Architonic spricht mit dem Design Studio INCH Furniture über ihre herausragende Kollektion für den Schweizer Pavillon an der Shanghai Expo 2010.

Shanghai – waren sie schon dort? Wenn nicht, dann wird es jetzt Zeit:
In der boomenden Metropole Chinas gastiert die Expo 2010 und Architektur-Touristen können architektonische Stellungnahmen aus über 200 Ländern auf einem Fleck betrachten.
Für einen Designer ist die Ausstattung eines Länderpavillons, dem Aushängeschild der Nation, eine vermutlich einmalige Gelegenheit.
Das Design-Duo Thomas Wütrich und Yves Raschle alias INCH Furniture wurde von den Architekten des Schweizer Pavillons Buchner Bruendler eingeladen, eine Möbelkollektion für das Projekt zu entwerfen.
Das Resultat ist eine Serie aussergewöhnlich gelungener Stücke, deren überlegte und nüchterne Ästhetik sie zu modernen Klassikern macht.
Architonic traf INCH am diesjährigen Salone del Mobile in Mailand, um über ihr Projekt in Shanghai zu sprechen.

Die schweizer Möbeldesigner Thomas Wütrich und Yves Raschle, alias INCH Furniture: "Uns ist wichtig, dass unsere Entwurfssprache modern ist – jedoch nicht modisch."; Foto Christian Knörr

Die Gestalt(ung) des Erfolgs: INCH Furniture | Aktuelles

Die schweizer Möbeldesigner Thomas Wütrich und Yves Raschle, alias INCH Furniture: "Uns ist wichtig, dass unsere Entwurfssprache modern ist – jedoch nicht modisch."; Foto Christian Knörr

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Wie seid ihr an den Auftrag gekommen, die Möbel des Schweizer Pavillons zu entwerfen?

Eine der Hauptthemen unter dem Titelthema „Better City, better Life“ des Schweizer Pavillons ist die Nachhaltigkeit und innerhalb dieses Themenbereiches führt die Schweiz einen Diskurs über den Kontrast zwischen Stadt und Natur.
Dies war also ein Hauptkriterium der Architekten Buchner Bruendler für die Auswahl des Designers. Das zweite Kriterium war, dass die Designer Schweizer sein müssen. Darüber hinaus werden unsere Möbel in Indonesien, also ebenfalls einem asiatischen Land, produziert. Somit trafen wir den Nagel auf den Kopf.

Wie verlief die Zusammenarbeit mit den Architekten?

Wir kannten die Architekten bereits, es war also von Anfang an eine persönliche Beziehung. Wir trafen sie alle paar Wochen und sie sprachen über ihre Vision, was sehr wichtig für uns war, und über die architektonische Gestaltung des Pavillons. Sie kannten und mochten unsere Möbel bereits, wir konnten also direkt dazu übergehen die Ausstattung des Pavillons zu konzipieren. Es war ein sehr persönlicher und auch bereichernder Dialog mit den Architekten.

'Shanghai Chair' von INCH Furniture; Foto Mark Niedermann

Die Gestalt(ung) des Erfolgs: INCH Furniture | Aktuelles

'Shanghai Chair' von INCH Furniture; Foto Mark Niedermann

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Es ist doch eher die Ausnahme, dass Architekt und Designer bei der gemeinsamen Gestaltung eines Raumes eine so enge Beziehung haben. Der Architekt definiert die Konstruktion und der Designer antwortet auf diese konstruktive Struktur, indem er dazu beiträgt, den Raum erlebbar zu machen.

Nun, früher war das gang und gäbe. Architekten entwarfen ein Haus und dann wurde die Einrichtung speziell für dieses Haus entworfen.
Schade, dass dies heutzutage nicht öfter passiert, denn jedes architektonische Projekt wird letztendlich möbliert. Wenn der Entwurf also allumfassend statt findet, ist das für Architekt und Designer eine Bereicherung.

'Shanghai Lounge Chair' von INCH Furniture; Foto Mark Niedermann

Die Gestalt(ung) des Erfolgs: INCH Furniture | Aktuelles

'Shanghai Lounge Chair' von INCH Furniture; Foto Mark Niedermann

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Häufig will der Architekt der ganzheitliche Entwerfer sein, der dann auch die Möbel für sein Projekt gestaltet, ganz nach dem Motto: „Ich habe dieses Haus entworfen, also werde ich auch die Möbel dafür entwerfen!“

Buchner Bruendler waren grossartig, denn sie stellten gleich von Anfang an klar:
„Wir sind keine Designer. Wir sind Architekten.“ Möbeldesign ist ein eigener Beruf. Es ist nicht so, dass es keine Architekten gäbe, die gute Möbel machen. Doch manchmal gibt es ein Missverständnis hinsichtlich der Schnittstellen der gestalterischen Berufe.

In der Tat können Architekten auch erfolgreiche Möbeldesigner sein. Manchmal zweifle ich jedoch an ihren grafischen Fähigkeiten..

Auch wir sind keine Grafiker (lacht).
Wir arbeiten mit Ludovic Balland, der auch für Vitra arbeitet und soeben ein Buch für Herzog & de Meuron gestaltet hat. Er ist für unseren gesamten grafischen Auftritt verantwortlich.

