Nächster Halt: die neuen Busbahnhöfe
Text von Simon Keane-Cowell
Zürich, Schweiz
03.08.16
Packt die Koffer, der Sommer ist da! Die neuen Busbahnhöfe schalten einen Gang hoch und treten selbstbewusst aus dem Schatten ehrwürdiger Zugbahnhöfe und glamouröser Flughäfen.
Die Architekten Manuel Lillo und Emilio Vicedo gaben dem Busbahnhof von Santa Pola (Spanien) eine sehr charakteristische, nach aussen verjüngte Metalldachkonstruktion. Foto: Filippo Poli
Die Architekten Manuel Lillo und Emilio Vicedo gaben dem Busbahnhof von Santa Pola (Spanien) eine sehr charakteristische, nach aussen verjüngte Metalldachkonstruktion. Foto: Filippo Poli
×"We’re all going on a summer holiday", sang der junge Cliff Richard in seinem geistreich betitelten Filmmusical "Summer Holiday" von 1963. Auf der Suche nach Spass fährt der frische Teenystar mit einer Bande Heranwachsender in einem londonroten Doppeldeckerbus durch Europa. Sonne, gute Laune und unvermeidliche Ausweichmanöver dienen natürlich nur als Vehikel (der musste sein), um den rockenden Posterboy zu promoten.
Busbahnhöfe als Gebäude hatten, im Vergleich zu Flughäfen und Zugbahnhöfen, bei der städtischen Glamour-und-Relevanz-Verteilung jedoch meist das Nachsehen. Natürlich gibt es Ausnahmen wie die Art-Deco-Pracht der Londoner Victoria Coach Station (1932) oder Dublins International Style Busáras (1945-1953) von Michael Scott, Irlands führendem Architekten jener Zeit mit gewelltem Betonvordach, Dachrestaurant und Kino. Und natürlich die kürzlich unter Denkmalschutz gestellte brutalistische Preston Bus Station von 1969 im Norden Englands.
Durch die kühne geometrische Form unterscheidet sich der neue Busbahnhof von Santa Pola in Spanien mit Nachdruck von seiner unmittelbaren, industriell geprägten Umgebung. Fotos: Filippo Poli
Durch die kühne geometrische Form unterscheidet sich der neue Busbahnhof von Santa Pola in Spanien mit Nachdruck von seiner unmittelbaren, industriell geprägten Umgebung. Fotos: Filippo Poli
×Einige Beispiele aus jüngerer Zeit zeigen ein neues Interesse der Architekten daran, den Wert dieser Nutzarchitektur zu erweitern und die Gebäude selbst zu ansprechenden Zielen zu machen. Der neue Busbahnhof in Santa Pola, Spanien, erhält eine dramatische Erscheinung durch seine grosse, nach aussen verjüngte Metalldachkonstruktion, die durch abgewinkelte Wände gestützt wird. Das neue Wahrzeichen der Stadt, von den Architekten Manuel Lillo und Emilio Vicedo entworfen um wartende Fahrgäste zu schützen, ist leicht im umliegenden industriellen Kontext auszumachen und bildet als Abreise- und Ankunftsort einen wertvollen sozialen Ort.
Mit begrenztem Budget haben MAXWAN architects + urbanists eine Reihe spielerischer Haltestellen rund um den Rotterdamer Hauptbahnhof entworfen. Die extrem dünnen Stahldächer geben dem öffentlichen Platz eine einladende Stimmung. Fotos: Filip Dujardin
Mit begrenztem Budget haben MAXWAN architects + urbanists eine Reihe spielerischer Haltestellen rund um den Rotterdamer Hauptbahnhof entworfen. Die extrem dünnen Stahldächer geben dem öffentlichen Platz eine einladende Stimmung. Fotos: Filip Dujardin
×Mit begrenztem Budget schufen MAXWAN architects + urbanists eine Serie von verspielten Bushaltestellen vor dem Rotterdamer Hauptbahnhof. Von den Architekten als dünnste Stahldächer der Welt vorgestellt geben die optisch leichten (aber doch je 5 Tonnen schweren) Konstruktionen durch ihre wechselnd konkaven und konvexen Formen dem öffentlichen Raum um den Bahnhof (eine Gegend, die normalerweise durch Hast charakterisiert ist) eine freundliche, einladende Identität.
