Fundamental: Corporate Headquarter Design
Text von Stefano Sabatino
16.06.21
Die Vermittlung von Unternehmenswerten und -identität durch Architektur muss nicht auf Kosten von Komfort und Wohlbefinden der Mitarbeiter gehen.
Die ikonische Glas- und Kupferfassade des RCC Headquarters in Jekaterinburg, Russland, von Foster + Partners. Fotos: Oleg Kovalyuk
Die ikonische Glas- und Kupferfassade des RCC Headquarters in Jekaterinburg, Russland, von Foster + Partners. Fotos: Oleg Kovalyuk
×Früher waren Firmensitze schmucklose, selbstreferenzielle Gebäude, die von Unternehmen in Auftrag gegeben wurden, um sich im Wesentlichen selbst zu feiern. Die Entwürfe beruhten dabei oft auf einer immer noch formalen und institutionellen Vorstellung davon, was eine Büroumgebung repräsentieren sollte. Heute ist es zwar immer noch wichtig, die Identität einer Marke auf Fassaden oder in Innenräumen zum Ausdruck zu bringen, doch viele Unternehmen haben sich vom alten Paradigma verabschiedet. Stattdessen streben sie nach einer ansprechenderen und einladenderen Architektur, die Räume zunehmend auf die Bedürfnisse der MitarbeiterInnen zuschneidet und das Zugehörigkeitsgefühl stärkt.
Der von C.F. Møller Architects entworfene Neubau ist fest im historischen Carlsberg-Areal verwurzelt und stellt ein kontextuelles Modell für die Gestaltung von Firmenzentralen dar. Fotos: Adam Mørk
Der von C.F. Møller Architects entworfene Neubau ist fest im historischen Carlsberg-Areal verwurzelt und stellt ein kontextuelles Modell für die Gestaltung von Firmenzentralen dar. Fotos: Adam Mørk
×Die Carlsberg-Zentrale im Zentrum Kopenhagens, entworfen von C.F. Møller Architects, ist als neues Tor zum historischen Carlsberg-Areal konzipiert. Sie befindet sich neben der Villa und den Gärten des Firmengründers Carl Jacobsen und gliedert sich in drei Flügel. Diese bilden einen vielschichtigen Baukörper, der sich sensibel auf den Massstab des städtischen Kontexts bezieht. Die Glasfassaden sind aussen durch recycelte Kupferlamellen rhythmisch unterteilt und erinnern damit sowohl an alte kupferne Brauereianlagen als auch an einige Dachdetails der benachbarten historischen Gebäude. Im Inneren stellt das zentrale Atrium, das die gesamte Gebäudehöhe einnimmt und einen Blick auf den Garten gewährt, den sozialen Kern des Gebäudes dar. Es ist ein angenehmer Ort, der die Interaktion zwischen MitarbeiterInnen und BesucherInnen fördert.
Die 15-stöckige Zentrale von RCC, gebaut von Foster + Partners, bietet überraschend elegante und häusliche Arbeitsbereiche. Fotos: Oleg Kovalyuk
Die 15-stöckige Zentrale von RCC, gebaut von Foster + Partners, bietet überraschend elegante und häusliche Arbeitsbereiche. Fotos: Oleg Kovalyuk
×Eine andere Raumtypologie von Büroeinheiten haben Foster + Partners für den 15-geschossigen Neubau des Firmensitzes von RCC, einem führenden Kupferproduzenten, im russischen Jekaterinburg entwickelt. Während eine Kombination aus dreidimensionalen Glas- und Kupferdreiecken dem Volumen eine ikonische Präsenz verleiht, liegt der überraschende Aspekt tatsächlich in der Konzeption des Innenraums. Hier wird die typische Open-Space-Konfiguration durch eine intimere Anordnung ersetzt. Alle zwei Geschosse – zwischen zwei übereinander gestapelten Reihen von Büroräumen – gibt es einen zentralen Flur, der mit Lounge-Sofas ausgestattet ist und durch den verglasten Aufzugsschacht einen Blick auf die Stadt offenbart. Ausserdem bildet er einen Treffpunkt für MitarbeiterInnen und schafft eine häusliche Atmosphäre.
Dank des virtuosen Einsatzes von Materialien hat Ministry Of Design in der YTL-Zentrale in Kuala Lumpur einladende und komfortable Gemeinschaftsräume geschaffen. Fotos: David Yeow
Dank des virtuosen Einsatzes von Materialien hat Ministry Of Design in der YTL-Zentrale in Kuala Lumpur einladende und komfortable Gemeinschaftsräume geschaffen. Fotos: David Yeow
×Viel Liebe zum Detail kennzeichnet den Hauptsitz von YTL im Zentrum von Kuala Lumpur, dessen Lobby und obere öffentliche Bereiche von Ministry of Design aus Singapur entworfen wurden. Da das Architektur- und Designbüro an einem Gebäude arbeitete, das von einem anderen Büro entworfen wurde, wollten die Architekten durch das Ausbalancieren verschiedener Raumgrössen eine Art Choreographie und ein abwechslungsreiches Raumerlebnis schaffen. Die Lobby zeichnet sich durch die grosse Vertikalität der über 25 Meter hohen, detailreichen, mit Marmor verkleideten Säulen aus. In den oberen Etagen (Ebene 8-10) gibt es dagegen ein Café und verschiedene Gemeinschaftsräume, die mit einer warmen und eleganten Materialpalette ausgestattet sind und sich für kleine und grosse Zusammenkünfte eignen.
Die von David Chipperfield Architects entworfenen Jacoby Studios zeigen, wie eine Firmenzentrale von heute ein historisches Ensemble in ein neues Ganzes integrieren kann. Fotos: Simon Menges
Die von David Chipperfield Architects entworfenen Jacoby Studios zeigen, wie eine Firmenzentrale von heute ein historisches Ensemble in ein neues Ganzes integrieren kann. Fotos: Simon Menges
×Auch ein ehemaliges Kapuzinerkloster aus dem 17. Jahrhundert – in diesem Fall im mittelalterlichen Stadtkern von Paderborn – kann zu einem ungewöhnlichen und stimmungsvollen Unternehmensstandort werden. David Chipperfield Architects bauten das historische Gebäude, das ab 1841 als Krankenhaus diente, für das Familienunternehmen Jacoby Studios um. Die wichtigsten Teile des Klosters wurden restauriert, um eine gewisse historische Kontinuität zu wahren. Neue zwei- bis dreistöckige rationale Volumen beziehen das bestehende Ensemble sensibel mit ein. Dieser Ansatz bewahrt die Morphologie des ehemaligen Klosters und macht den alten Kreuzgang zum Herzstück des neuen Komplexes.
© Architonic