Die kurz bevorstehenden olympischen Spiele in China beherrschen die Schlagzeilen ebenso wie Berichte über die dortigen spektakulären Bau-Großprojekte.

Die kurz bevorstehenden olympischen Spiele in China beherrschen die Schlagzeilen ebenso wie Berichte über die dortigen spektakulären Großprojekte der internationalen Architektenstars. Doch was passiert hinter, unter, neben diesen Solitären? Wie äußert sich die seit der Documenta X sprichwörtliche „speed of Shenzhen“, also politische Macht plus wirtschaftliche Macht plus enorme Wachstumsraten in städtebaulicher Hinsicht?

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Cities of the Pacific Century | Aktuelles

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Der Berliner Architekturkritiker Ulf Meyer hat über einen Zeitraum von 10 Jahren 15 Reisen in die asiatischen Mega-Cities Beijing, Shanghai, Suzhou, Shenzhen, Chongqing, Taipei, Tokyo, Bangkok, Putrajaya und Jakarta unternommen. Sein hier vorgestelltes Buch mit Reportagen und Essays über diese 10 Städte ist zwar mittlerweile 4 Jahre alt, doch was bedeutet schon Zeit, wenn z.B. Pudong als Sonderwirtschaftzone Shanghais erst 1990 freigegeben wurde und damit kein einziges der zahlreichen Geschäfthäuser älter als 19 Jahre ist?

Ulf Meyer fährt mit Taxi, Fahrrad, Bus und geht auch dort, wo es trotz gigantischer Autobahngeflechte möglich ist, zu Fuß, und vor allem hält er die Augen weit offen. Seine Beobachtungen veranlassen ihn zu einer nachdenklichen Auseinandersetzung mit der Rolle der Stadt an sich, als Lebensraum und genauso Alptraum ihrer Bewohner, ihrer geschichtlichen Entwicklung und gleichzeitig deren Verleugnung, der Rolle der europäischen Stadt als Vorbild und Gegenbild, als Touristenziel, Geldmaschine, Machtsymbol.

Tokyo, Japan: „Man muss nur den jungen, japanischen Blondinen mit ihren Plateauschuhen folgen, die zu Tausenden Abend für Abend zum Hachiko Square strömen. (...) Der Hachiko Square ist das Epizentrum dieser kreativen, energiereichen und vulgären Szene und der wichtigste Platz der 30-Millionen-Stadt Tokyo. (...) Die städtebauliche Entwicklung (Shibuyas) begann erst 1907 mit einer einzelnen Straßenbahnlinie. Nachdem immer mehr Bahnen ihre Linien nach Shibuya führten, wurden ihre Bahnhöfe in einem Gebäude amalgiert: Es entstand ein gigantischer Kaufhaus-Bahnhof-Hybrid mit piranesihaften Treppenorgien und bewußt verstrickten Wegen vom Zug an den Auslagen der Kaufpaläste vorbei. Züge halten mitten im ersten, zweiten und dritten Obergeschoss des Monstergebäudes. Das ganze Stadtviertel um den Hachiko Square herum ist fest in der Hand der Bahnfirmen.“

Suzhou, China: „Wer vom Flughafenterminal in Shanghai zum Taxistand läuft, sieht sie schon von ferne: Vor dem Hintergrund der Skyline von Shanghai stehen riesige Plakatwände, die die Silhouette einer anderen Stadt zeigen: die von Suzhous New District. (...) Noch nicht einmal einen richtigen Namen hat man dem Neubauviertel gegeben. Das Drei-Buchstaben-Kürzel „SND“ erinnert an einen internationalen Konzern und tatsächlich ist das Selbstverständnis des neuen Quartiers davon nicht weit entfernt. (...) Die totale Planung (...) scheint deutlich vom dem Computerspiel Sim City inspiriert zu sein, im dem der Spieler aus isolierten Einzelgebäuden eine Reißbrettstadt aus dem Boden stampfen kann. Öffentlicher Personennahverkehr mit Ausnahme überladener Busse ist nicht vorgesehen. (...) Man spricht konsequenterweise lieber von der ‚Zone’ als von einem neuen Stadtteil. Denn hier werden keine urbanen Räume geplant, sondern Gebäude geparkt.“

Das Buch gehört damit nicht nur ins Handgepäck beim nächsten Asientrip, sondern ist auch eine unbedingt empfehlenswerte Ergänzung zu den Prachtbildbänden über das Bird’s Nest, den Water Cube und Co.

Facts
Ulf Meyer
144 Seiten, 128 Abbildungen,
13,0 x 21,0 cm, soft cover,
Verlagshaus Braun, Berlin 2004
Preisempfehlung des Verlags: 14,95 EUR
deutsch mit englischer Übersetzung im Anhang
ISBN 13: 978-3-935455-53-4
ISBN 10: 3-935455-53-4