Same same but different: Unique Youniverse auf der DOMOTEX 2018
Brand story von Simon Keane-Cowell
Zürich, Schweiz
24.10.17
Architonic sprach mit dem Architekten Peter Ippolito – Chefjuror der Ausstellung 'Framing Trends' bei der kommenden DOMOTEX – über den neuen thematischen Fokus der internationalen Fachmesse für Bodenbeläge auf Individualisierung und deren Bedeutung für Architekten und andere Planer.
Thematischer Schwerpunkt der 2018er Ausgabe der Domotex ist der sich schnell entwickelnde Trend zur Individualisierung
Die Leute bei DOMOTEX lassen Worten Taten folgen
Zuerst haben sie Individualisierung und Massanfertigung, also Trends, an denen branchenübergreifend zur Zeit niemand vorbeikommt, zum Hauptthema der weltweit führenden Messe für Bodenbeläge gemacht. Und dann haben sie sich noch dazu auf die Fahne geschrieben, die traditionelle Organisation der Fachmesse, die im Januar nächsten Jahres unter dem passenden Namen 'Unique Youniverse' stattfinden wird, weiterzuentwickeln und mit vielen Neuerungen an den Start zu gehen.
Egal ob schnelldrehende Produkte oder Luxussegment: Dank rasanter technologischer Entwicklungen nutzen Konsumenten auf der ganzen Welt immer mehr die Möglichkeit, Waren, die sie kaufen, mitzugestalten. Das geht so weit, dass massgeschneiderte Lösungen inzwischen in vielen Bereichen erwarteter Standard sind. Die globale Fussbodenbranche hat darauf mit Nachdruck reagiert und Produkte und Services lanciert, die es jedem erlauben, “sein Ding zu machen”.
Auf der Domotex 2018 schaut die von Peter Ippolito (Ippolito Fleitz Group, Stuttgart) kuratierte Sonderausstellung Framing Trends auf aktuellen Stand und zukünftige Entwicklungen im Bereich personalisierter, individueller Räume und Oberflächen
Auf der Domotex 2018 schaut die von Peter Ippolito (Ippolito Fleitz Group, Stuttgart) kuratierte Sonderausstellung Framing Trends auf aktuellen Stand und zukünftige Entwicklungen im Bereich personalisierter, individueller Räume und Oberflächen
×Die Organisatoren von Domotex haben entsprechend reagiert, die Messe umgestaltet und alles an dieses neue Thema angepasst.
Die Domotex geht über das gewöhnliche Fachmessenkonzept – eine Ansammlung von Marken, die Messeständen für ihre neuesten Produkte präsentieren – einen grossen Schritt hinaus und denkt das Event neu: als Forum für den Austausch von Fragen und Ideen der Gegenwart.
Die Hallen 2 bis 4 beherbergen die weltgrösste Auswahl an handgeknüpften Teppichen, in den Hallen 5 bis 7 werden maschinengewebte Teppiche ausgestellt. Weitere Hallen zeigen innovative Designer und Labels, elastische Bodenbeläge, LVTs (Luxury Vinyl Tiles), Laminat und Holzböden. Zusätzlich zu dieser Neuorganisation der Produktgruppen, mit der sich die Gäste besser zurechtfinden sollen, widmet sich die Halle 9 einer Sonderausstellung mit dem Titel Framing Trends.
Hier treffen Metapher und Wortbedeutung aufeinander, denn in einer speziell dafür designten, sorgfältig kuratierten Landschaft reihen sich einzeln eingefasste Bühnen zu einer inspirierenden Welt aneinander, die zum Nachdenken anregt. Jede dieser Bühnen stammt entweder von einer Marke, einem aufstrebenden Designer oder einem Künstler und fragt direkt nach den Chancen, Herausforderungen und Bedeutungen von Individualisierung in der materiellen Welt
Die Jury der Domotex Framing Trends hatte den Auftrag, aus insgesamt 40 Einreichungen von Herstellern, jungen Designern und Künstlern 21 auszuwählen
Die Jury der Domotex Framing Trends hatte den Auftrag, aus insgesamt 40 Einreichungen von Herstellern, jungen Designern und Künstlern 21 auszuwählen
×Die Wahl des Bodens ist nur ein Teil des innenarchitektonischen Gesamtentwurfs und in den präsentierten Inszenierungen kann man die ganze Palette von Oberflächen erkunden, auf denen wir heute oder vielleicht morgen wohnen werden.
