Sky-Frame: Wohnhaus Freundorf
Text von Sky-Frame
Frauenfeld, Schweiz
24.06.20
Ein weisser, skulptural geformter Baukörper steht selbstbewusst, scheinbar unantastbar auf einer mit Bäumen umrandeten Wiese. Auf den zweiten Blick entdeckt ein Betrachter die Qualitäten des Einfamilienhauses, dass sich feinfühlig mit der Landschaft verzahnt und keineswegs als Solitär über der Natur schweben will. Innen- und Aussenraum stehen in einem harmonischen Zwiegespräch.
In einer beschaulichen niederösterreichischen Gemeinde, knapp eine Autostunde von Wien entfernt, hat ein Ehepaar für sich und ihre zwei- und fünfjährigen Kinder den idealen Bauplatz gefunden. Das grosszügige, leicht abfallende Grundstück liegt am Siedlungsrand mit herrlichem Blick in die angrenzenden Felder und Wälder. Mit einer klaren Vorstellung bezüglich Gestaltung, Nutzungen und Kosten klopfte die Bauherrschaft an der Tür von Project A01 Architects an. Das Wiener Architekturbüro, dass Andreas Schmitzer 1997 gegründet hat und seit 2001 zusammen mit Maria Planegger erfolgreich führt, beschreibt die Zusammenarbeit mit der vierköpfigen Familie als einen Glücksfall. "Die Bauherrschaft hegt ein starkes Interesse an Architektur und Design. Von Beginn weg fanden wir uns in intensiven Diskussionen auf gleicher Ebene," erinnert sich Andreas Schmitzer und führt weiter aus: "Wenn jemand architektonische Qualitäten Wert schätzt, ist die Argumentation während der Entwurfs- und Bauphase ganz einfach eine andere." Dazu kam, dass der Bauherr als Landschaftsgestalter mit eigenem Unternehmen im Dorf tagtäglich mit Architekten zu tun hat und in Fragen der Aussenraumgestaltung bei seinem Haus gleich selber im Entwurf und der anschliessenden Umsetzung mitwirkte.
Um den Traum eines modernen Eigenheims in die richtigen Bahnen zu leiten und sich nicht unnötig in Streitereien mit Nachbarn zu verstricken, suchten Architekten und Bauherrschaft frühzeitig den Kontakt mit der Gemeinde. "Die Baubehörde war zu Beginn skeptisch, aber durchaus offen für neue architektonische Ansätze", beschreibt Schmitzer die ersten Gespräche. Für den in Salzburg geborenen Architekten verlief die Zusammenarbeit mit der zuständigen Behörde viel einfacher und konstruktiver, als dies nur zu gerne in grösseren Städten passiere: "Mit dem Bürgermeister und einem Bauamtsleiter sahen wir uns in Freundorf konfrontiert. In Wien dagegen muss man sich mit gegen 20 verschiedenen Magistratsstellen und gefühlten hundert Mitarbeitern, die dazu noch stetig wechseln, auseinandersetzen. Was in der Hauptstadt oft unüberschaubar ist und wirklich lange dauern kann, ist auf dem Lande einfacher umzusetzen." Durch die frühen Gespräche mit Behörde und Nachbarn waren vor und während des Baus keine kraftraubenden Aktionen nötig und man konnte sich ganz auf die Umsetzung des Traumhauses konzentrieren.
