Quadratur des Kreises: WilkinsonEyre und das Gasometer
Text von Simon Keane-Cowell
Zürich, Schweiz
24.04.18
Die Umnutzung eines viktorianischen Gasometer-Ensembles durch das britische Architekturbüro WilkinsonEyre macht aus dem Denkmal ein Architekturhighlight für das Hier und Jetzt.
Ein bekanntes und beliebtes Wahrzeichen zu verändern, ist auf vielen Ebenen herausfordernd, geht weit über fachmännische Rastaurierungsarbeiten hinaus und soll letztendlich auch zweckmässig und relevant sein. Das renommierte britische Architekturbüro WilkinsonEyre ist verantwortlich für die erfolgreiche Transformation dreier gusseiserner Gasometer aus dem 19. Jahrhundert in die perfekte Kulisse für Luxusapartments. Der Leiter des Büros, Chris Wilkinson, spricht über die Hürden und Chancen bei diesem Projekt im Londoner Stadtteil King’s Cross.
Ist adaptive Umnutzung ein Kreativitätskiller oder ist gerade die Limitierung befreiend, die sich aus der Notwendigkeit ergibt, die Anforderungen an die neue Funktionalität mit dem Wunsch in Einklang zu bringen, den Charme des ursprünglichen Charakters zu erhalten?
Adaptive Reuse Projekte sind sehr herausfordernd aber auch genauso bereichernd. Es gibt so viele ungenutzte historische Gebäude, die man einfach erhalten muss. Sagt man ja zu so einem Projekt, sollte man es auch ernst nehmen und sich mit den Besonderheiten des Gebäudes auseinanderzusetzen. Die drei Gasometer in London stehen unter Denkmalschutz, mussten also in unserem Fall erhalten bleiben. Wenn alte und neue Elemente aufeinandertreffen, entsteht oft eine spannende Architektur.
Ich finde, derartige Eingriffe müssen zeitgemäss und modern sein und sich ganz klar von den historischen Teilen des Gebäudes abheben. Das Projekt gehört in den grösseren Kontext unseres industriekulturellen Erbes und man stösst unweigerlich auf designimmanente Herausforderungen. Mich fasziniert der Prozess, sich diesen Hürden zu stellen und wie man sie schliesslich überwindet.
Sozusagen die Quadratur des Kreises. Wie konnten Sie das mit den Londoner Gasometern bewerkstelligen?
Die Arbeit mit dem Kreis als geometrische Grundform hat ihre eigenen Tücken aber kann sehr gut funktionieren. Bei den Londoner Gasometern entstanden wirklich grossartige Ideen. Mit dem richtigen Grundriss bringt die runde Form der Gebäude sehr viel Tageslicht in die Apartments, wobei die Wohn- und Schlafräume ganz aussen liegen. Durch die Geometrie entstehen grosszügige Apartments in Form von Tortenstücken. Das Ergebnis nenne ich gerne “expansive Räume.”
Bei der Entwurfsentwicklung für die Gasometer sollte ein dynamischer Kontrapunkt zwischen alt und neu geschaffen werden. In diesem Fall der Kontrast zwischen dem Aussengerüst mit seiner massiven Industrieästhetik sowie rohen Materialität und den Wohnräumen im Inneren, die dagegen zart und vielschichtig wirken und von der präzisen Feinmechanik eines Uhrwerks inspiriert sind.
Welchen Mehrwert haben umgenutzte Gebäude für deren Nutzer und die Gesellschaft?
Bei einem historischen Gebäude, dessen Architektur sich gut etabliert hat, besteht kein Risiko, dass es in ein paar Jahren veraltet wirkt. Solche Gebäude sind dauerhaft und als Anwohner ist man eng mit ihnen und ihrem Umgebungskontext verbunden. Die Gasometer in unserem Fall sind ein bekanntes Wahrzeichen von London und haben eine ausgeprägte Identität. Ganz ähnlich wie Battersea Power Station, wo wir das ursprüngliche Kraftwerk restaurieren und Wohnungen, Geschäfte und Gewerbeflächen entstehen lassen. In der öffentlichen Wahrnehmung prägen beide das Stadtbild und jeder – egal ob Anwohner, Tourist oder Passant – kann sich damit identifizieren.
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Bilder:
Peter Landers (1-6; 8)
James Brittain (7)
© Architonic