Maison&Objet 2022 Designer des Jahres Franklin Azzi über architektonische Chirurgie, die aktuelle Lage des französischen Designs und warum Neubauten bald der Vergangenheit angehören könnten.

Der französische Architekt Franklin Azzi ist Maison&Object Designer des Jahres 2022. Foto: Cyrille George Jerusalmi

Wer baut ist out: Franklin Azzi über die Architektur der Zukunft | Aktuelles

Der französische Architekt Franklin Azzi ist Maison&Object Designer des Jahres 2022. Foto: Cyrille George Jerusalmi

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„Sieben Jahre sind zu lang”, so die berühmte Aussage von Jacques Chirac, als er zur Jahrtausendwende versuchte, der französischen Öffentlichkeit die Reform des Präsidentenmandats zu verkaufen. „Fünf Jahre sind moderner”. In einem nationalen Referendum stimmten die Bürger dem zu, und einige Jahre später folgte eine Verfassungsänderung, die die Anzahl der Amtszeiten eines Präsidenten auf zwei begrenzte. Ça suffit.

Ich bin mir sicher, das der angesehene französische Architekt Franklin Azzi eine solche Kontrollen nicht nötig hat, obwohl er bereits zweimal zum Maison&Objet Designer des Jahres gekürt wurde. Und das in Folge. Zugegeben, die Umstände sind etwas ungewöhnlich. Nachdem er für 2020 zum Schirmherrn der Messe erklärt worden war, machte die Pandemie jede physische Veranstaltung zunichte. Deshalb war Azzi 2.0 letzte Woche in Paris bei der Neuauflage der Messe im Jahr 2022.

RETRO FUTUR ist Azzis künstlerische Installation auf der Maison&Object 2022, die die kreativen

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RETRO FUTUR ist Azzis künstlerische Installation auf der Maison&Object 2022, die die kreativen

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Ich habe mich mit ihm an seiner Installation vor Ort getroffen – wo ein langer Tisch mit digitalem Bildschirm bewegte Bilder von den unzähligen analogen Werkzeugen zeigte, die traditionell zur täglichen Arbeit eines Architekten gehören –, um mit ihm über die Rolle und die Verantwortung der Architekt:innen von heute zu sprechen, über den aktuellen Stand der französischen Architektur und des Designs und darüber, warum neue Gebäude in Zukunft ein alter Hut sein werden.

Architonic: Sie haben von der Multidisziplinarität des Architekten gesprochen, und Ihre Installation hier – und die Vielfalt der virtuell gezeigten Objekte – spricht von einer grossen Bandbreite der Tätigkeit. Aber können Architekten alles machen?

Franklin Azzi: Sie können definitiv nicht alles. Ich bin wirklich davon überzeugt, dass wir nicht Gott spielen können. Ich meine, bei einem grossen Projekt müssen wir zusammenarbeiten. Wir haben hier gelernt, einen Sinn für Synthese zu haben, denn bei grossen Projekten muss man die Hierarchie zwischen den Dingen und die Bedeutung der verschiedenen Elemente klar herausstellen.

Ecole des Beaux Arts de Nantes von Franklin Azzi Architecture auf dem Gelände der ehemaligen Alstom-Lagerhallen. Fotos: Luc Boegly

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Ecole des Beaux Arts de Nantes von Franklin Azzi Architecture auf dem Gelände der ehemaligen Alstom-Lagerhallen. Fotos: Luc Boegly

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Seit zehn Jahren arbeiten wir mit einem riesigen Team zusammen. Manchmal arbeiten in unserem Büro 25 Personen, und jede vertritt eine andere Disziplin. Seitdem das nachhaltige Design in der Architektur Einzug gehalten hat, ist es auch immer komplizierter geworden, weil neue Akteure in den Bauprozess eintreten. Ich denke also, wir sollten die Fähigkeit zur Synthese, zur „Verschmelzung” all dieser Disziplinen nicht verlieren.

Ein Architekt ist nicht in der Lage, alles zu tun. Das ist meine Überzeugung. Aber wir sollten von allem ein wenig wissen.

Pavillon Galeries Lafayette: Die 1.700 m2 grosse Terrasse bietet einen atemberaubenden Blick auf die französische Hauptstadt. Foto oben: Ambroise. Foto unten: The Social Food

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Pavillon Galeries Lafayette: Die 1.700 m2 grosse Terrasse bietet einen atemberaubenden Blick auf die französische Hauptstadt. Foto oben: Ambroise. Foto unten: The Social Food

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AT: Wie würden Sie den aktuellen Stand von Architektur und Design in Frankreich beschreiben? Was funktioniert? Was funktioniert nicht?

