Mit der Verlegung der imm cologne von Januar auf Juni 2023 positioniert sich die Messe neu. Und das nicht nur in terminlicher Hinsicht. Architonic spricht mit dem Creative Director über die Chancen und Herausforderungen.

Die deutsche Kult-Möbelmesse imm cologne, die traditionell zu Beginn des Kalenderjahres stattfindet, empfängt Besucher:innen 2023 stattdessen im sonnigeren Monat Juni. Bild: Koelnmesse/imm cologne

Was ist die Zukunft der imm cologne? | Aktuelles

Die deutsche Kult-Möbelmesse imm cologne, die traditionell zu Beginn des Kalenderjahres stattfindet, empfängt Besucher:innen 2023 stattdessen im sonnigeren Monat Juni. Bild: Koelnmesse/imm cologne

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Not macht erfinderisch. Unter Druck entfaltet man ungeahnte Fähigkeiten. (Fügen Sie hier Ihren Lieblingsspruch über Innovation ein.)

Wie auch immer man es dreht und wendet, es passiert gerade viel in der Welt – und damit einher geht auch viel Veränderung. Aber wenn eine jahrzehntealte Tradition radikal umgeworfen wird, sorgt das natürlich für Stirnrunzeln.

Als ich hörte, dass die imm cologne – diese feste Grösse im internationalen Messekalender – ihre Ausgabe 2023 von Januar auf Juni verlegt, war ich sehr neugierig auf die Gründe für eine solch einschneidende Veränderung. Ist die Pole Position der Messe zu Beginn des Jahres nicht ein wichtiger Teil ihrer Daseinsberechtigung, da sie wie so oft den Anspruch erhebt, die Agenda für die Frühjahrsdesignsaison zu bestimmen? Wurde die neue Frühjahrsausgabe, wie die Messeveranstalter:innen sie nennen, aus der Not heraus geboren oder ist sie das Ergebnis einer Strategie? Oder beides? (Wenn wir ehrlich sind, ist Köln im Juni ein schöneres Pflaster als in den dunklen Tagen Anfang Januar).

Und eine internationale Designausstellung nur sechs Wochen nach der grossen Mailänder Salone? Wie soll das funktionieren?

Physische Messen überdenken gerade ihren Zweck. Das wissen wir. Die Coronakrise und ihre makroökonomischen Auswirkungen haben diesen Prozess nur noch beschleunigt. Aber wird diese neueste Ausgabe der imm cologne für die ausstellenden Marken und für die Fachbesucher:innen Relevanz und Bedeutung haben? Ich habe den Creative Director der imm cologne, Dick Spierenburg, zu einem offenen Gespräch eingeladen.

Covid mag die Designbranche zu einem grundlegenden Umdenken gezwungen haben, aber die Möglichkeit zur engen Interaktion mit Produkten und Menschen bleibt ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal von Messen wie der imm cologne. Fotos: Koelnmesse/imm cologne

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Covid mag die Designbranche zu einem grundlegenden Umdenken gezwungen haben, aber die Möglichkeit zur engen Interaktion mit Produkten und Menschen bleibt ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal von Messen wie der imm cologne. Fotos: Koelnmesse/imm cologne

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Schön, mit Ihnen zu sprechen, Dick. Kommen wir gleich zur Sache. Was ist los? Warum wurde die imm cologne von Januar auf Juni verlegt?

Wir sind gezwungen, uns zu verändern. Es gibt die Disruption durch Corona, aber es gibt auch Disruptionen, die weiter zurückreichen. Vieles hat sich verändert, und vielleicht hat das sogar mit Architonic angefangen. Es gibt so viele neue Informationen – über Produkte, über Kollektionen, über Dinge, die innovativ oder inspirierend sind –, dass viele von uns Zweifel daran haben, ob wir diese alten Formate brauchen.

Corona hat uns gezeigt, dass wir uns im Internet sehr gut informieren können. Wir können jederzeit alles finden. Aber was wir nicht finden können, ist der persönliche Kontakt. Und wir können Dinge nicht näher unter die Lupe nehmen, uns hinsetzen und sie anfassen, sie ausprobieren und testen und mit Kolleg:innen über Themen diskutieren. Hier kommen wieder die Messen ins Spiel, denn sie können nun ihren Mehrwert unter Beweis stellen. Aber diesen Wert haben sie nur im Vergleich und in Kombination mit den neuen Medien und Orientierungsmöglichkeiten.

