Poesie des Einkaufens: Das Aesop-Erlebnis

Vor dem Hintergrund des unaufhaltsamen Aufstiegs des E-Commerce, die allgemeine Gewissheit negierend, dass eine erfolgreiche Markenidentität zwingend an die Grundsätze von Gleichheit und Konsistenz gebunden ist, hat das Hautpflege-Label Aesop eine selbstbewusst kreative und dabei kommerzielle Position eingenommen und ein Portfolio einzigartiger, poetischer Verkaufsflächen aufgebaut – jede Einzelne in Zusammenarbeit mit einer führenden Grösse in Architektur und Design.

Von Snøhetta und Paulo Mendes da Rocha zu Ilse Crawford und Ciguë wurde eine Reihe von querdenkenden Kreativen beauftragt, einzigartige Storerfahrungen zu realisieren, mit mutigen Konzepten, starken Materialentscheidungen und handwerklicher Qualität. Die Resultate sind Geschäfte, die wie Bühnenbilder daherkommen und aus dem Einkauf eher ein Event machen als eine alltägliche Tätigkeit.

Architonic sprach mit Marsha Meredith, Creative Director bei Aesop, über das Konzept des Markenaufbaus durch kreativen Ladenbau.

….

Wie suchen Sie die Architekten und Designer aus, mit denen Sie bei der Gestaltung Ihrer Filialen zusammenarbeiten?

Wir versuchen immer, mit dem bereits Vorhandenen zu arbeiten. Deshalb schauen wir uns als Erstes den individuellen Charakter des aktuellen Projektes an. Mit diesem Verständnis suchen wir einen passenden Architekten für die einzigartigen Möglichkeiten jeder Location. Wo es möglich ist, greifen wir auf lokale Architekten mit guter Kenntnis der Region oder mit einer besonderen Verbindung zum Ort zurück.

Wie offen sind die Briefings? Und umgekehrt, was haben alle gemeinsam?

Das hängt von unserer Beziehung zu dem Architekten ab; verstehen wir uns gut, dann kann es durchaus ein konzeptuelleres Bild oder Objekt sein, das die Richtung in eher poetischer als funktionaler Weise vorgibt. Es ist auch möglich, dass wir Materialien, Farbtöne oder Genres vorschlagen. Jedes Briefing gibt Leitlinien für die operativen und funktionalen Anforderungen vor. Wir zielen aber immer darauf ab, so wenige Vorgaben wie möglich zu machen, damit die Architekten ihre Ideen frei entfalten können.

Wie stellen Sie sicher, dass die Marke Aesop durch die verschiedenartigen In-Store-Umgebungen repräsentiert und erlebbar wird? Wo ist der rote Faden in all der Heterogenität?

Es gibt einige Aesop-Codes, die sich durch alle Geschäfte ziehen und sich auf alle Bereiche erstrecken. Die einfachsten und grundlegendsten sind Qualität, durchdachtes Design, einnehmende Andersartigkeit und Non-Konformität. Zum Teil erreichen wir das durch die Arbeit mit Leuten, die auf diese Qualitäten abgestimmt sind, Leute, die die athmosphärische Natur von Architektur verstehen und Subtilität, Materialität und Handwerkskunst zu schätzen wissen. Und es wird schliesslich durch unsere Retail-Teams zum Ausdruck gebracht, die jeden Raum täglich zum Leben erwecken. Es ist unsere Absicht, Lärm und Unordnung, denen wir täglich ausgesetzt sind, konsequent zu reduzieren und so einen Moment der Ruhe für die Sinne zu erschaffen.

Inwieweit sind Ihre Store-Designs standortspezifisch in Bezug auf den Dialog mit dem vorhandenen physischen Raum, dem unmittelbaren architektonischen Kontext und dem weiteren städtischen Umfeld?

Den lokalen Kontext behalten wir absolut im Auge. Wir gehen behutsam vor und versuchen mit lokalen Architekten und Materialien zu arbeiten und so weit wie möglich ursprüngliche Elemente und Fassaden zu erhalten.

Ein aktuelles Beispiel ist Aesop Stockbridge, Edinburgh, wo wir mit einem schottischen Schreiner-Team namens Method gearbeitet haben, um massgeschneiderte Regale und Möbel aus einer einzigen Platane anzufertigen. Den Baum wählte einer der Tischler auf seiner morgendlichen Route mit dem Hund. In Sapporo, Japan, ist das Hauptmaterial ein traditionell genutzter Stein, der aus dem örtlichen Berg geschnitten wurde. Und in Brera, Mailand, verwendete Vincenzo de Cotis wiederaufbereitete Materialien, um aussergewöhnliche Möbel zu schaffen.

Manchmal beziehen wir uns mit dem Design auch auf die Geschichte eines Ortes. Im Aesop-Store Le Marais von Ciguë zum Beispiel wurden aus über 427 oxidierten Stahlrohrkappen – die gleichen die in der Kanalisation der Stadt verwendet werden – kleine Displayregale gefertigt. Oder Prisensgate in Oslo, entworfen von Snøhetta, mit Formen die den Dächern der östlich-orthodoxen Kirchen entlehnt sind. In London, im Store an der Lamb's Conduit Street, haben James und Hannah vom James Plumb Studio ein Kupferregalsystem gebaut, durch das Wasser durch den Laden fliesst, zusammen mit einer skulpturalen Installation, die auf die reiche Geschichte der Strasse verweist.

Welche Architekturbüros oder Designstudios sind auf Ihrer Wunschliste für eine zukünftige Zusammenarbeit?

Wir sind an der Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von talentierten Architekten und originellen Denkern interessiert, um Ideen zu erforschen und die Poesie in der baubaren Form. Wir haben ein wachsames Auge auf aufstrebende Talente, aber letztlich geht es darum, sich mit Gleichgesinnten in einem sinnvollen Designdialog zu verbinden.

© Architonic