Vision eines Gesamtkunstwerks
Das Team von Project A01, dass sich in den letzten Jahren einen Namen mit aussergewöhnlichen Einfamilienhausprojekten gemacht hat, ist mit der Gestaltung von Innenräumen gross geworden. Heute liegt der Schwerpunkt im Hochbau, angefangen von kleineren Wohnprojekten bis hin zu städtebaulichen Aufgaben. Aktuell entsteht in Wien ein Wohnturm mit 500 Wohneinheiten, das drittgrösste reine Wohnhochhaus in Europa. Andreas Schmitzer und Maria Planegger legen Wert auf eine ganzheitliche Planung. "Wir betrachten nicht nur das Bauwerk als solches, sondern ziehen die Innenraumgestaltung inklusive einem Grossteil der Möblierung von Beginn weg in unsere Entwurfsgedanken mit ein. Unser Ziel ist, ein Gesamtkunstwerk zu schaffen", beschreibt das Duo ihre oberste Entwurfsprämisse. Entstanden ist ein Gebäude, das sich in das leicht geneigte Gelände verzahnt und mit den verschiedenen Niveaus der Landschaft arbeitet, Ein- und Ausblicke in und aus der Landschaft so nutzt, dass Privatsphäre trotz aller Offenheit gewährleistet ist und die Vorzüge der Natur mit ihren vier Jahreszeiten für die Bewohner erlebbar macht.
Der polygonal geformte Körper des Einfamilienhauses besteht aus zwei zueinander verschobenen Volumen, die dem Hang folgend nach Norden und Süden auskragen. Durch die horizontale Verschiebung entsteht zwischen den Elementen ein hoher Luftraum, der den Eingangsbereich sowie die zentrale Erschliessung bildet. Das parallel zur Quartierstrasse verlaufende Volumen sitzt auf einem geerdeten Sockel aus Stahlbeton, der mit hellen Natursteinplatten verkleidet ist und das reduzierte Kellergeschoss mit Garage, Fahrrad- und Abstellraum beherbergt. Durch die umlaufende Anordnung der Fensterfronten scheint das auf zwei Seiten auskragende Volumen über dem Gelände zu schweben. Das Obergeschoss, das mit einer Vorhangfassade von Sto versehen ist, ruht auf Verbundstützen und ist mit einer Fachwerkkonstruktion aus Stahl ausgesteift. Die vorgehängten Putzträgerplatten treten farblich und durch ihre Textur mit dem schweren Steinsockel in ein Zwiegespräch. An allen Ecken und Enden ist die Liebe zum Detail spürbar.
Sonnenlicht bis tief in die Räume
Die Innenräume sind in Split-Level-Bauweise organisiert, um die leichte Hanglage optimal zu nutzen und im Innern spürbar zu machen. Das Herz des Hauses bildet der hohe Luftraum, der einerseits als Gelenk der zwei ineinander geschobenen Baukörper funktioniert und andererseits die verschiedenen Ebenen mit einer leicht wirkenden Treppenanlage verbindet. Die offene Konzeption des Grundrisses der unteren Ebenen kündigt sich bereits im Eingangsbereich an. Eine repräsentative Weinlounge, die für den Empfang von Gästen wie auch für geschäftliche Besprechungen dient, bildet zusammen mit dem Entree einen fliessenden Raum. Eine Toilette sowie eine grosse Waschküche mit Technikraum sitzen ebenfalls auf diesem Niveau. Durch das Tageslicht angezogen erreicht ein Besucher eine halbe Etage höher den vollkommen offen gestalteten und in erhabenes Weiss getauchten Wohnbereich. Die Architekten entwickelten einen Grundriss, der grösstmögliche Freiheit bei der Nutzung und der Möblierung zulässt. Eine Feuerstelle in Sichtbeton strukturiert den grosszügig angelegten Raum in eine Wohnzone mit Küche und einen Arbeitsbereich. Der dunkel gehaltene Kochstelle setzt einen angenehmen Farbkontrast und fügt sich mit seiner skulpturalen Ausformung in den polygonalen Innenraum. Das Sonnenlicht strahlt durch die umlaufenden Fensterfronten wie auch durch den Luftraum über der Erschliessung und der Küche bis tief in den Innenraum.