Da stimme ich Ihnen zu. Auch wenn Architonic, nur um das klarzustellen, schon immer ein Verfechter des physischen Messeformats war. Es ist also mehr als nur eine Terminverschiebung für die imm cologne?

Januar war meiner Meinung nach schon immer eine etwas schwierige Zeit für die Messe in Köln. Der Winter ist nicht die beste Zeit, um andere Länder und Städte zu besuchen. Das war schon oft Thema: dunkle Tage, kalt, es ist nicht so einfach in die Stadt zu gehen und die Dinge um sich herum zu geniessen. Und dann kam Corona – der strengste Winter überhaupt. Und nun sind die Aussichten für diesen Winter ungewiss. Auch von den Aussteller:innen in Deutschland selbst wurde vielfach der Wunsch geäussert, von Januar in eine sicherere Zeit zu wechseln – obwohl natürlich gleichzeitig einige immer noch der Meinung sind, dass der Jahresanfang besser war.


Aber ehrlich gesagt haben wir bereits vorher an einem neuen Konzept gearbeitet, weil die alten schlicht nicht mehr funktionieren. Die imm ist nicht einfach eine Messe für die Wirtschaft. Sie ist auch nicht der einzige Ort, an dem neue Produkte vorgestellt werden. Sie muss mehr sein. Ich muss immer wieder darauf zurückkommen, was die Wünsche der Besucher:innen sind. Wie können wir den Kontakt mit Köln herstellen, wie können wir sie dazu bringen, zu uns zu reisen?

Schon vor Covid gab es Überlegungen, wie die imm weiter optimiert werden kann. Die Verlegung in den Juni ist nur eine der Änderungen, um sich neuen Gegebenheiten anzupassen und letztlich die Besucher:innen besser zu bedienen. Fotos: Koelnmesse/imm cologne

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Schon vor Covid gab es Überlegungen, wie die imm weiter optimiert werden kann. Die Verlegung in den Juni ist nur eine der Änderungen, um sich neuen Gegebenheiten anzupassen und letztlich die Besucher:innen besser zu bedienen. Fotos: Koelnmesse/imm cologne

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Es geht also um eine Neupositionierung. Ich glaube nicht, dass das irgendjemand bestreiten würde. Aber was ist dieses „mehr“?

Neben den Produkten ist es wichtig, andere Inputs zu haben, und über die in unserer Branche vorherrschenden Themen zu sprechen. Wir müssen uns zum Beispiel nicht nur über Nachhaltigkeit, sondern auch über Materialien austauschen. Die Frage, ob wir jedes Jahr so viele neue Produkte brauchen, oder ob wir nicht bescheidener sein können, wenn es darum geht, Dinge zu entwickeln und ihr Aussehen zu verändern, damit sie neu bleiben. Wir müssen also über die Themen diskutieren, die für unseren Berufsstand wichtig sind und die ich als Aufgabe unserer Messe sehe. Und das alles in einem sehr kompakten Zeitrahmen. Viele sind nur für ein oder zwei Tage da – ein kurzer Besuch, der eine Menge Einblicke und Inspirationen bringen soll.

Aber wie sieht das in der Praxis aus? Die Theorie klingt toll, aber wie wird sie verwirklicht?

Es gibt viele Punkte, an denen wir diese neuen Richtungen bereits zeigen. Wir haben schon immer viel unternommen, um Nachwuchsdesigner:innen und neue Themen der Branche vorzustellen. Wir setzen unseren Wettbewerb für junge Designer:innen auch in diesem Jahr fort, erweitern ihn aber nicht nur um Produkte, sondern auch um Projekte – wie wir diese Produkte verwenden, wie sie zusammenkommen, wie man kleine Innenräume oder mobile Innenräume gestaltet. Neue Ideen für Wohnen, Arbeiten und Mobilität.

Ausserdem werden wir einen klassischen Kongress veranstalten. Ich für meinen Teil bin aber auch immer auf der Suche nach informelleren Formen der Begegnung. Deshalb haben wir in den Hallen Plätze kreiert, an denen sich die Leute treffen können und wo wir Speakers Corners haben. Dort wird jemand über spezifische Ideen oder Arbeiten sprechen, oder es wird Interviews oder Gespräche geben, um zu sehen, wo es Überschneidungen und Unterschiede gibt. Man kann leicht mit anderen in Kontakt treten und von ihnen lernen. Diese Räume sind keine Hörsäle, sondern wie Cafés. Sie sind direkter. Sie sind näher dran.