'Shanghai Lounge Chair' von INCH Furniture in situ im von Buchner Bruendler entworfenen Schweizer Pavillon in Shanghai; Foto Mark Niedermann

Die Gestalt(ung) des Erfolgs: INCH Furniture | Aktuelles

'Shanghai Lounge Chair' von INCH Furniture in situ im von Buchner Bruendler entworfenen Schweizer Pavillon in Shanghai; Foto Mark Niedermann

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Der typographisch sehr gelungen ist.

Danke – er ist wirklich ein Meister seines Fachs.

Mit dem Pavillon präsentiert sich die Schweiz der Welt – und offensichtlicherweise bilden eure Möbel ein perfektes Ensemble mit ihm. Sie fügen sich darüber hinaus in die Tradition von Möbeln ein, die speziell für diese Anlässe entworfen wurden.
Ich denke an Mies van der Rohes Barcelona Chair und die Möbel für Robin Day und Erneste Races Möbeln für das Festival of Britain im Jahr 1951.


In der Schweiz wurde der „Landistuhl“ von Coray für die Schweizer Landesausstellung 1939 entworfen.


Wie war der Entwurfsprozess für die Shanghai Kollektion? Wie viel Einfluss hatten die Architekten?


Nun, wir entwerfen ziemlich nach alter Schule- wir arbeiten nicht mit Visualisierungen, sondern mit Modellen. Wir begannen wie immer mit 1:5 Modellen. Und es entstanden eine Menge Modelle für diese Kollektion. Wir fragten uns ständig Dinge wie zum Beispiel: „Was für Leute sitzen hier?“ und „Welchen Eindruck oder welches Gefühl der Schweiz wollen wir vermitteln?“
Die Vision der Architekten stellte einen wichtigen Einfluss für uns dar, auch weil sie vielmehr über die Expo und die Ideen der Expo wussten als wir.

'Shanghai Lounge Table' von INCH Furniture; Foto Mark Niedermann

Die Gestalt(ung) des Erfolgs: INCH Furniture | Aktuelles

'Shanghai Lounge Table' von INCH Furniture; Foto Mark Niedermann

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Wie steht es mit dem produktionstechnischen Aspekt? Wie kam es, dass ihr mit dem Hersteller aus Indonesien zusammenarbeitet, und wie eng arbeitet ihr zusammen?

Unser Firmenname setzt sich aus „IN“ für Indonesien und „CH“ für Schweiz zusammen. Im Prinzip ist unser Name Programm. Wir haben nicht einfach nach einem möglichst billigen Hersteller gesucht. Vielmehr haben Yves und ich in Borneo gelebt und für eine NGO (Nichtregierungsorganisation) gearbeitet.
Wir waren völlig begeistert von den Menschen und der Sprache und bemerkten ihre handwerklichen Fähigkeiten, besonders in der Holzverarbeitung. Es war richtig traurig, als wir nach dem Ende unseres Mandats in die Schweiz zurück mussten. Vor fünf Jahren also gründeten wir INCH Furniture. Wir besuchten eine Schreiner-Schule in Java wo die besten Möbel Indonesiens hergestellt werden.
Ihre Arbeit dort ist sehr zeitintensiv und überhaupt nicht im Massenproduktions-Stil.
Sie waren wirklich offen für unsere Ideen: „Okay, das ist nicht ganz einfach,“ sagten sie. Wir begannen also, mit ihnen zu produzieren. Die Meister-Handwerker, die an die Schule angegliedert sind, arbeiten mit uns, nicht die Schüler der Schule. Das Tolle daran ist, dass das Geld, das sie mit der Produktion der Möbel verdienen, der Schule zugute kommt.

'Shanghai Bar Stool' von INCH Furniture; Foto Mark Niedermann

Die Gestalt(ung) des Erfolgs: INCH Furniture | Aktuelles

'Shanghai Bar Stool' von INCH Furniture; Foto Mark Niedermann

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Die Formen der Möbel sind überwältigend. Sehr geometrisch. Die Details sind beeindruckend.

Danke, besonders beim „Shanghai Chair“. Wir schenkten den Verbindungen grosse Beachtung.

Man spürt die Handwerklichkeit und Virtuosität, die besonders heutzutage eine grosse Bedeutung bekommt. Wenn man sich in Mailand umschaut...

...sieht man überall nur Plastik.

…Nun ja, eben eine Menge neuer Produkte die präsentiert werden…
Wenn uns irgendetwas dazu bewegt, Produkte zu behalten und nicht wegzuwerfen, dann ist es ein Objekt, dem man seinen Wert ansieht.


Das sind in der Tat keine billigen Möbel. Diese Möbel sind dafür gemacht, lange zu halten. Uns ist wichtig, dass unsere Entwurfssprache modern ist – jedoch nicht modisch.
Nachhaltigkeit bedeutet nicht nur die Wahl des Materials Holz oder wo die Produktion statt findet; es geht auch darum, ob das Design die modischen Strömungen der Zeiten überlebt.

Entsprechend dem Stil von Dieter Rams, der es anstrebt, eine visuelle Übersättigung zu vermeiden. Oder Tom Dixons bewusst unmodische Arbeiten der letzten Zeit.

Genau. Design für ein langes Leben.


Vielen Dank für das Gespräch, Thomas und Yves.



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