Ventura - Schweizer Uhrendesign der Avantgarde
Text von Susanne Fritz
Schweiz
18.11.12
Ventura, die Schweizer Uhrenmarke der Avantgarde, ist zurück. Die erste "Manufacture électronique" für hochwertige Digitaluhren präsentierte unlängst mit der SPARC MGS eine Uhr, die wieder einmal Massstäbe im Uhrendesign setzt.
Vor beinahe zwei Jahrzehnten begann die Zusammenarbeit von Hannes Wettstein und dem Ventura-Gründer Pierre Nobs. Sie manifestierte sich zum ersten Mal in der gemeinsamen Entwicklung der v-matic Automatic, die 1994 auf den Markt kam.
Auf den ersten Blick besitzt sie alle Attribute einer klassischen Armbanduhr, mit rundem Gehäuse und einem Edelstahlband - doch mit zwei wenigen wesentlichen Gestaltungsmerkmalen erhielt sie eine neue, unkonventionelle Optik. Zum einen besitzt die v-matic Automatic zwar frontal gesehen ein klassisches Gehäuse - seitlich gesehen bemerkt man die formale Finesse eines nach unten konisch zulaufenden Kegelstumpfes. Dieses konstruktive Element ermöglicht es, den Winkel der beiden Band-Anstösse nach unten zu antizipieren und diese zu verkürzen. Ein weiterer Design-Kniff, von Pierre Nobs angeregt, verleiht ihr Besonderheit: Wettstein brachte auf dem Uhrglas ein Metall-Inlay an, welches nicht nur den optischen Reiz hatte, die Mechanik der Zeiger scheinbar nach Aussen zu verlagern, sondern vor allem als Schutz des Uhrglases vor Stössen und Kratzern diente. Das Zifferblatt zeigt Referenzen zur Instrumenten-Optik klassischer Chronometer, jedoch mit einem bisher ungewohnten Abstraktionsgrad.
Nach der v-matic LOGA, welches zum wichtigsten und meistverkauften Modell in der Reihe wurde, folgte 1998 die v-matic EGO Pi. Das zylindrische Gehäuse ist flacher, die mechanische Finesse besteht aus einer drehbaren Lünette, die mit einer festen Innenskala einen Rechenschieber bildet - daher rührt die Namensgebung der Uhr aus der Kreiszahl Pi.
Die filigranen Ziffern der Innenskala und des Zifferblattes verleihen der Uhr Feinheit und Eleganz.
Die Besonderheit der "Manufacture électronique" von Ventura liegt abgesehen vom besonderen Design-Konzept darin, dass die Firma schon frühzeitig einen anderen Weg als der Rest der Schweizer Uhrenbranche einschlug, welche sich immer mehr auf traditionelle Mechanik-Uhren konzentrierte.
So resümierte Pierre Renggli, Präsident der Allgemeinen Schweizerischen Uhrenindustrie Aktiengesellschaft (ASUAG) schon im Jahr 1983: "Die Schweizer Uhrenkrise begann mit dem Siegeszug der Elektronik. Heute haben wir es mit einer völlig neuen Industrie zu tun, die (...) mit der Vergangenheit völlig gebrochen hat."
Mit der Gründung von Ventura im Jahr 1989 und der Spezialisierung auf sorgfältig gestaltete elektronische Uhren höchster Qualität belegt die Firma bis heute eine hoch spezifizierte Nische.
War die Kooperation zwischen Ventura Gründer Pierre Nobs und Hannes Wettstein durch avantgardistische Gestaltung gekennzeichnet, folgte nun mit der SPARC fx auch eine technische Revolution.
Es galt, die Erfindung der Automatik-Digitaluhr durch Ventura in eine adäquate Form zu bringen. Als "Vorlage" diente dabei die allererste Ventura Uhr, die ''Watch Flemming Bo Hansen'' welche 1989 in die permanente Design Sammlung des Museum of Modern Art New York aufgenommen wurde. Hannes Wettstein paarte die rechteckige Flüssigkristall-Anzeige mit einem runden Gehäuse und hob so das rotative Element der MGS (Mikro-Generator System) Automatik-Mechanik hervor. Hierin bestand auch die technische Weltneuheit: Eine elektronische Automatik-Uhr war bisher noch nicht auf dem Markt und der scheinbare Widerspruch einer Verschmelzung von digitalem Display und einem kreisrunden Stahlgehäuse mit Krone und analoger Optik faszinierte.
Gestalterisch gesehen war die SPARC fx viel eleganter als andere Quarzuhren, deren Display als Fenster in das Uhrgehäuse integriert wurde. Wettstein stellte ein Display vor, das wie ein minimal gestaltetes rechteckiges Uhrglas ohne Lünette wirkte und versatzlos in das Edelmetall-Armband überging.