FA: Ich glaube, die französische Architektur hat in den letzten 10 oder 20 Jahren viel an Kraft verloren. In den 1980er und 90er Jahren dachte jeder, der Architekt sei ein Künstler, und ich bin wirklich völlig gegen dieses Konzept. Ich bin der Meinung, dass wir in gewisser Weise wie ein Künstler sein können, was die Methoden, die wir anwenden, und die Dinge, die wir produzieren, angeht. Aber der Grossteil meines Tages ist eher technischer Natur. Wie löse ich eine mathematische Gleichung mit all den Zwängen, die sich ständig ergeben.


In 20 Jahren wird es keine modernen Gebäude mehr geben. Das ist meine Überzeugung


Ich glaube also nicht, dass die Architektur in Frankreich so gut dasteht. Vor allem weil wir das Erbe haben, dass die Menschen hier etwas zu künstlerisch an die Dinge herangehen. Engländer oder Amerikaner zum Beispiel können ihr Wissen exportieren, denn sie sind nicht nur kreativ, sondern auch sehr starke Techniker. Wer hat die ersten Türme gebaut? Die Engländer. Wer hat die ersten Türme in Hongkong gebaut? Die Engländer haben die ersten Türme in Hongkong gebaut. Wir sind hier in Frankreich in keinem guten Zustand, weil wir nicht auf den internationalen Markt, nicht ins Ausland gehen können. Und ich versuche, das zu ändern.

Ihr industrieller Charakter sowie die heterogene Fassede ist ihr Markenzeichen: Die Beaupassage im Herzen des 7. Pariser Arrondissements von Franklin Azzi Architecture für Kunden Emerige. Foto oben: 11h45. Foto unten: Charlotte Donker

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Ihr industrieller Charakter sowie die heterogene Fassede ist ihr Markenzeichen: Die Beaupassage im Herzen des 7. Pariser Arrondissements von Franklin Azzi Architecture für Kunden Emerige. Foto oben: 11h45. Foto unten: Charlotte Donker

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AT: Architekten und Designer scheinen heute mehr Verantwortung denn je hat zu haben – sozial, politisch, wirtschaftlich, ökologisch. Wie sehen Sie das und wie stellen Sie sich dieser Verantwortung in Ihrer Arbeit?

FA: Ich glaube, wenn man die gesamte Geschichte der Architektur analysiert, war Entwicklung meistens Teil einer Krise. Ich meine, eine Krise bringt eine neue Art von Architektur hervor. Im Moment haben wir eine enorme Wirtschaftskrise, die seit langem anhält, wir haben eine COVID-Krise und eine extreme soziale Krise. All das wird die Art und Weise, wie wir Architektur machen, verändern, und ich glaube, dass meine Generation die Botschafter dieser Veränderungen sein werden.

Wir entwerfen keine Gebäude mehr wie in den 1980er Jahren. Heutzutage reicht es nicht mehr aus, ein Gebäude nur formalistisch zu gestalten. Man muss sich mit nachhaltigem Design befassen, das nicht nur aus Plastik besteht. Dahinter steckt eine Menge Technik, eine Menge Wissen. Wir müssen zum Beispiel neue Dinge mit Materialien bauen, die bereits vorhanden sind. Und das ist etwas ganz anderes als in den 80er Jahren, als wir neue Materialien, neue Kunststoffe schätzen lernten.

Microarchitektur par excellence: der Kiosque Eiffel von Franklin Azzi Architecture am Fusse des Eiffelturms. Foto: WEARECONTENTS

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Microarchitektur par excellence: der Kiosque Eiffel von Franklin Azzi Architecture am Fusse des Eiffelturms. Foto: WEARECONTENTS

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Etwa 70% unserer Arbeit im Büro besteht in der „Sanierung” von Gebäuden. Es ist, als wären wir mehr Ärzte als Architekten. Ein Gebäude ist ein Körper. Ich sage immer, ein Gebäude ist ein Skelett mit Haut. Im Inneren befinden sich Organe, die wir ersetzen, verändern müssen, wie bei einer Operation und das wird auch in Zukunft so bleiben. In 20 Jahren wird es keine modernen Gebäude mehr geben. Das ist meine Überzeugung.

© Architonic

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