Jubiläum einer skandinavischen Ikone: 100 Jahre Finn Juhl
Text von Susanne Fritz
Schweiz
07.03.12
Am 30. Januar 2012 wäre der weltbekannte dänische Möbeldesigner und Architekt Finn Juhl, der im Jahr 1989 verstarb, 100 Jahre alt geworden. .Mit Veranstaltungen auf der ganzen Welt, von Tokyo über Köln und Mailand bis zurück in seine Heimat Kopenhagen, wird sein Lebenswerk geehrt.
Chieftain Chair von Onecollection, entworfen von Finn Juhl 1949
Chieftain Chair von Onecollection, entworfen von Finn Juhl 1949
×Ausgebildet als Architekt an der Royal Danish Academy of Fine Arts, School of Architecture, begann Finn Juhl seine Karriere als Architekt im renommierten Büro seines ehemaligen Professors Wilhelm Lauritzen.
Nebenher entwarf er für sein eigenes Apartment Möbelstücke, die er vom Möbelschreiner Niels Vodder herstellen liess.
Juhl nahm mit einigen seiner Entwürfe an der Ausstellung der Kunstschreiner-Gilde an der Royal Danish Academy of Fine Arts teil. Als Architekt hatte er einen anderen Ansatz als die Kunstschreiner, er näherte sich unbefangener an die Materie an. So erlangte er durch seine organische und skulpturale Formensprache viel Aufmerksamkeit. In Folge begann ab 1937 eine erfolgreiche Zusammenarbeit von Finn Juhl mit Niels Vodder, die bis 1959 andauern sollte und deren Erfolg unter anderem darin begründet lag, dass Vodder Juhls Entwürfe, die sich als Kunstwerke vom Serienprodukt distanzierten, verstand und gekonnt umsetzte. Zusammen entwickelten sie neue Techniken für die Produktion von Möbeln mit dem für den Innenbereich neuen Material Teakholz: dieses war durch intensive Rodungen auf den Phillipinnen aufgrund des Pazifikkrieges nun günstig auf dem Weltmarkt zu haben.
In Dänemark wurde Finn Juhl vor allem für die stilprägenden Möbel aus dieser Zeit bekannt, wie zum Beispiel der Poet-Couch von 1941 und dem Chief Stuhl von 1949.
Auch mit dem späteren Gründer des renommierten dänischen Möbelherstellers France & Daverkosen entwickelte er gepolsterte Stühle und Sessel. C.W.F. France verbrachte einige Jahre in einem Konzentrationslager des deutschen NS Regimes. Seines Überlebens sicher, dachte er über neue Geschäftsbereiche seiner Matratzenfirma Lama nach und hatte die Idee eines modern gestalteten Polsterstuhles mit losen Sitzpolstern. Dazu mussten jedoch zuerst Möbel entworfen werden, die losgelöste Sitzpolster erforderten.
France überlebte und setzte seinen Plan um. Er kontaktierte die besten Möbeldesigner, denn er wollte ein qualitativ hochwertiges Produkt entwickeln. Mit dem Kunstschreiner Daverkosen gründete er France & Daverkosen, später machte er sich selbständig mit seiner eigenen Möbelfirma bekannt als France & Son. Das Konzept war ein Erfolg - es war der Beginn einer Ära, in der modernes skandinavisches Design die Welt eroberte. Neben seiner Zusammenarbeit mit Finn Juhl arbeitete er mit weiteren Designgrössen wie Peter Hvidt & Orla Mølgaard Nielsen.
Easychair FJ 01 von Kitani, entworfen von Finn Juhl 1953
Easychair FJ 01 von Kitani, entworfen von Finn Juhl 1953
×Auch sein späteres Haus richtete Finn Juhl natürlich mit seinen eigenen Entwürfen ein. Juhl betrachtete Möbel als Teil der räumlichen Wirkung, die mit Kunst und Rauminstallationen eine Einheit bildete. Dieser Gesamtentwurf, der auch Einblick in die skandinavische Wohnkultur der 50er und 60er Jahre gibt, wurde als feste Ausstellung an das angrenzende Museums Ordrupgaard zu integriert. Vor wenigen Jahren wurde ein grosser Teil des Interieurs des Hauses gestohlen. Die Einbrecher konnten zum Glück nicht alles transportieren und liessen z.B. einen Tisch im Garten zurück. Bis heute sind alle Stücke spurlos verschwunden.
