DDR- Sonderbauten
Text von Susanne Junker
Berlin, Deutschland
27.02.08
Ingrid Buron und Gregory Namberger "exportieren" den Geist Berlins bis auf die Insel Rügen
Gibt es wirklich die typischen Zutaten für Berlin, den "Berlin Spirit"? Backstein, Naturstein, Beton, aber auch Stuck, hohe Decken mit sichtbaren Unterzügen, Plastikhartschalensitze, Breitcordhocker, großgemusterte Tapeten vorzugsweise mit viel dunkelbraun und orange, Aludruckguss-Industriestrahler, Klassizismus plus Gründerzeit plus Fünfziger plus Plattenbauten, plus ein bißchen Dreck.
Gregory Namberger grinst, er muß es wissen, denn zusammen mit seiner Partnerin Ingrid Buron arbeitet er seit mittlerweile 10 Jahren erfolgreich als sogenannter Filmarchitekt. In meiner Aufzählung fehlt beiden die menschliche Komponente, ohne die Seele geht es nicht. Unter dem Label "namberger.buron.architecture" entstehen Szenenbilder für Filme und Commercials, werden Möbeldesign, Marketingkonzepte und auch Architektur entworfen. Beide betreuen ihre Kunden ganzheitlich - ohne jegliche Esoterik wortwörtlich gemeint - von der Wahl des Grundstücks über den gesamten Planungs- und Bauprozess bis zum Einkauf der Weingläser und des Liegestuhls. Ingrid Buron betont: "Wir verbinden Mensch und Raum."
Von ihrem Kreuzberger Büro-Loft aus haben beide große und kleine Fabrik- und Altbauetagen zu Wohn-Lofts, Büro-Lofts, Event-Lofts usw. ausgebaut, umgebaut und eingerichtet. Allen Arbeiten gemeinsam ist das sorgfältige und geradezu sinnliche Eingehen auf den Raum und die Menschen, die sich darin wohlfühlen sollen. Es wird keineswegs ein fertiges und umfassendes Styling-Konzept "Trash à la Berlin" übergestülpt, sondern stattdessen fällt das Prinzip Collage auf, das Sichtbarmachen von Schichten und Schichtungen. Auch absolut heterogenes bleibt nebeneinander stehen - durch die alltägliche Benutzung entsteht das Miteinander.
Namberger und Buron haben den Geist Berliner Lofts inzwischen auch nach Süddeutschland und in die Vogesen exportiert - und es hat funktioniert, wie die Folgeaufträge zeigen.
Im Moment haben sich die beiden Designer wieder eines ihrer Lieblingsprojekte vorgenommen. Auf der Insel Rügen fanden sie ein Ensemble der legendären "DDR-Sonderbauten", die Ulrich Muether 1973 aus einer experimentellen Mischung aus Schalen und Spritzbeton errichtet hatte. Nicht nur Salzwasser und Winterkälte hatten den Bauten zugesetzt, sie hatten auch unter sinnloser Zerstörungswut in der Nachwendezeit gelitten. Namberger und Buron richteten das Gelände als Kulisse für einen Thriller her, mit allem morbiden Drum und Dran bis zur blutverschmierten Leiche. Doch nun steht die Wiederbelebung als Ferien-Loft an, denn auch Berliner brauchen mal eine Pause. Statt marodem Spritzbetongerippe läßt sich schon der atemberaubende Ausblick auf die Ostsee aus einem dunkelbraunen Kunstleder-Fauteuil geniessen.