Dara Huang über die Beziehung zwischen Natur und Architektur

Wenn man die in London lebende Architektin Dara Huang nach ihrem Lieblingsgebäude in der britischen Hauptstadt fragt, beschreibt sie lieber einen Raum, und zwar die Biegung der Regent Street, wo die prächtigen Fassaden auf beiden Seiten der Strasse den Blick nach oben auf ein sichelförmiges Stück Himmel lenken. Die Art und Weise, wie die Architektur den negativen Raum umrahmt und mit ihm interagiert, steht im Mittelpunkt von Huangs Arbeit, die stets die Beziehung zwischen dem bewohnten Raum und seiner Umgebung auslotet.

Huang gründete ihr Architektur- und Designbüro DH Liberty im Jahr 2013, nachdem sie in grossen Architekturbüros wie Herzog & de Meuron und Foster + Partners gearbeitet hatte. Ihre Arbeit hat eine skulpturale Qualität, die sich in den Formen der von ihr entworfenen Gebäude ebenso niederschlägt wie in der Anordnung der Räume, die die Aufenthalts- und Erlebnisqualität steigern sollen. Natürliches Licht und eine Verbindung zur Natur sind der Schlüssel zur Gestaltung dieser Räume, die durch ihre Mischung aus ausgewogenen, präzisen architektonischen Formen und natürlichen Elementen ein Gefühl von diskretem Luxus vermitteln.

Einige dieser Ideen skizziert Huang in einem Film, der von Sky-Frame im Rahmen der Reihe „My Point of View“ produziert wurde – Testimonials, bei denen führende ArchitektInnen und DesignerInnen über ihre kreative Praxis sprechen. Ein perfektes Beispiel für den einzigartigen Entwurfsansatz von DH Liberty ist die 2019 fertiggestellte Villa Mosca Bianca an den Ufern des italienischen Lago Maggiore. Das Haus mit seinem organisch geformten Grundriss und Reihen von abgestuften Terrassen wurde entworfen, um seine Bewohner in die idyllische Umgebung eintauchen zu lassen und ihnen einen entspannten Lebensstil im Einklang mit der Natur zu ermöglichen.

Im lichtdurchfluteten Wohnzimmer der Villa erklärt Huang, wie die atemberaubende Lage am See das Design beeinflusst hat, das mit der Landschaft zu verschmelzen scheint und grosse verglaste Öffnungen zur Verbindung von Innen- und Aussenräumen vorsieht. Ein kreisförmiger Garten im Herzen des Gebäudes ist von Glasfenstern umgeben, durch die natürliches Licht in die angrenzenden Wohnräume fällt. Zugleich entsteht so eine optische Verbindung mit dem zentralen Treppenhaus.

„Das Konzept des Hauses bestand darin, mit der Natur zu leben. Deshalb war es sehr wichtig, dass man beim Betreten des Hauses das Gefühl hat, noch draussen zu sein, und dass sich die Reflexionen im Haus und durch das Haus hindurch fortsetzen“, sagt Huang. „Es ist fast so, als ob die Aussenwelt buchstäblich hereinkommt und Innen und Aussen wirklich eins werden.“

Der zentrale Wohnbereich der Villa Mosca Bianca befindet sich in einem von mehreren vorspringenden Volumen, die in die Landschaft hineinragen. Dank der raumhohen Fenster hat man das Gefühl, in die spektakuläre Kulisse einzutauchen, während die Schiebetüren von Sky-Frame eine nahtlose Verbindung mit dem angrenzenden Patio schaffen. Die geschwungenen Dächer auf beiden Ebenen reichen über die Fassaden hinaus und umrahmen einen Streifen Himmel zwischen den Traufen und den Bergen auf der gegenüberliegenden Seite des Sees.

„Es ist wirklich schön, dass dieses Haus den Himmel verkörpert; man hat ihn umrahmt, man besitzt ihn, und dann wird er zum Raum, in dem man wohnt“, meint Huang. „Für uns ist es gerade diese Beziehung zwischen dem Besitz des Himmels und dem Aufenthalt in einem sehr spirituellen Raum, die dieses Haus so besonders macht.“

Der Entwurf von DH Liberty für die Villa Mosca Bianca umfasste auch die Innenausstattung und sämtliche Möbel, einschliesslich der Couchtische aus monolithischen Marmorblöcken, die mit einer Reihe von verschiedenen Oberflächenstrukturen kombiniert wurden, um an die Vielfalt und Unvollkommenheit der Natur zu erinnern. Dieser ganzheitliche Ansatz führt zu einer konsequenten Ästhetik, die perfekt auf den Kontext und Lebensstil der Besitzer abgestimmt ist. Für Huang ist ein solches Projekt erst dann abgeschlossen, wenn die Menschen in das Gebäude eingezogen sind; sie freut sich darauf, zu sehen, welche Geschichten sie in diesen Räumen erfinden.

„Der Funke, der ein Projekt zum Leben erweckt, springt über, wenn alle Bauarbeiten abgeschlossen sind und die Ideen und Visionen, die aus Ziegeln und Mörtel entstanden sind, zum Leben erweckt werden“, fasst Huang zusammen. „Als Architektin erschafft man den Beginn von Geschichten, die andere fortschreiben. Und egal, wer kommt – es entfalten sich immer einzigartige Erzählungen.”

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