Der Architekt Peter Ippolito von der Ippolito Fleitz Group aus Stuttgart ist Vorsitzender der Jury und verantwortlich für den hohen Standard und den frischen konzeptuellen Wind bei Framing Trends. Dank seiner Büros in fünf Ländern kommt Ippolito ständig in Kontakt mit neuen Ideen und Einflüssen. “Ich geniesse das Privileg, viel reisen zu dürfen, dabei viele Menschen zu treffen und mich von all dem beeinflussen zu lassen. Das eröffnet mir unglaublich viele Auswahlmöglichkeiten. Das ist das schöne an meinem Job. Es gibt niemals Stillstand.” Er und seine Jury mussten aus insgesamt 40 eingereichten Anträgen 21 auswählen. Eine Aufgabe, um die man sie nicht beneidet.
Architonic hatte kürzlich die Gelegenheit, mit Ippolito darüber zu sprechen, wie relevant das Motto ‘Unique Youniverse’ für eine Messe wie die Domotex ist, was Individualisierung für unsere Identität bedeutet und warum Schwarz Tragen mehr ist als nur schwarze Kleidung zu tragen.
Im Framing Trends Teilbereich 'NuThinkers' untersucht Nina Düwel, wie Bodenbeläge als umfassendes Orientierungssystem für Sehbehinderte funktionieren können
Im Framing Trends Teilbereich 'NuThinkers' untersucht Nina Düwel, wie Bodenbeläge als umfassendes Orientierungssystem für Sehbehinderte funktionieren können
×Warum ist das Thema Individualisierung oder ‘Unique Youniverse’ so interessant für Architekten?
Damit Domotex für Architekten als Zielgruppe relevanter wird, ist es wichtig, einschlägige Themen zur Diskussion zu stellen. Und ich glaube, dass Individualisierung ein sehr relevantes Thema ist, weil es das Potential hat, die Art und Weise, wie wir Räume sehen und wahrnehmen, nachhaltig zu verändern.
Unsere traditionelle Perspektive auf den Raum ist eher statisch, aber das verändert sich gerade zugunsten von etwas Neuem, und wir wissen noch nicht genau, wie es morgen aussehen wird. Unsere Betrachtung von Räumen, die man um uns herum kreiert, wird immer dynamischer und das ist erst der Anfang einer längeren Auseinandersetzung mit dem Thema – nicht nur als ein kurzlebiger Trend sondern auf Jahrzehnte hinaus, als Teil unserer Realität als Architekten und Designer.
Peter Ippolito: "Es gibt einen Wandel in der Art und Weise, wie wir Raum betrachten und wie Räume um uns herum geschaffen werden – nicht nur als Trend, sondern auch als Teil unserer Realität als Architekten und Designer für die nächsten Jahrzehnte."
Peter Ippolito: "Es gibt einen Wandel in der Art und Weise, wie wir Raum betrachten und wie Räume um uns herum geschaffen werden – nicht nur als Trend, sondern auch als Teil unserer Realität als Architekten und Designer für die nächsten Jahrzehnte."
×Aber warum ausgerechnet Domotex?
Böden waren und sind ein enorm wichtiger Teil unserer gebauten Umwelt, und sie haben das Potential, nun eine noch grössere Rolle zu spielen, wenn die Identität eines Raums gestaltet werden soll. Ich finde, dass es dort, wo es nicht mehr nur um Zweckmässigkeit geht, erst interessant wird, wenn man neu denkt, was ein Boden sein kann.