An der Grenze zwischen Stadt und Land gelegen spiegelt die Busstation in Trujillo (Spanien) die zerklüftete Landschaft, in der sie sich befindet. Fotos: Fernando Alda
An der Grenze zwischen Stadt und Land gelegen spiegelt die Busstation in Trujillo (Spanien) die zerklüftete Landschaft, in der sie sich befindet. Fotos: Fernando Alda
×Das Setting für Ismo Arquitecturas Busbahnhof in Trujillo (Spanien) ist ein komplett anderes. Die monolithische Betonstruktur liegt an der Grenze zwischen Stadt und Land. Sie wurde um eine Reihe von Höfen organisiert, bietet den Reisenden ein Café, Lang- und Kurzstrecken-Warteräume und tritt materiell und farblich in Dialog zum steinigen Gelände der Umgebung. Überlappende Dachplatten und strategische Verglasung lassen Tageslicht in das Innere der Busstation dringen und kaschieren die Menge an Beton, die den Bahnhof definiert.
Zickzackförmige Dächer und grafische Linien charakterisieren CAZAs Bushaltestellen für die philippinische Stadt Cebu. Die Architekten nehmen mit den Entwürfen Bezug auf die lokale Tradition der Korbflechterei. Fotos: Frank Callaghan
Zickzackförmige Dächer und grafische Linien charakterisieren CAZAs Bushaltestellen für die philippinische Stadt Cebu. Die Architekten nehmen mit den Entwürfen Bezug auf die lokale Tradition der Korbflechterei. Fotos: Frank Callaghan
×In Cebu auf den Philippinen hat das Architekturbüro CAZA eine Reihe von ausdrucksstarken Busstationen als Teil des neuen städtischen Transportsystems BRT gestaltet. Laut CAZA ist die Form der Wartehäuschen eine Referenz an die lokale Tradition der Korbflechterei. Die stark geometrischen Bauten mit zickzackförmigen Dächern (konzipiert um Regenwasser abzuleiten) und glasierten Platten werden an den Seiten grafisch unterstützt durch diagonale Streifen in Grün und Blau. Als metaphorische Anlehnung an die Verbindung zweier Punkte auf einer Liniennetzkarte gedacht spenden die bunten Streifen zusätzlichen Schatten.
Benthem Crouwels zweistöckiges 80qm-Gebäude für Busfahrer bietet im Amsterdamer Zentralen Busbahnhof auf kleiner Fläche eine Kantine, Arbeitsplatz, Aufbewahrungsraum und Toilette. Fotos: Jannes Linders
Benthem Crouwels zweistöckiges 80qm-Gebäude für Busfahrer bietet im Amsterdamer Zentralen Busbahnhof auf kleiner Fläche eine Kantine, Arbeitsplatz, Aufbewahrungsraum und Toilette. Fotos: Jannes Linders
×Allerdings geht es nicht nur um Passagiere. Auch die Busfahrer wollen versorgt sein. Unseren zweiten Stopp in den Niederlanden machen wir in Amsterdam. Hier haben Benthem Crouwel ein kleines, zweigeschossiges Gebäude innerhalb des Zentralen Omnibusbahnhofes gebaut, in dem sich die Busfahrer aufhalten können. Auf insgesamt 80 qm verfügt das Häuschen über einen Aufbewahrungsraum, einen technischen Bereich und Toiletten im Erdgeschoss. Eine Wendeltreppe führt nach oben, wo die Fahrer eine Kantine und einen Arbeitsbereich finden. Ein grosszügiges Fenster am Ende des langgestreckten Gebäudes eröffnet einen Panoramablick auf das belebte Innere des Bahnhofs und auf den angrenzenden Fluss IJ.
Keine Frage: Busbahnhöfe sind auf der Überholspur.
© Architonic