designern lässt sich beobachten, dass sich ihre Ausdrucksformen wandeln und anpassen, doch weniger häufig sind Gestalter, die zeitübergreifend eine resolut konstante Sichtweise bewahren hinsichtlich ihres Schaffens. Yoshioka, dessen Position man geradezu als anti-modisch beschreiben könnte, widmet sich in seinen Werken kontinuierlich und unermüdlich den Aspekten der Unsichtbarkeit, des Lichtes und der Leichtigkeit. Dies gilt für kommerzielle Projekte wie für Driade, Moroso und Kartell ebenso wie für Yoshiokas Produkt-Design, seine selbstmotivierten Experimente wie auch temporäre Installationen.

Doch findet die dauerhafte Behandlung dieses Themas nicht einfach um seiner selbst Willen statt, denn in der Sichtweise des japanischen Designers steht immer etwas auf dem Spiel.
„Es ist wichtig, vorsichtig umzugehen mit dem, was man in die Welt setzt,“ meint Tokujin Yoshioka als wir uns in Köln treffen um über seine Arbeit zu sprechen.
„Dies schliesst auch die Möglichkeit ein, nichts zu produzieren.“ - Eine sehr treffende Beschreibung seines Werkes, das mit Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit spielt.

Yoshiokas Kollektion für den italienischen Hersteller Kartell von 2010 trug den Namen 'The Invisibles'

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Yoshiokas Kollektion für den italienischen Hersteller Kartell von 2010 trug den Namen 'The Invisibles'

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Die bewusste Einfachheit der Entwürfe von Yoshioka scheint sich mit seiner Persönlichkeit zu decken. Sparsam geht er mit Worten um, um seine Arbeit zu beschreiben und eine Aura der Stille umgibt den Designer. Doch gleichzeitig strahlt er auch eine aus seiner Entschlossenheit und Hingabe entstehende Selbstsicherheit aus, die vielleicht aus der Überzeugung entstand , mit der er sich seit seit langer Zeit seiner Vorstellung von Ästhetik und seinen Ideen widmete. Im Folgenden unterhalten wir uns – mit Hilfe seines sachkundigen Übersetzers – über seine andauernde Faszination über Transparenz und Leichtigkeit, die Beziehung zwischen Funktion und Gefühl im Design und warum es okay ist, einen seiner Stühle in einen Pool zu werfen.
Wenn Sie so wollen. Falls nicht, kein Problem.

Der 'Memory' Stuhl (2010) von Tokujin Yoshioka für Moroso aus leichtem, recyceltem Aluminium, kann vom Benutzer selbst in Form gebracht werden.

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Der 'Memory' Stuhl (2010) von Tokujin Yoshioka für Moroso aus leichtem, recyceltem Aluminium, kann vom Benutzer selbst in Form gebracht werden.

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Was bedeutet diese Auszeichnung für dich?

Ich habe den Mentorpreis (der dieses Jahr vom A&W Magazin an Oskar Zieta verliehen wurde) vor zehn Jahren erhalten. Es war der erste Preis, den ich je erhalten hatte, und das war eine grossartige Erfahrung. Zehn Jahre später nun den Preis des Designers des Jahres zu erhalten, empfinde ich als grosse Ehre.

Zu welchem Ausmass motiviert dich so eine fachliche Anerkennung?

Nun, sie zeigt, dass ich irgendetwas richtig zu machen scheine und wertschätzt meine Ideen.
Dies gibt mir die Möglichkeit, so zu entwerfen, wie es mir entspricht.

Tokujin Yoshiokas 'Paper Cloud' Sofa für Moroso, erstmals präsentiert auf dem Salone del Mobile 2009; Foto Alessandro Paderni

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Tokujin Yoshiokas 'Paper Cloud' Sofa für Moroso, erstmals präsentiert auf dem Salone del Mobile 2009; Foto Alessandro Paderni

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Welchen Einfluss hat deine Bekanntheit oder vielmehr Berühmtheit auf deine Arbeit als Designer?

Berühmtheit ist etwas, an das ich nicht einmal denke. Sie ist völlig unwichtig für mich – schau mich doch einfach an, wie ich angezogen bin..

Deine Arbeit zeigt eine starke Betonung des Konzeptuellen und der Ästhetik. Wie siehst du die Beziehung von Konzept und Ästhetik zueinander? Basiert das eine auf dem anderen?

Anfang zwanzig versuchte ich immer das Konzept hinter meiner Arbeit zu erklären. Damit habe ich aufgehört. Anstatt mich auf das Konzept zu konzentrieren, lege ich viel mehr Wert auf Symbolik. Daraus entsteht ein Konzept. Aus der Einfachheit.

Yoshiokas Stuhl aus seiner 'Invisibles' Kollektion für Kartell spielt mit der Phantasie des Unsichtbaren und Immateriellen

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Yoshiokas Stuhl aus seiner 'Invisibles' Kollektion für Kartell spielt mit der Phantasie des Unsichtbaren und Immateriellen

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Ist diese Einfachheit, die deinem Werk anhaftet, vielleicht eine Reaktion auf die Exzesse, deren Zeuge wir in den letzten Jahren wurden?