Dank neuer Technologien sind wir in der Zukunft oder jetzt schon in der Lage, Bodenbeläge anders herzustellen, denn wir sind nicht mehr gezwungen, sie in Grossauflagen zu produzieren. Heutzutage werden Materialien, insbesondere Oberflächen, immer intelligenter oder adaptiv. Ich denke, alles, was mit solchen Oberflächen zu tun hat, wird noch sehr spannend werden.
Der industrielle Digitaldruck, individuell auf den Kunden zugeschnitten, bildet eine Installation von Claessen im Rahmen des Framing Trends Bereiches 'Flooring Spaces'. Entwurf: Konstantin Landuris für Claessen auf der Domotex 2018
Der industrielle Digitaldruck, individuell auf den Kunden zugeschnitten, bildet eine Installation von Claessen im Rahmen des Framing Trends Bereiches 'Flooring Spaces'. Entwurf: Konstantin Landuris für Claessen auf der Domotex 2018
×Wenn Sie zurückdenken, zu welchem Zeitpunkt haben Sie Oberflächen für gewöhnlich in die Raumplanung einbezogen? Treffen Sie solche Entscheidungen jetzt früher in der Projektplanung, weil Technologien es Ihnen erlauben, individuelle Oberflächen als zentrales raumbildendes Element zu verwenden?
Das kann man so pauschal nicht sagen. Wir haben so vielfältige Projekte. Es hängt vom Auftraggeber ab und von der Zielgruppe, vom Zeitfenster und dem Budget. Aber eine Sache läuft immer gleich ab: Am Anfang steht immer ein Konzept, eine starke Idee als Motor. Natürlich sind manchmal bestimmte Materialien die treibende Idee dahinter, weil ein bestimmtes Material durch den Kontext unausweichlich erscheint. Und die Atmosphäre, die man erzielen will, ist dann vielleicht sogar wichtiger als der konzeptionelle Entwurf. In solchen Fällen denken wir zu einem sehr frühen Zeitpunkt über Oberflächen nach.
Amini Carpets kooperieren u. a. mit Galerien, um einzigartige Teppiche zu erschaffen, die den Innenraum definieren. Auch sie werden bei Framing Trends zu sehen sein
Amini Carpets kooperieren u. a. mit Galerien, um einzigartige Teppiche zu erschaffen, die den Innenraum definieren. Auch sie werden bei Framing Trends zu sehen sein
×Wie oft nutzen Sie in der Praxis individuelle Oberflächenmaterialien?
Für fast jedes Projekt. Das war schon immer unsere Herangehensweise. Wir erschaffen hoch-individuelle, massgeschneiderte Orte, in denen sich die Identität unseres Kunden oder die von dessen Kunden widerspiegelt. Geändert hat sich eigentlich nur, dass das alles heute viel leichter ist, weil die Technik viele Prozesse vereinfacht hat, sei es Digitaldruck oder die Möglichkeit, mit kleinen Stückzahlen zu arbeiten, ohne dass es teurer wird. Alles wird zugänglicher. Dieser Wandel betrifft die gesamte Industrie, nicht nur einen Nischen- oder Premiummarkt. Und jeder Designer kann diese Möglichkeiten nutzen.
Das kann natürlich auch nach hinten losgehen, wenn man es zu gut meint. Je mehr Möglichkeiten man hat, desto mehr Disziplin braucht es, um die richtigen Entscheidungen zu treffen.
NuThinker Nele Ratjen liess sich für ihre Fussbodenheizung von der Körpertemperaturregelung der Reptilien inspirieren. Der Nutzer kann das System selbst konfigurieren und ein attraktives Designelement gestalten
NuThinker Nele Ratjen liess sich für ihre Fussbodenheizung von der Körpertemperaturregelung der Reptilien inspirieren. Der Nutzer kann das System selbst konfigurieren und ein attraktives Designelement gestalten
×In Bezug auf Materialien – wie individualisiert sind Sie selbst? Ich sehe, Sie als Architekt tragen Schwarz.