Vom Wohnraum steigt man eine Ebene höher und erreicht erst den Schlafbereich der Kinder. Den zwei Zimmern inklusive gedeckter Terrasse sind eine offene Spiel- und Arbeitszone vorgelagert, die durch Schiebetüren in einen Gästebereich verwandelt werden kann. Ein Bad, eine separate Toilette sowie eine Abstellkammer ergänzen das Raumangebot. Auf der obersten Ebene befindet sich das Reich der Eltern. Das überraschend klein gehaltenen Schlafzimmer öffnet sich über eine grosszügige Terrasse wie die beiden Kinderzimmer gegen Süden direkt in die Landschaft. So entsteht trotz der functional gehaltenen Abmessungen das Gefühl von Weite. Der Ausblick ist so gefasst, dass man grenzenlos auf Felder und Wälder schauen kann und zugleich keine unerwünschten Einsichten entstehen. Höhepunkt dieser Schlafebene ist der knapp 40 Quadratmeter grosse Wellnessbereich mit integrierter Ankleide. Freistehende Wanne, Doppeldusche, Badmöbel mit zwei Waschbecken sowie einer skulptural geformten Sitzbank im Zentrum lassen keine Wünsche übrig.
Innen und Aussen als Einheit
Das nahtlose Ineinanderfliessen von Innen und Aussen ist auf der Wohnebene am Stärksten zu spüren. Die grossen Öffnungen sind wie im ganzen Haus mit dem Schiebefenstersystem von Sky-Frame ausgestattet. Nach längerer Recherche sind die Architekten von Project A01 vor sieben Jahren auf das beinahe rahmenlose System gestossen. Die hochwertigen Detaillösungen sowie der ausgezeichnete Service überzeugen Andreas Schmitzer noch heute. Die schwellenlosen Fensterlösungen von Sky-Frame unterstreichen zusätzlich dieses Ineinandergreifen von Garten und Innenraum. Dieser Eindruck wird durch den steinernen Bodenbelag, der sich bis auf die Terrasse zieht, weiter verstärkt. Der Garten verbindet sich mit dem Innenraum. Die grosse Terrassenfläche sowie der Pool schliessen direkt an das Haus an. Die Sonnenstrahlen spiegeln sich im Wasser und zaubern flirrende, stetig ändernde Lichtzeichnungen an die Decke des Wohnraums. So entsteht im Wohnraum vor allem in den Sommermonaten ein beinahe mediterranes Ambiente. Das leicht geneigte Gelände wird durch diverse Stützmauern mit integrierter Sitzlandschaft zoniert. Ein Grillplatz sowie eine grosszügige Sandfläche am Pool zaubern Strandfeeling nach Niederösterreich. Die hochwertige Bepflanzung ist gelungen positioniert, ohne das Gebäude sowie die Weite des Grundstücks einzugrenzen oder zu beschneiden.
Das Haus sitzt wie ein Massanzug
"Das Haus in Freundorf ist auf seinen Bauplatz optimiert. Das ist für uns ein entscheidendes Dogma", sagt Andreas Schmitzer. "Bei Objekten, die einen solch starken Bezug zur Landschaft und diese Transparenz aufweisen, müssen die Qualitäten des Ortes noch stärker herausgearbeitet werden. Lage und Sonneneinstrahlung sowie die diversen Ein- und Ausblicke in und aus der Landschaft müssen noch bewusster und gezielter gesetzt werden." Dies ist den Architekten mit dem Haus für die vierköpofige Familie optimal gelungen. Damit am Ende das Resultat für alle Seiten passt, sollte die Bauherrschaft während des ganzen Entstehungsprozesses miteinbezogen werden. "Nur mit einer engagierten und mitdenkenden Bauherrschaft kann ein Architekt zu Höchstleistungen auflaufen", führt Andreas Schmitzer weiter aus. Das Beispiel Freundorf zeigt anschaulich auf, wie die heutigen Bewohner mit ihrem Projekt gewachsen sind. Es gab keinen Tag, wo der Schwiegervater des Bauherrn nicht auf der Baustelle stand und nach dem Rechten schaute. Er war der Bauleiter, der die Handwerker überwacht, angespornt und, wenn nötig, auch angepeitscht hat, damit während eines bestimmten Zeitfensters ein Haus entstand, dass der Familie wie ein Massanzug perfekt auf den Leib geschneidert ist.