Wirklich überflüssig sind Kopien oder Repetitionen dessen, was bereits einmal da war. Doch Einfachheit bedeutet nicht automatisch eine Legitimation. Ich denke, dass im Design sehr viel Narzissmus und Selbstbezogenheit enthalten ist. Worauf es ankommt, ist einen Eindruck in den Herzen und im Kopf der Menschen zu hinterlassen.

Wie ist dann die Beziehung zwischen utilitaristischer Funktion und Emotion im Design?

Das Wichtigste sind die Gefühle der Menschen. Die Funktion wurde bis zu einem gewissen Mass immer versteckt. Gefühle sind auch eine Funktion. Wenn du auf einem Stuhl sitzt, und sei es auch nur einmal im Leben, und diese Erfahrung dich glücklich macht, hat er seine Funktion erfüllt. Funktion lässt sich nicht auf eine einzige Art beschreiben.

Tokujin Yoshiokas 'Snowflake' Installation aus Tausenden von Plastikstäbchen im Kartell Showroom in Mailand während des letztjährigen Salone del Mobile

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Tokujin Yoshiokas 'Snowflake' Installation aus Tausenden von Plastikstäbchen im Kartell Showroom in Mailand während des letztjährigen Salone del Mobile

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Bedeutet deine immer wiederkehrende Thematik der Transparenz und Leichtigkeit etwas, das über die Ästhetik hinaus geht?

Vielleicht mag ich Objekte einfach nicht? Doch ehrlich gesagt bin ich mir nicht sicher, warum ich manche Dinge tue. Ich begann, meine Arbeit zu analysieren und weiss nun: Ich mag Licht. Transparenz fängt Licht ein oder reflektiert es oder verkörpert es sogar. Sie ist Licht, das in ein Objekt transformiert wurde.
Neue Entdeckungen faszinieren mich sehr, und wie man Menschen beeindrucken kann. Darüber denke ich ständig nach, denn für mich geht es in erster Linie darum, Sinneswahrnehmungen zu kreieren und nicht die Objekte selbst. Wie zum Beispiel meine Schaufenster-Gestaltung für Hermès.

Yoshiokas Installation 'The Snow' im Mori Kunstmuseum in Tokyo, 2010

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Yoshiokas Installation 'The Snow' im Mori Kunstmuseum in Tokyo, 2010

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Kann man die Verwendung der Transparenz in deinen Entwürfen auch als Antwort auf die Überhandnahme an Design und den Konsumismus, in dem wir leben, interpretieren?

Nun, es ist wichtig was man in die Welt setzt, das schliesst auch die Möglichkeit ein, nichts zu produzieren. Früher dachten wir, Glück liegt im Kaufen und im Konsum, doch jetzt haben wir realisiert, dass dies nicht stimmt. Wir müssen darüber nachdenken, was wirklich erfüllend ist. Vielleicht hat dies mit Objekten rein gar nichts zu tun.

Maison Hermès Schaufenster in Tokyo, 19. November 2009 bis 19. January 2010; © Hermès Japon

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Maison Hermès Schaufenster in Tokyo, 19. November 2009 bis 19. January 2010; © Hermès Japon

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Du hast eine Reihe von faszinierenden Installationen entworfen, die, einmal mehr, die Idee der Leichtigkeit beinhalten. Bis zu welchem Ausmass ziehst du den Raum in Betracht, wie zum Beispiel die möglichen Räume, in denen das Produkt zum Einsatz kommt, wenn du etwas für die Serienproduktion entwirfst?

Ich denke nicht über den Raum nach in allen seinen Aspekten. Es ist eine freie Entscheidung, wie man mit dem Produkt umgeht. Sehr frei sogar. Man kann diese Bank hier zum Beispiel auch in einen Pool werfen...

I can see right through your words: Yoshiokas transparentes Mobiltelefon X-RAY für die Telekommunikations-Gesellschaft KDDI, 2010

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I can see right through your words: Yoshiokas transparentes Mobiltelefon X-RAY für die Telekommunikations-Gesellschaft KDDI, 2010

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Erst kürzlich hast du ein Interview mit der Frage beendet, welchen Zweck Design haben könnte. Ich habe mich gefragt, ob du es wagst, diese Frage selbst zu beantworten.

Design muss einen Zweck haben. Besonders, wenn es der Auftrag eines Herstellers ist. Man hat die Aufgabe, etwas zu entwerfen, das neu ist und Relevanz besitzt. Als ich klein war, schaute ich mir viele japanische Trickfilme an – sie brachten Hoffnung und Licht in sonst dunkle Zeiten. Das inspirierte mich.

Welchen Beruf hättest du wohl ergriffen, wenn du dich nicht entschieden hättest, Designer zu werden?

Es war mein Schicksal, Designer zu werden und nicht wirklich die Fragestellung einer beruflichen Entscheidung. Es ist einfach das, was ich mache. Oder vielmehr, ist es ist das Einzige, was ich kann.

Danke, Tokujin.

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