Charlotte Posenenske
Text von Susanne Junker
Berlin, Deutschland
23.11.09
Charlotte Posenenske ist eine deutsche Künstlerin, die in den 60er Jahren minimalistische und performensartige Skulpturen und Reliefs schuf.
Charlotte Posenenske ist eine deutsche Künstlerin, die in den 60er Jahren minimalistische und performensartige Skulpturen und Reliefs schuf. In dem Anspruch, möglichst jede subjektive künstlerische Aussage zu vermeiden, bevorzugte sie extrem sachliche Materialien wie Spanplatten, Wellpappe und Stahlbleche.
In einem weiteren Schritt experimentierte sie mit Reproduzierbarkeit: “Die Sachen, die ich mache, sind veränderlich, möglichst einfach, reproduzierbar. Ich mache Serien, weil ich nicht Einzelstücke für Einzelne machen will. Die Serien können Prototypen für eine Massenproduktion sein. Die Gegenstände sollen den objektiven Charakter von Industrieprodukten haben.” Für einen Designer eine normale Haltung, für einen Künstler dagegen schon sehr ungewöhnlich. Aber all dies trifft natürlich nicht die Wirkung, den Witz, wenn wie ein furunkeliger Rüssel eine “Abkofferung” aus gefalteter Pappe aus einer Raumkante wächst, oder eine Paar Blech-Vierkantrohre an einer Stuckfassade kleben, als sei die Lüftungsanlage durchgedreht.
Vierkantrohre Serie DW, Rekonstruktion, Wellpappe, Dokumenta 12, Kassel 2007
Vierkantrohre Serie DW, Rekonstruktion, Wellpappe, Dokumenta 12, Kassel 2007
×Diese extrem reduzierten dreidimensionalen Werke, für die ihr Name heute steht, entstanden alle im kurzen Zeitraum von 1966– 1968. Danach stellte sie ihre Arbeit aus künstlerischem wie gesellschaftspolitischem Protest ein – kein Gag zur Steigerung des Marktwertes, sondern trotziger Ernst. Erst 2007 zur Dokumenta 12 wurde sie sozusagen wiederentdeckt, wobei natürlich ihre wahren Anhänger sie nie vergessen haben. Rekonstruktionen werden durch ihren Lebensgefährten autorisiert derzeit wieder in Galerien gehandelt.
Vierkantrohre Serie D, Rekonstruktion, Stahlblech, Galerie Mehdi Chouakri, Berlin 2008
Vierkantrohre Serie D, Rekonstruktion, Stahlblech, Galerie Mehdi Chouakri, Berlin 2008
×Die nun vorliegende Monographie zeigt zwar vor allem die Rekonstruktionen und das umfangreiche Werk an Gemälden und Zeichnungen, läßt aber im ausführlichen Textteil auch Charlotte Posenenske selbst zu Wort kommen:
„Sehr geehrte Herren!
Ich danke Ihnen für die Aufforderung, an dem Wettbewerb für das Geschäfts- und Wohnzentrum in Stieghorst, Bielefeld, teilzunehmen.
Die Siedlung Stieghorst ist eine Ansammlung von Wohnmöglichkeiten. Dieses Angebot der Möglichkeiten soll den Eindruck erwecken, die Mieter könnten sich für etwas entscheiden, das ihren tatsächlichen Bedürfnissen entspricht. Auf diese Weise wird der Zwang, das Angebotene akzeptieren zu müssen, verschleiert. (...) Jede Investition, die über die minimale Befriedigung der tatsächlichen Bedürfnisse hinausgeht, dient nur dazu vorzutäuschen, diese seien restlos erfüllt. Deshalb soll in Stieghorst für einen Brunnen oder eine Plastik 38.000 DM investiert werden. (...) Sie soll weismachen, diese Karnickelställe hätten alle Bedürfnisse erfüllt, und man könne sich nun das Schöne leisten. Kunst soll für die Slums der Zukunft werben. Die Auslober selbst wissen offenbar von den Unzulänglichkeit ihres Projektes, wenn sie meinen, den Platz durch künstlerische Gestaltung ‚steigern‘ zu müssen. (...) Ich lehne die Mitarbeit unter diesen Umständen ab und schicke Ihnen beiliegend die Unterlagen zurück.“
Vierkantrohre Serie D, Original 1967, Stahlblech, Verkehrsinsel Offenbach 1967
Vierkantrohre Serie D, Original 1967, Stahlblech, Verkehrsinsel Offenbach 1967
×Facts:
Renate Wiehager (Hrsg.), Text von Burkhard Brunn, Renate Wiehager
216 Seiten, 410 Abb., davon 369 farbig
24,70 x 29,60 cm
Verlag HatjeCantz, München 2009
Preisempfehlung des Verlags: 58,- EUR
Deutsche Ausgabe ISBN 978-3-7757-2362-6
Englische Ausgabe ISBN 978-3-7757-2363-3