Goldene Mondoberflächen
Text von Susanne Junker
Berlin, Deutschland
19.02.08
Der Designer Alexis Oehler arbeitet mitten in Berlin - Kreuzberg, doch so romantisch seine Werkstatt anmutet, so hart und grob ist sein bevorzugtes Material, das eher Assoziationen an triste Plattenbauvorstädte hervorruft
In einem verwunschenen Vorgärtchen purzeln die Krabbelkinder eines Kinderladens übereinander, daneben laden leckere Tapas zu einem Päuschen ein. In der Hofeinfahrt hat sich eine Katzenfamilie häuslich niedergelassen, und aus einer hellgelb gestrichenen Remise klingt Klopfen und Sägen. Der Designer Alexis Oehler arbeitet mitten in Berlin - Kreuzberg, doch so romantisch seine Werkstatt anmutet, so hart und grob ist sein bevorzugtes Material, das eher Assoziationen an triste Plattenbauvorstädte hervorruft - bis die blattvergoldeten Oberflächen zahlloser Schalen wie eine Sammlung von Monden im Regal aufleuchten. Alexis fertigt Waren aus Beton, so auch der Name seines Labels, Betonware.
Betonware bedeutet nicht nur den Entwurf, sondern auch die Planung des Herstellungsprozesses, den Bau der Modelle und Formen für den Betonguß, den Akt des Gießens bis zum Zusammenfügen der einzelnen Gußstücke und dem Veredeln der Oberflächen.
Die Schalen mit Durchmessern von 8 cm bis fast 50 cm gießt Alexis aus faserverstärktem Beton, der Wandstärken von lediglich 10 mm ermöglicht. Zwei identische Formschalen bilden die Gußform, die Schale selbst entsteht als Segment einer Kugelhülle. Durch den Befüllungsgrad der Form bestimmt dabei Alexis Schale für Schale ihre Größe und dabei entsprechend die Wandstärke und die Breite des Schalenrandes. Die Innenflächen sind auf diese Weise mit ihren Mustern und Wasserkanälen immer unterschiedliche Unikate. Im Anschluß werden diese Mondoberflächen, die je nach Pigmentierung des Betons weiß, grau oder auch ganz schwarz sein können, mit Blattgold, Blattsilber oder Mosaiken veredelt.
Größere Betonwaren wie Möbel und Skulpturen werden von Alexis aus Einzelformen zusammengefügt. Der Empfangstresen in einem Berliner Yoga-Studio setzt sich aus 3 in der Werkstatt vorgefertigten Leichtbetonteilen zusammen, deren eingegossene Stahlträger die Stabilität des immerhin 2,40 m langen Möbels gewährleisten. Mit 8 kräftigen M10er-Schrauben halten die "Tischbeine" die "Tischplatte", und eine hauchdünn wirkende Acrylscheibe als Frontabdeckung spiegelt eine wiederum gold schimmernde Wand.
Aber warum ausgerechnet Beton? Alexis Oehler stellt seinen Milchkaffee auf einer Box aus "gegossenem Stein" ab und verweist auf die Arbeiten von Axel Schultes und Peter Zumthor. Er erklärt: "Überzeugend im Sinne des subjektiven Empfindens ist die harte, kalte Grobheit des Materials und vor allem die Masse... Besonderer Reiz von komplexen Betonteilen ist die Verfolgbarkeit des Herstellungsprozesses - also des Gußverfahrens. Die dabei entstehenden Formen der Werkstücke sowie die der Anschlüsse an Bauteile, Befestigungspunkte und Aussteifungselemente entsprechen im Idealfall organischen Gesetzmäßigkeiten. Die rigide Einhaltung dieser Gesetzmäßigkeiten ebenso wie der bewußte Bruch ergeben Produktqualitäten, die mit keinem anderen Material zu erreichen sind. Die durch den Einsatz von speziellen Zuschlagstoffen und Schalungsmaterialien erreichten Diversifikationen des Betons ermöglichen eine schon fast poetischen Einsatz in Bezug auf die Wahrnehmung des Werkstoffs."
Als diplomierter Industriedesigner gestaltet er auch ganze Innenräume und konzipiert Events wie z.B. Markenpräsentationen für Nike und Louis Vuitton