(Lacht.) Ein sehr raffiniertes Schwarz. Sehen Sie, einerseits sind wir offenbar ständig auf der Suche nach einer sozialen Peergroup, wollen aber trotzdem einzigartig sein. In meiner Position habe ich das Privileg, viel zu reisen, viele Menschen zu treffen, mich von so vielen Dingen inspirieren zu lassen. Ich glaube, dadurch viel mehr Auswahlmöglichkeiten zu haben und einen guten Überblick darüber, was alles machbar ist. Manchmal ist das allerdings fast schon überwältigend.
Konkret zu Ihrem Beispiel, ja, darum trage ich Schwarz. (Lacht.) Ich sammle Dinge von überall auf der Welt, ob das nun Kunst ist oder Kleinkram am Strand. All das wird zu einem Teil der eigenen Welt, zu einer persönlichen Wunderkammer und macht die eigene kleine Welt erst einzigartig.
Fairkorkt wurde von den NuThinkers Sarah Gerner und Johanna Kolb entworfen und ist ein umweltfreundlicher, veganer Korkteppich, dessen Einzelelemente zu immer neuen Texturen und Mustern bewegt werden können
Fairkorkt wurde von den NuThinkers Sarah Gerner und Johanna Kolb entworfen und ist ein umweltfreundlicher, veganer Korkteppich, dessen Einzelelemente zu immer neuen Texturen und Mustern bewegt werden können
×Mit der globalen Digitalisierung geht eine permanente Flut von Bildern und Informationen einher, die manche auch als störend empfinden. Könnte der immer häufigere Wunsch, oder sogar das Bedürfnis, klar Stellung zu beziehen, seine eigenes Profil zu schärfen, eine Antwort auf dieses digitale Phänomen mit analogen Mitteln sein?
Ja, das wird zur Zeit heiss diskutiert. Ein Teil unseres Alltags als Konsumenten besteht darin, uns in der überwältigenden Masse von Möglichkeiten und Bildern zu verlieren. Wir gucken über 100 Mal am Tag auf unser Smartphone. Ein Amerikaner beschäftigt sich im Schnitt sechs Stunden pro Tag mit seinem Smartphone. Das beeinflusst bereits gravierend, wie wir uns selbst in der materiellen Welt verorten und wie wir unsere Beziehung zu Dingen und anderen Menschen erleben.
Das hat enorme Auswirkungen auf das Produktdesign. Wir haben also zwei Hauptrichtungen. Einerseits lieben wir Virtual Reality. Wir können uns glücklich schätzen dadurch heute so viele Möglichkeiten zu haben, von denen wir auch profitieren. Es ist doch herrlich, in einer Welt zu leben, in der es für deine Emotionen oder deinen Ausdruck wortwörtlich keine Grenzen gibt, weil immer mehr Menschen darauf zugreifen können und nicht nur ein paar wenige Privilegierte.
Die Referenten der Domotex-Pressekonferenz in Hamburg kommen aus verschiedenen Disziplinen, teilen aber das Interesse an den Möglichkeiten und Herausforderungen, der individuellen Gestaltung unsere materiellen Welt
Die Referenten der Domotex-Pressekonferenz in Hamburg kommen aus verschiedenen Disziplinen, teilen aber das Interesse an den Möglichkeiten und Herausforderungen, der individuellen Gestaltung unsere materiellen Welt
×Dies ist allerdings auch an Verantwortung gekoppelt: Wie wähle ich aus? Diese Auswahl muss gut kuratiert werden, muss eingegrenzt werden. Wie suche ich nach Dingen? Wir sehen das oft bei unseren Kunden. Die suchen nach Werten. Wenn ich den ganzen Tag mit Bildern und Geschichten bombardiert werde, schmälert das ihren Wert. Ein Bild ist heutzutage nichts mehr Wert, weil es nur eins von vielen tausenden ist, die ich jeden Tag sehe. Welches ist nun relevant? Wie kann etwas überhaupt noch relevant sein? Räume relevant und bedeutsam zu machen, ist deshalb das Ziel unserer Arbeit.
© Architonic