Der Zeitplan der imm ändert sich zwar 2023, der Ort bleibt aber derselbe, nämlich das Gelände der Koelnmesse – auch wenn es im Juni neue Ansätze der Produktpräsentation geben wird. Fotos: Koelnmesse/imm cologne

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Der Zeitplan der imm ändert sich zwar 2023, der Ort bleibt aber derselbe, nämlich das Gelände der Koelnmesse – auch wenn es im Juni neue Ansätze der Produktpräsentation geben wird. Fotos: Koelnmesse/imm cologne

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Und was haben die Aussteller:innen davon?

Nun, die Marken müssen sich auch von ihren Traditionen befreien. Sie sind so daran gewöhnt, zur Imagepflege grosse Stände zu bauen, Paläste, in die sie viel Geld und Zeit investieren. Ich denke, die Zukunft der Messen liegt nicht allein in Imagepflege. Die Zukunft dieser Veranstaltungen liegt darin, mit Fachleuten in Kontakt zu treten und zu zeigen, was die wirklich wichtigen Themen unserer Zeit sind. Dafür brauchen wir nicht Tausende von Quadratmetern. Man braucht keinen Stand, der über einen Monat aufgebaut wird und ein enormes Budget verschlingt.

Als Marke muss man also agiler und flexibler sein. Einen kleineren Stand zu bauen, die wirklich originell und attraktiv ist, die nur wirklich neue Ideen und Produkte zeigt – das reicht aus. Ich würde mir offene Räume wünschen, die inspirierend und nicht zu kompliziert sind. Das ist es also, was wir tun müssen. Wir müssen diese Marken mit kleinen Präsentationen überzeugen, die für die Bedürfnisse der Besucher:innen attraktiv sind.

Dick Spierenburg, Creative Director der imm cologne. Fotos: Koelnmesse/imm cologne

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Dick Spierenburg, Creative Director der imm cologne. Fotos: Koelnmesse/imm cologne

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Es gibt einen Elefanten im Raum, und das ist die Salone. Schiessen Sie sich nicht selbst ins Knie, wenn Sie wenige Wochen nach Mailand eine grosse Designmesse veranstalten?

Was Mailand angeht, haben Sie absolut Recht. Braucht die Einrichtungswelt sechs Wochen nach der internationalen Messe in Mailand eine Messe in Deutschland? Es wird nicht leicht sein, diese Frage zu beantworten und die imm zu einer Veranstaltung zu machen, deren Besuch sich wirklich für alle lohnt. Aber letzten Endes leben wir auch in einer Zeit, in der die Dinge immer lokaler werden. Ich habe die Bemerkung gehört, dass in Mailand viele wichtige Deutsche nicht anwesend waren. Noch weniger Niederländer, Belgier und Skandinavier waren dort.

Es ist nicht immer einfach, zu reisen. Und Mailand ist kompliziert, die Stadt ist voll. Es ist also zeitlich und finanziell sehr aufwändig, dorthin zu reisen. Und dann, denke ich, müssen wir bescheiden sein und sagen, Köln ist nicht Mailand. Die imm cologne ist nicht die Salone. Aber für den deutschen Markt, für die nordeuropäischen Länder, ist der Besuch ein sehr einfaches und attraktives Angebot. Bei Messen geht es darum, Unternehmen zusammenzubringen. Einige der grossen Marken laden ihre Kund:innen separat ein, was meiner Meinung nach nicht nachhaltig ist. Es ist gut, wenn es Messen gibt, bei denen Unternehmen und Besucher:innen zusammenkommen und bei denen es einfach ist, sich in ein oder zwei Tagen einen Überblick über die Einrichtungsangebote zu verschaffen. Der Juni bietet also eine Menge guter Möglichkeiten. Deshalb bin ich wirklich optimistisch. Da es sich um eine Sonderausgabe handelt, werden wir die imm einmalig im Juni veranstalten und sie so zu einer sehr attraktiven Messe machen.

© Architonic

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