Juhl gründete auch eine eigene Schule, welche eine Generation von Innenarchitekten prägte. Juhls Schüler wurden meist auch glühende Anhänger und passionierte Botschafter seines Stils. Diese Leidenschaft und Kompromisslosigkeit in der Umsetzung seiner Ideen verkörperte nämlich auch ihr Lehrer: Für die dänische Botschaft beispielsweise bezahlte Finn Juhl einen Teil der Möblierung aus eigener Tasche, da das Budget gekürzt wurde und er mit den billigeren Stühlen auf der Terrasse nicht einverstanden war.
Sofa Model 137 von Onecollection, entworfen von Finn Juhl 1953
Sofa Model 137 von Onecollection, entworfen von Finn Juhl 1953
×Eye table und Sofa Model 4600 von Onecollection, entworfen von Finn Juhl 1953
Eye table und Sofa Model 4600 von Onecollection, entworfen von Finn Juhl 1953
×Der Architektur-Auftrag für das Interieur des UN-Hauptsitzes in New York verschaffte seinen Möbeln auch den Durchbruch in den USA:
er lernte Edgar Kaufmann kennen, den damaligen Direktor des Museums of Modern Art in New York, der Finn Juhl durch Publikationen und Ausstellungen bekannt machte. In Folge dessen wurde Juhls Möbel seriell hergestellt. Heute besitzt die dänische Firma Onecollection die Lizenzen: Deren Gründer Henrik Sørensen und Ivan Hansen hatten in Folge eines Auftrags von Juhls Witwe Hanne Wilhelm Hansen für das Sofa einer Ausstellung im Jahr 2001 die gesamten Herstellungsrechte erhalten. Sie schafften es mit viel Sachkenntnis, Leidenschaft und in der Zeit einer ökonomischen Krise die Kollektion wieder in Produktion zu bringen. Zu Finn Juhls 100jährigem Geburtstag organisierte Onecollection mehrere internationale Ausstellungen.
Bis ins ferne Japan geniesst Finn Juhl enormes Ansehen. Die skandinavische Handwerkskunst mit ihren durchdachten Konstruktionsdetails, der gekonnte Umgang mit den materialinhärenten Eigenschaften des von Juhl bevorzugten Teakholzes und die minimalistische, jedoch weiche Formensprache, welche die formal eher harte und stark geometrische japanische Architektur kontrastiert, sprechen das ästhetische Empfinden der Japaner stark an.
Toshio Mitsufuji, in den 60er Jahren Architekturprofessor an der Showa Women's University, drückte es so aus:
"Putting together the chair (by Finn Juhl) (...) I had a chance to gain a clear understanding of details.(...) It made me want to learn more. I felt great admiration for those countries and their furniture designers who were making earnest efforts to find out how modern life should be lived and who were producing designs of true beauty."
Finn Juhl Ausstellung in der Park Tower Gallery in Tokyo 2012
Finn Juhl Ausstellung in der Park Tower Gallery in Tokyo 2012
×Wie sehr die Verehrung Finn Juhls seine Anhänger verbindet und alle anderen Interessen übersteigt, sieht man an der für die Möbelbranche aussergewöhnlichen Tatsache, dass die japanische Firma Kitani mit stillem Einverständnis vom offiziellen dänischen Lizenzhalter Onecollection Juhls Möbel in Japan produziert, während sich andere Firmen in jahrelangen Streits um Lizenzen gegenseitig fast zugrunde richten.
Der Direktor von Kitani, Kiyofumi Tanaka, baute anlässlich des Jubiläums von Juhl sein Wohnhaus mit Zustimmung der Wilhelm Hansen-Stiftung, die über Juhls Erbe wacht, in einem kleinen japanischen Ort sogar originalgetreu nach.