Das später folgende LCD Modell SPARC px erschliesst sich formal in seiner Längsansicht: wie ein Keil läuft das Gehäuse nach oben zu, dessen Asymmetrie durch die nach oben versetzte Anordnung des Displays unterstrichen wurde: die Anzeige ist nach oben rahmenlos. Die Uhr sitzt Pult-artig über der Kante des Handgelenks und hält das Display dem Auge des Betrachters entgegen, womit sich das typische Drehen des Handgelenkes beim Blick auf die Uhr erübrigt.
Weil die Generator-betriebenen SPARC Modelle wegen der beschränkten Energie Zufuhr nur Zeit und Datum mit wenigen Segmenten anzuzeigen vermochten, entstand 2003 mit der v-tec Alpha ein völlig neuartiges Konzept einer multifunktionalen Uhr. Diese sollte völlig intuitiv mittels einem von Ventura entwickelten Betriebssystem und einem Scroller bedient werden, der ähnlich wie eine Computer-Maus funktioniert.
Hannes Wettstein hatte die spontane Idee, diesen Scroller einerseits zu schützen, diesen aber gleichzeitig zu exponieren; es entstand entstand der ''Wettstein Knick'', ein zukünftiges Markenzeichen der Gehäusegeometrie dieser erfolgreichen Uhr, die Ventura zur Kultmarke machte.
Die v-matic II (2004) und die V-Tec Kappa (2007) entstanden noch unter der gemeinsamen Designregie von Hannes Wettstein und Projektleiter Simon Husslein, der an der Gestaltung der Uhren für Ventura seit der SPARC fx im Jahr 2000 eine leitende Position einnahm.
Er entwickelte eine eigene Typographie für die Grafik der LCD Anzeige der v-tec Alpha und deren Nachfolger. Die Typographie digitaler Uhrendisplays ist eine anspruchsvolle graphische Aufgabe: Die Gestaltung der Zahlen und Ziffern muss auf den Segmenten der einzelnen Felder basieren. Die digitale Version einer ''8'' stellt dabei die sozusagen eine volle Belegung dieser Segmente dar. Die Entwicklung einer Typographie, welche auf ästhetische Weise alphanumerische Zeichen in geometrisch zerlegbare Schrift umwandelt, wurde somit zu einer kombinatorischen und graphischen Meisterleistung, welche eine unverwechselbare und Ventura-typische digitale Zeitanzeige generierte.
Nach dem viel zu frühen Tod von Hannes Wettstein traten dessen langjährige Weggefährten das anspruchsvolle Erbe an. Heute sind Stephan Hürlemann und Simon Husslein für die Kreation verantwortlich, Britta Herold für die operative Geschäftsführung des Zürcher Designbüros.
Der neuste Wurf von Ventura, die SPARC MGS, wurde nun unter Leitung von Simon Husslein entwickelt und gewann, ihren Vorbildern getreu, zahlreiche Designpreise. Die SPARC MGS präsentiert wieder einmal ein absolutes Novum: Das Prinzip eines Automatik-Digitaluhrwerks der SPARC fx und die EasySkroll Technik der v-tec Alpha wurden nun in einer Uhr vereint.
Das MGS Automatik-Digitaluhrwerk der Sparc wurde von Grund auf neuentwickelt und vermag nunmehr genügend Strom für den Betrieb der multifunktionalen EasySkroll Technik zu erbringen. Pierre Nobs patentierte die Idee, das MGS Automatik Uhrwerk sichtbar neben die Anzeige zu positionieren.
Wie bei einer konventionellen Automatik-Uhr setzen die Bewegungen des Trägers eine Schwungmasse in Bewegung, welche ihre Kraft auf ein Wechselgetriebe überträgt und eine Feder spannt. Diese gibt ihre Spannkraft rund 17'000 mal pro Tag auf einen Mikro-Generator ab, welcher den Strom für das System erzeugt und einem Akku zuführt. Die eigens von Ventura entwickelte System-Software steuert eine ausgeklügelte Energie-Bewirtschaftung; so sorgt ein Sensor dafür, dass die LC Anzeige erlischt, wenn die Uhr für längere Zeit nicht bewegt wird.
So viel Technologie braucht ein gewisses Gehäusevolumen, doch hier wurde der Wettstein-Knick wiederum zur gestalterischen Lösung diese Problems herangezogen.
Neu und faszinierend an der Spark MGS ist die sichtbare Automatik, die eine schöne Symbiose von Mechanik und digitalem Display auf der Oberfläche der Uhr zeigt. Für die Ziffern des LCD verwendete Studio Hannes Wettstein die eigens entworfene Typographie. Die Gehäusegeometrie wurde bei der SPARC MGS komplexer. Frei geformte Flächen lassen die Uhr jedoch nicht organisch wirken, sondern lediglich etwas weicher und weniger kantig, was bei der Grösse der Uhr sicher vorteilhaft ist und ihrer ''Männlichkeit'' keinen Abbruch tut. Gross, männlich, modern - das ist Ventura. Das Wort selbst bedeutet übersetzt Glück, das ich auch mit meiner etwas zierlicheren, goldenen Ventura Miss V empfinde, wenn ich nach der Uhrzeit schiele.